Joy Jellamo, Soziale Dienste, Sozialdepartement
Joy Jellamo: «Ich habe mich in das Bild regelrecht verliebt – und das passiert mir nicht oft.»
Künstlerin: Helen Dahm
Werk: «Eva in Rosa», 1955, Hinterglasmalerei, 86 x 61 cm.
Das Werk befindet sich seit 1955 in der Kunstsammlung der Stadt Zürich.
Foto: Esther Mathis
Warum haben Sie speziell dieses Werk ausgewählt?
Eigentlich habe ich die Künstlerin gar nicht gekannt, und als ich mir die Bilder in der Kunstsammlung angeschaut habe, ist mir das Bild «Eva in Rosa» von Helen Dahm gleich ins Auge gesprungen, vor allem die knallige, fröhliche Farbe, auch wenn das Bild keine Fröhlichkeit ausstrahlt. Diese Diskrepanz gefiel mir und diese Augen, die einen so direkt beobachten – einfach hinreissend. Vielleicht auch ein bisschen unheimlich – aber zu unheimlich durfte das Werk nicht sein, da meine Klient*innen vor allem Kinder sind. Dann habe ich mir das Bild vorgestellt, wie es über dem blauen Sofa hängen und wie man es gleich als Erstes sehen würde, wenn man durch die Türe reinkommt. Es war mir klar, dieses Bild ist es.
Nachdem ich das Bild ausgeliehen hatte, schaute ich mir im Internet andere Bilder von Helen Dahm an und diese gefielen mir nicht besonders. Ich denke, ein anderes Bild von ihr hätte ich nicht ausgewählt. Raquel Brühlmann von der Kunstsammlung erzählte mir, dass Helen Dahm als erste Frau den Kunstpreis der Stadt Zürich erhalten habe (1954). Dies ist sicherlich auch ein gutes Omen für meine Wahl.
Was für Kunst haben Sie sich ursprünglich gewünscht, ausleihen zu können, und warum?
Ich bin mit der Vorstellung hingegangen, dass ich höchstwahrscheinlich Fotografien aussuchen werde. Ich liebe Fotografien, aber Fotografien sind im Moment sehr beliebt und leider war die Auswahl in der Kunstsammlung klein. Trotzdem habe ich auch noch eine Fotografie von Annelies Štrba ausgesucht, die am Arbeitsort nicht so zentral platziert ist wie das Bild von Helen Dahm. Sie hängt neben meinem Schreibpult und fällt den Besuchenden erst im zweiten Moment auf. Dafür passt sie auch wunderbar zur Beratung von Familien mit Kindern: Darauf ist ein schlafendes Kind zu sehen. Mir gefallen auch traurige und düstere Bilder, da muss ich aber aufpassen, weil ich in einem Schulhaus arbeite. Das Bild «Eva in Rosa» ist für mich ein guter Mittelweg. Es ist nicht fröhlich, aber auch nicht schwermütig – zumindest für mich.
Was bedeutet Ihnen das ausgewählte Werk in Ihrem Arbeitsalltag?
Ich hätte nie gedacht, dass dieses Bild so eine positive Wirkung auf mich hat. Ich schaue es als Erstes an, wenn ich reinkomme. Ich habe mich in das Bild regelrecht verliebt – und das passiert mir nicht oft. Ich bin mir sicher, dieses Bild wird mir nie verleiden. Also werde ich es wahrscheinlich bis zu meiner Pensionierung geniessen können (noch ein paar Jahre…;-). Wenn ich durch den Raum gehe, habe ich das Gefühl, das Mädchen in Rosa schaue mich an. Für mich ist es ein Mädchen, vielleicht ist es für jemand anderen eine Frau. Ein Kind fragte mich mal, ob es nackt sei. Ein anderes Kind sagte, die Augen des Mädchens würden sich bewegen. Die Augen kommen durch das blaue Sofa, über dem das Bild hängt, noch mehr zur Geltung als ohnehin.
Welche Art von Kunst können Sie sich keinesfalls in Ihrem Büro respektive Arbeitsumfeld vorstellen?
Ich hätte kein Bild mit geometrischen Formen ausgesucht. Auch keine Stillleben, barocke Bilder oder solche, die Kriege veranschaulichen.
Wie beeinflusst das ausgewählte Werk das Arbeitsklima?
Mein Arbeitsklima beeinflusst es auf jeden Fall positiv. Wenn ich das Bild anschaue, erfüllt es mich mit Glück. Ich habe noch nicht viele Reaktionen von anderen Leuten bekommen. Erwachsene fanden das Bild schön und von den Kindern hatte ich bis anhin die beiden Rückmeldungen, die oben aufgeführt sind. Ich habe mir aber vorgenommen, die Rückmeldungen aufzuschreiben. Ich bin gespannt, was da noch kommt.
Interview: Raquel Brühlmann, Fachspezialistin Kunstsammlung der Stadt Zürich, März 2023