Bewegung ist das einfachste Rezept: Laufen Sie den Krankheiten davon
Bewegung verbrennt nicht nur Kalorien. Zusätzlich kurbelt sie ganz viele positive Vorgänge im Körper an, bis in die kleinste Zelle hinein. Was die Wissenschaft in jüngster Zeit darüber herausgefunden hat, ist verblüffend.
Mit einem währschaften englischen Frühstück samt Würstchen und Speck lässt sich etwas Aufschlussreiches demonstrieren. Es ginge auch mit einer Speckrösti oder einem Fondue, wenn Sie lieber wollen, Hauptsache schön viel Fett. Eine Versuchsperson also nimmt an zwei verschiedenen Tagen eine solche Mahlzeit zu sich. Das eine Mal hat sich die Person am Tag zuvor kaum bewegt. Das andere Mal hat sie am Vorabend einen 90-minütigen zügigen Spaziergang gemacht. Beide Male wird nach der Verdauung eine Blutprobe genommen und zentrifugiert. Und siehe da, nach dem Fussmarsch fällt die weisse Blutfettschicht im Röhrchen um ein ganzes Drittel dünner aus.
Wohin ist das Fett verschwunden? Die erstaunliche Antwort: Durch die vorgängige Bewegung wurden Gene aktiviert, die ein Enzym namens Lipoproteinlipase produzieren. Mit diesen Helferchen können die Muskeln das Fett besser als Energie nutzen – statt dass es sich in den Adern ablagert oder als Reserve im Bauch ansetzt. Zu sehen ist all dies im BBC-Film «Das Fitness-Experiment» von 2017. Es lohnt sich ihn anzuschauen.
Das Beispiel zeigt, wie Bewegung die Stoffwechselvorgänge in unserem Körper ankurbelt. Körperliche Aktivität beeinflusst jedes Organ zwischen Scheitel und Sohle und wirkt damit gegen viele nicht übertragbare Krankheiten vorbeugend, lindernd und in manchen Fällen sogar heilend. So etwa gegen Bluthochdruck, Herzinfarkt, Hirnschlag, Osteoporose, Arthritis, Diabetes Typ 2, Krebs, Depression, Parkinson oder Demenz, um nur einige zu nennen.
Bewegung senkt das Krebsrisiko
Bei Darmkrebs senkt Bewegung das Erkrankungsrisiko um 30 bis 40 Prozent, und das Risiko für Prostatakrebs soll sich gemäss Studien bei sehr sportlichen Männern sogar um bis zu 50 Prozent verringern. Weshalb das so ist, erklären die Onkologen Dr. Reto Kühne und Alexander Meisel vom Stadtspital Waid mit verschiedenen Mechanismen.
- Erstens wirkt Bewegungsmangel bei der Zellerneuerung wie Sand im Getriebe. Die Geninformationen werden dann bei der Bildung von neuen Zellen schlechter übertragen, es kommt eher zu Defekten und damit vermehrt zu Tumoren.
- Zweitens – gemäss Kühne und Meisel sogar der wichtigste Punkt – hilft Bewegung mit, das ungesunde Bauchfett im Körperinnern zu vermeiden. Diese kompakte Masse zwischen den Organen kann chronische Entzündungsprozesse im ganzen Körper auslösen, die sowohl Krebs wie auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.
- Drittens bringt körperliche Aktivität auch die übrigen Fettpolster im Körper zum Schmelzen. Und weil Fett ein wunderbarer Hormonspeicher ist, schwindet damit auch eine wichtige Grundlage für hormonabhängige Krebsarten wie Brust- oder Prostatakrebs. «Mit einem höheren BMI dagegen wächst das Risiko für solche Tumore», halten die beiden Onkologen fest.
- Schliesslich das vierte Argument: Bewegung macht die Körperzellen aufnahmefähiger für Insulin, so dass die Bauspeicheldrüse weniger davon produzieren muss. Bewegung ist deshalb das beste Mittel gegen Diabetes Typ 2. Aber weshalb hilft ein tiefer Insulinspiegel auch gegen Krebs? «Insulin ist ein sehr effizientes Wachstumshormon», erklärt der Leiter Onkologie Reto Kühne. «In der Tierzucht lässt es die Masttiere gross und schwer werden. Leider hilft es auch den Tumoren beim Wachsen.»
