Pfarrweg 2, 2014
Das Haus Horensteinstrasse 52/Pfarrweg 2 in Unteraffoltern wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhundert vollständig mit einem Ziegeldach versehen – es war eines der letzten strohgedeckten Häuser auf heutigem Stadtgebiet.
Stroh, Schindeln, Ziegel
Stroh war neben Schindeln in mittelländischen Bauerndörfern das übliche Eindeckungsmaterial, bis im 16. Jahrhundert der Siegeszug des Ziegels einsetzte. Neue Häuser bekamen nun meist Ziegeldächer, bestehende wurden umgedeckt, oft unter Komplettersatz des Dachstuhles oder sogar des gesamten Hauses. In den Lagerbüchern der Gebäudeversicherung (ab 1812), wo das Material der Dacheindeckung festgehalten wurde, taucht Stroh deshalb kaum noch auf. Beim Haus Horensteinstrasse 52/Pfarrweg 2 ist jedoch bis 1889 von Stroh die Rede und – nicht minder aussergewöhnlich – 1842 wird noch erwähnt, dass ein Haushalt des auf fünf Eigentümer aufgeteilten Hauses «ohne Kamin» sei. Beides deutet darauf hin, dass hier das Geld fehlte, um das Haus auf den im 19. Jahrhundert üblichen und aus Gründen der Brandgefahr geforderten Standard zu heben.
Bauarchäologische Hinweise auf die Stroheindeckung
Anlässlich eines Umbaus 1981 von Haus Horensteinstrasse 52 stiessen die Bauforscher erstmals auf einen indirekten Nachweis des in den Quellen bezeugten Strohdachs. Gefunden wurden Hinweise auf eine sogenannte lange Walmstrebe, ein Holz, welches nur bei einem Vollwalmdach vorkommt (dieses Holz bildet den äusseren Rahmen des Walms auf der Mittelachse). Ein Vollwalmdach geht bei hiesigen Bauernhäusern immer mit einem Strohdach einher.
Vollwalm-Strohdach-Häuser sind selten, die letzten tatsächlich noch mit Stroh gedeckten Bauten stehen im Ballenberg, zwei/drei im Kanton Aargau, das letzte des Kantons Zürich in Hüttikon. Heute ist auch vom Strohdach des Hauses Horensteinstrasse 52/Pfarrweg 2 nichts mehr zu sehen. Das Haus erhielt Ende des 19. Jahrhunderts einen neuen Dachstuhl mit einem ziegelgedeckten Satteldach. Im Erd- und Obergeschoss verblieben aber manche der alten Balken an Ort. Sie vermitteln auch heute noch weitere Informationen zur alten Hausgestalt und zur Form des einstigen Strohdachs.
2014 konnten im Zusammenhang mit einem geplanten Umbau von Pfarrweg 2 zwei sogenannte Hochstude gefasst werden. Diese mächtigen senkrechten Balken in der Mittelachse des Hauses trugen einst die Firstpfette. An der Firstpfette hingen die Rafen, oben dicht nebeneinander, unten fächerförmig gespreizt. Der First lag höher als beim heutigen Haus. Diese Überhöhe war nötig, um dem Dach die für die Stroheindeckung benötigte Steilheit zu verleihen. Sie betrug für die beiden Walme 60°, für die seitlichen Flächen etwa 45°. Das Dach wirkt so wie eine riesige über das Haus gestülpte Kapuze.
Strohdächer auch in der Altstadt?
Das Haus Katzenseestrasse 14/16 in Unteraffoltern verfügt über ein auffallend steiles Dach. Eine Bauuntersuchung ist hier ausstehend, weshalb das allfällige Strohdach noch Vermutung ist. Auch das Dach des Hauses Storchengasse 13/Schlüsselgasse 6 mitten in der Zürcher Altstadt weist Eigenschaften eines Strohdachs auf: Es hat ein von zwei kreuzverstrebten Ständern getragenes Vollwalmdach, einschliesslich fächerförmig angeordneten Rafen. Das Dach datiert ins 13. oder 14. Jahrhundert. Ob auch in der Stadt einst Stroh verwendet wurde, um Häuser zu decken bleibt aber eine offene Frage, die allein mit der Ähnlichkeit der Konstruktion nicht beantwortet werden kann. Sicher ist, dass wegen der Baudichte und des dadurch drohenden Flächenbrands brandgefährdete Materialien in der Altstadt viel früher verboten wurden, als in den locker bebauten Dörfern auf dem Land.