Das Gebäude an der Genferstrasse 24 wurde 1905 vom damals noch jungen Architekten Julius Kunkler (1845–1923), einem Schüler Gottfried Sempers, als Solitärgebäude in einem wuchtig-behäbigen Jugendstil errichtet. Julius Kunkler etablierte sich zwischen 1893 und 1915 als Villenarchitekt in Zürich. Sein wichtigstes Werk ist das Verwaltungsgebäude der Zürich Versicherung (1899–1901) unweit der Genferstrasse am Mythenquai 2. Das an die Altstadt angrenzende Quartier Enge erlebte durch die Eingemeindung von 1893 einen enormen Aufschwung. Die ehemals ländliche Gemeinde wuchs mit der linksufrigen Eisenbahnlinie und dem durch die Seeaufschüttung entstandenen Alpenquai (heute General-Guisan-Quai) zum herrschaftlichen Wohnquartier für die gutbürgerliche Mittel- und Oberschicht zusammen.

Das repräsentative Gebäude Genferstrasse 24 wurde vom Industriellen (Seidengazefabrikant) und Kunstmäzen Hermann Reiff-Frank in Auftrag gegeben und diente als Handels- und Wohnhaus. Im Salon Reiff trafen sich junge Künstler und Musiker mittwochs zum Jour fixe. Thomas Mann nannte diesen Ort in Doktor Faustus «Geniehospiz im Mythental». Im Dachgeschoss befanden sich der Fechtsaal des Hausherrn, ein Künstleratelier und neben den Angestelltenzimmern weitere Gästezimmer. Das über einem asymmetrischen Grundriss errichtete dreigeschossige Gebäude wird von einem monumentalen, naturschiefergedeckten Mansarddach abgeschlossen. Die qualitätsvollen Quadersteinfassaden sind reich mit plastischem Bauschmuck versehen, dessen Relief ursprünglich teilweise vergoldet war. An allen Fassaden sind Tierskulpturen, allegorische und menschliche Reliefs und fantasievolle Jugendstilornamente gut erhalten. Aufgrund der für Zürich einzigartigen Gebäudetypologie, der sehr hohen baukünstlerischen Qualitäten sowie der literatur- und wirtschaftsgeschichtlichen Bedeutung ist das Gebäude ein wichtiger, gut erhaltener Zeuge des Jugendstils im frühen 20. Jahrhundert.

Nach rund 120 Jahren wurde das Gebäude erstmals einer Gesamtsanierung unterzogen und wieder in ein Wohnhaus überführt. Dabei wurden Eingriffe aus den 1980er-Jahren rückgängig gemacht und 15 Wohnungen sowie ein Lift geschickt in die Raumstruktur des Bestandes eingefügt. Auch im zweiten Dachgeschoss wurden neue Wohnungen ausgebaut. Für die notwendigen, tiefgreifenden statischen Eingriffe in die Decken mussten die opulente Gipsdecken und Stuckaturen teilweise rekonstruiert werden. Auf diese Weise bleibt trotz der Aufteilung der Geschosse in mehrere Wohneinheiten der Geist der Belle Epoque auch in den auf heutige Bedürfnisse zugeschnittenen Wohnungen erlebbar. Die Dimension aller repräsentativen Räume blieb samt der wesentlichen Ausstattung erhalten.

Dank versierten Handwerkern konnten hochwertige historische Parkette, Terrazzoböden, Stuckaturen, Täfelungen und Einbauschränke restauriert werden. Die innere Farbigkeit basiert auf den vom Restaurator freigelegten Originalfarben. Das zweigeschossige schwungvolle Mansardwalmdach konnte wieder mit Naturschieferplatten eingedeckt werden.

Innenliegend hinter Täfer und Fenstereinfassungen versteckt, konnte grossflächig und mit vielen Einzelmassnahmen eine umfassende energetische Ertüchtigung erzielt werden, ohne die historische Bausubstanz und das Erscheinungsbild zu beeinträchtigen. Viele originale Kastenfenster wurden instand gestellt und wo nötig mit Isolierglas und einer zusätzlichen Dichtung versehen. So kann ein zeitgemässer Wohnkomfort und ein langfristiger Erhalt der Bausubstanz gewährleistet werden. Durch die Wiederherstellung des ursprünglichen Vorgartens ist das Gebäude wieder in die städtebauliche Typologie des Quartiers eingebunden.

Im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals 2021 wurden diverse Kurzfilme erstellt, welche die verschiedenen Handwerker bei der Arbeit begleiten und die auf der Homepage aufgeschaltet sind.

Das Jugendstilgebäude Mythenthal - Stadt Zürich (stadt-zuerich.ch)

• Adresse: Genferstrasse 24
• Kreis / Quartier: 2 / Enge
• Inventar: unter Schutz
• Baujahr: 1905
• Architektur: Julius Kunkler
   

• Bauherrschaft: Swiss Re Investments AG, Zürich
• Architektur: Pfister Schiess Tropeano & Partner Architekten AG, Zürich
  
• Ausführung: 2019–2021