Ausschreibung «Atelierstipendium Kunst an der F+F Schule Zürich»
Ein besonders nachhaltiges Stipendium
Seit 2020 vergibt die Stadt Zürich ein einjähriges Atelierstipendium an der F+F Schule in Zürich-Albisrieden, einem Quartier im Umbruch. Es soll Künstler*innen ansprechen, die eine anregende Umgebung für die Weiterentwicklung ihres Werkes suchen, aber in Zürich bleiben wollen.
Lokaler Hotspot
Mit dem Atelier an der F+F Schule geht die Kunstförderung der Stadt Zürich insofern neue Wege, als sie zuvor im Rahmen der Ausschreibung des jährlichen Wettbewerbs um die Kunststipendien der Stadt Zürich neben den Werkstipendien ausschliesslich Atelieraufenthalte im Ausland ausgelobt hat.
Im Zuge der Überprüfung des Förderangebots wurde bereits vor der Corona-Pandemie festgestellt, dass die Auslandsateliers auf nachlassendes Interesse stiessen. Als Grund wurde oft angeführt, dass die Auslandsateliers je nach Destination insbesondere für Kunstschaffende mit Familie oder mit sonstigen lokalen Verpflichtungen nicht immer ideale Bedingungen boten. Zugleich änderten sich die grundlegenden Voraussetzungen bei einigen Ateliers; so konnten bestehende Mietverhältnisse umständehalber nicht fortgesetzt werden.
Zugleich wurde von Kunstschaffenden immer wieder der Mangel an bezahlbaren Ateliers in Zürich beklagt. Daraufhin entstand – parallel zu Bestrebungen, die Zahl der städtisch subventionierten Mietateliers zu erhöhen – die Idee, zunächst in einem Pilotprojekt ein ganzjähriges städtisches Atelierstipendium in Zürich auszuschreiben. Es wurde in Kooperation mit der F+F Schule für Kunst und Design entwickelt und mit dieser zusammen durchgeführt. Damit konnte an die schon bestehende langjährige Zusammenarbeit mit der F+F im Atelierbereich angeknüpft werden.
Die Kernidee des Pilotprojekts war, den Kunstschaffenden auch den Austausch mit Studierenden und Dozierenden anzubieten. Hinzu kommt der Zugang zu den diversen Angeboten der F+F, wie etwa der technischen Infrastruktur, aber auch der Kantine als beliebtem Ort des Austauschs. Dass die Auseinandersetzung mit lokalen Gegebenheiten eine wachsende Rolle für die aktuelle Kunstpraxis spielt, war ebenfalls ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung des Pilotprojekts.
Der Ort als Werkzeug
Das Stipendium soll daher auch insbesondere Künstler*innen ansprechen, die für das Stipendium die Bedingungen vor Ort und das Profil der F+F für die Entwicklung ihrer Tätigkeit zu nutzen wissen. Sie sollen dies jeweils in einem Motivationsschreiben darlegen. Die bisherigen Stipendiat*innen sind Mîrkan Deniz (2021), Johanna Kotlaris (2022), Ilaria Vinci (2023), Shamiran Istifan (2024) und bald tritt Maya Minder ihr Stipendium an (2025).
Nach ermutigenden Erfahrungen und Rückmeldungen in der Pilotphase wurde das Atelierstipendium inzwischen in das reguläre Förderangebot aufgenommen.
In welcher Weise das Atelierstipendium F+F zur Entwicklung ihrer Arbeit beigetragen hat oder welche Erwartungen sie damit verbinden, zeigen exemplarisch die Rückmeldungen der Stipendiat*innen Mîrkan Deniz und Maya Minder.