Bewegung erhöht die Heilungschancen
Bewegung hilft sogar beim Heilen. Die Chancen, sich von einer Krebserkrankung wieder zu erholen, steigen mit körperlicher Aktivität merklich. Dies konnte eine Studie mit Brustkrebspatientinnen zeigen. Ausserdem ertragen Patientinnen und Patienten, die regelmässig spazieren, Rad fahren oder sich anderweitig bewegen, die belastende Chemotherapie besser. Insgesamt hat sich das «Medikament Bewegung» als dermassen wirkungsvoll herausgestellt, dass die Onkologie im Stadtspital Waid seit 2017 ihre Patientinnen und Patienten konsequent im Aktivsein unterstützt. «Wir verstehen sehr gut, dass das nicht allen leichtfällt», räumen Reto Kühne und Alexander Meisel ein. «Aber in einer verordneten Physiotherapie merken viele dann doch, wie gut ihnen die Bewegung tut.»
Training fürs Herz …
In der Herztherapie hat bereits in den vergangenen 10 bis 20 Jahren ein radikaler Wandel hin zu mehr Bewegung stattgefunden. Wurde früher nach einem Herzinfarkt zuerst einmal strikte Bettruhe vorgeschrieben, heisst es heute schon zwei Tage nach dem Infarkt: Ab aufs Velo. «Wir belasten die Patientinnen und Patienten bewusst, bis sie erschöpft sind», sagt Waid-Kardiologe Dr. Stefan Christen. Das Zustandsbild, das sich dabei ergibt, ist gleichzeitig der Ausgangspunkt für das klinikeigene Herz-Rehabilitationstraining. «Die Patientinnen und Patienten machen so viel, wie sie sich selbst zutrauen», betont Christen, «von ärztlicher Seite geben wir ihnen keine Einschränkungen vor.»
Um das Herz vorbeugend gesund zu erhalten, empfiehlt der Kardiologe, dreimal pro Woche für eine halbe Stunde «aus der Komfortzone herauszukommen.» Also so, dass man etwas schneller atmet und ein wenig ins Schwitzen gerät. «Spazieren reicht nicht, wenn man im Kreislauf fitter werden will.» Es müsse allerdings nicht unbedingt Jogging oder ein anderer Sport sein, meint Stefan Christen. Auch mit zügigem Bergaufgehen lasse sich der nötige Effekt erzielen. Bei einem solchen Training wird der Herzmuskel gestärkt und die Blutgefässe weiten sich. Dadurch transportieren sie den Sauerstoff und die Energie schneller ins Gewebe, wo beides gebraucht wird.
… ist auch Training für die Potenz
Bei Männern übrigens wirkt sich das Herztraining noch an ganz anderen Orten vorteilhaft aus. «Alles, was dem Herzen und den Gefässen nützt, hilft auch der Potenz», erklärt Urologe Dr. Josef Beatrice. Wissenschaftlich ist der Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauferkrankungen und Erektionsstörung erhärtet. Der Potenzverlust ist nicht selten ein frühes Warnsymptom für einen erst mehrere Jahre später auftretenden Herzinfarkt. Der Urologe ermutigt in seiner Sprechstunde zur konsequenten Vermeidung der Risikofaktoren. Bereits einigen Patienten mit Erektionsschwierigkeiten konnte er dadurch helfen. Schlank sein, nicht rauchen, sich genug bewegen und Blutdruck, Blutzucker und Blutfette gut einstellen – das ist eben auch für die sexuelle Männergesundheit Gold wert.
Wie viel Bewegung soll es sein?
Als kleine Aufmunterung für alle, die Sport bis anhin als Mord betrachtet haben: Wer sein Leben bisher hauptsächlich sitzend verbracht hat, profitiert gesundheitlich bereits von einem bisschen mehr Gehen, Treppensteigen oder Radfahren enorm. Später lässt sich das Training dann immer noch zusätzlich steigern, um dem Wohlbefinden noch mehr Gutes zu tun.
Als Mindestempfehlung für Erwachsene im Erwerbsalter rät das Bundesamt für Sport zu 2,5 Stunden Bewegung pro Woche, und zwar so, dass sich der Atem leicht beschleunigt. Dabei ist es wesentlich besser, jeden Tag ein Teilstück unter die Füsse zu nehmen, als alles auf einmal. Mit einer halben Stunde Spazieren pro Tag tun Sie also schon ganz viel Gutes für Ihre Gelenke, Ihren Stoffwechsel und Ihre Koordination. Fürs Herz allerdings (siehe oben) sollte es noch ein wenig mehr sein.
Bewegung macht glücklich
Nach einer gewissen Zeit mit zügigem Gehen, Laufen, Radfahren oder Schwimmen fängt das Gehirn übrigens an, Serotonin, Dopamin und Endorphine auszuschütten. Diese Botenstoffe gelten als eigentliche Glückshormone. Ausdauertraining macht eben nicht nur seelisch zufrieden und stolz, weil man sich überwunden und etwas erreicht hat. Es macht auch ganz physisch messbar froh.
Sie sehen, es gibt hundert Gründe, sich einen Schupf zu geben und loszulaufen.
Weg mit dem Spitalhemd
Im Spital liegen die Patientinnen und Patienten mehrheitlich im Bett. «Sie warten vielleicht darauf, dass etwas stattfindet», meint Pflegeexpertin Anita Eugster. Oder, wie Physiotherapeut Jacob Overeinder hinzufügt: «Sie glauben einfach, dass Bettruhe im Spital nötig sei.» Dabei gibt es dafür meist keinen Grund.
Schon innerhalb von wenigen Tagen im Bett nimmt die Muskelmasse enorm ab. Bei jüngeren Menschen ist das kein Problem, ihr Körper erholt sich schnell wieder. Bei älteren Menschen jedoch ist es fatal. Befinden sich ihre Kraft und ihre Beweglichkeit beim Spitalaustritt auf einem tieferen Niveau als vor dem Eintritt, kann sich das ungünstig auswirken. Im schlimmsten Fall können sie dann ihren Alltag zu Hause nur noch schlecht oder vielleicht gar nicht mehr allein bewältigen.
Aus diesem Grund gilt auch im Spital die Faustregel: 30 Minuten Bewegung jeden Tag! «Das muss nicht am Stück sein», beruhigt Jacob Overeinder, Leiter der Physiotherapie, «auch dreimal 10 Minuten sind in Ordnung.» Zum Beispiel bei einem Gang in die Cafeteria, später einem kleinen Spaziergang im Park und schliesslich einem Training auf dem Motomed-Gerät.
Die Medizinische Klinik im Stadtspital Waid versucht seit diesem Jahr gezielt und koordiniert, die Patientinnen und Patienten vermehrt aus dem Bett zu bringen – Ärzteschaft, Pflege und therapeutische Dienste alle gemeinsam. Insbesondere die Pflege spielt dabei eine wichtige Rolle: «Mit einer genauen Pflegeplanung können wir frühzeitig ein schrittweises Mobilisierungs- und Bewegungsprogramm einleiten», erklärt Pflegeexpertin Anita Eugster.
Klar, im Spitalhemd ist der Schritt hinaus in die Cafeteria oder in den Park vielleicht nicht so angenehm. Deshalb, liebe Patientinnen und Patienten: Ziehen Sie am Morgen möglichst Ihr Spitalhemd aus und Ihre eigenen Alltagskleider an.
Im Spital liegen die Patientinnen und Patienten mehrheitlich im Bett. «Sie warten vielleicht darauf, dass etwas stattfindet», meint Pflegeexpertin Anita Eugster. Oder, wie Physiotherapeut Jacob Overeinder hinzufügt: «Sie glauben einfach, dass Bettruhe im Spital nötig sei.» Dabei gibt es dafür meist keinen Grund.
Schon innerhalb von wenigen Tagen im Bett nimmt die Muskelmasse enorm ab. Bei jüngeren Menschen ist das kein Problem, ihr Körper erholt sich schnell wieder. Bei älteren Menschen jedoch ist es fatal. Befinden sich ihre Kraft und ihre Beweglichkeit beim Spitalaustritt auf einem tieferen Niveau als vor dem Eintritt, kann sich das ungünstig auswirken. Im schlimmsten Fall können sie dann ihren Alltag zu Hause nur noch schlecht oder vielleicht gar nicht mehr allein bewältigen.
Aus diesem Grund gilt auch im Spital die Faustregel: 30 Minuten Bewegung jeden Tag! «Das muss nicht am Stück sein», beruhigt Jacob Overeinder, Leiter der Physiotherapie, «auch dreimal 10 Minuten sind in Ordnung.» Zum Beispiel bei einem Gang in die Cafeteria, später einem kleinen Spaziergang im Park und schliesslich einem Training auf dem Motomed-Gerät.
Die Medizinische Klinik im Stadtspital Waid versucht seit diesem Jahr gezielt und koordiniert, die Patientinnen und Patienten vermehrt aus dem Bett zu bringen – Ärzteschaft, Pflege und therapeutische Dienste alle gemeinsam. Insbesondere die Pflege spielt dabei eine wichtige Rolle: «Mit einer genauen Pflegeplanung können wir frühzeitig ein schrittweises Mobilisierungs- und Bewegungsprogramm einleiten», erklärt Pflegeexpertin Anita Eugster.
Klar, im Spitalhemd ist der Schritt hinaus in die Cafeteria oder in den Park vielleicht nicht so angenehm. Deshalb, liebe Patientinnen und Patienten: Ziehen Sie am Morgen möglichst Ihr Spitalhemd aus und Ihre eigenen Alltagskleider an.