Das Atelier als Probebühne und Produktionsort
Mîrkan Deniz entwickelt Ideen gerne unterwegs. Doch sobald diese konkret werden, helfe ihr ein Atelierraum, um die Projekte umzusetzen. So die Performance «performing in a room with history», die in Bern mit dem Off-Space Grand Palais und mit den Künstler*innen Ivy Monteiro, Tracy September und Kamran Behrouz und für die Ausstellung «Frontières. Le Traité de Lausanne, 1923–2023» (Grenzen, der Vertrag von Lausanne, 1923–2023) im Musée Historique in Lausanne entwickelt worden ist. Bis zur Performance war das Atelier auch Proberaum. Für die Performance konnte zusätzlich die Struktur «Untitled (walking through barriers)» in Gestalt eines militärischen Wachpostens im Atelier realisiert werden, die als Begegnungs-Raum, Kontext und Bühne diente. «Performing in a room with history» war eine Art öffentliche Trauerarbeit. Es ging dabei um Körper, die durch Krieg, Diaspora und Kolonialismus verloren gegangen sind.
Mîrkan Deniz hat während des Stipendiums mehrere Arbeiten umgesetzt und unterstreicht, wie wichtig es wäre, dass es häufiger solche Atelier-Möglichkeiten gäbe. So sind in ihrem Fall mit «Untitled (300)» beispielsweise 300 Zeichnungen entstanden, die in der Ausstellung «Art as Connection» im Aargauer Kunsthaus 2021 als Installation gezeigt werden konnten. Jede der Zeichnungen stand für einen Militärposten entlang der Grenzen (im kurdischen Gebiet), die die Türkei mit Syrien, Iran, Irak und Armenien teilt. Unter Verwendung der westlich abstrakten Sprache des Modernismus enthüllen die Zeichnungen militärische Infrastrukturen, die unsichtbar bleiben sollten. Das Werk kann als subversiver und poetischer Versuch gesehen werden, zum Krieg gegen die kurdische Bevölkerung Informationen zu vermitteln.
Das Atelier als Ort des Eingetauchtseins
Für Maya Minder, Atelierstipendiatin ab 2025, ist das Atelier als Raum verankert in einem Haus und Quartier. Für sie zählt, wie in einem Quartier im Umbruch die Kultur weitergepflegt wird. So sagt sie, dass sie die radikalsten Performances auf dem besetzten Kochareal durchgeführt habe, einem vormaligen Versuchsort für Lebensformen und Experimente, auf welchem nun das Koch-Quartier gebaut wird, ein Ort für bezahlbare Wohnungen und Gewerbe. Maya Minder denkt ihre Kunstpraxis nie unabhängig von Bodenpreisen und Mietkosten, findet die Begrünung der Stadt und das Non-Humane als Teil der städtischen Ökologie seien unerlässlich. Auch sieht sie subventionierten Raum als Gegengewicht zur Privatisierung von städtischem Raum.
Vor diesem Hintergrund versteht Minder das Atelier eher als kollektiven «Hackerspace / Makerspace». Etwa, um mit Biomaterialien zu arbeiten und mit Elektronik zu experimentieren. «Viel schlafen, saubere Räume für Papier, Zugang zu Wasser, immaterielle Pflanzen und Samen setzen und Inspiration teilen» gehören für sie mit dazu. Sie verspürt Vorfreude auf das einsame und abgeschiedene Arbeiten. Doch das Gemeinsame über das Eigene zu stellen ist ihr insgesamt wichtiger, weshalb sie zugleich regelmässig Gäste aus der Kunstwelt ins Atelier einladen will.
Austausch über das Stipendium hinaus
Die Ausschreibung sieht vor, dass Stipendiat*innen mit dem F+F-Betrieb in Kontakt kommen. Oft suchen Kunststudierende mit den Künstler*innen den direkten Austausch. Johanna Kotlaris (Stipendiatin 2022) war etwa als Mentorin und als Gast bei Arbeitspräsentationen tätig und hat dabei Beiträge geleistet, die sehr geschätzt worden sind. Mit Mîrkan Deniz haben die Studierenden übers Stipendium hinaus ein vielfältiges Verhältnis aufbauen können. Viele Projekte von Maya Minder basieren auf Versuchen, Workshops und Events. Ihre Rolle als Gastgeberin ist Teil ihrer Praxis. So kann sich Maya Minder gut vorstellen, die F+F-Kantine in ein Biolabor umzunutzen, vor Ort neue Freund*innen zu haben und Biokunst als Teil eines derzeit sehr aktuellen Diskurses lokal zu verankern. Und die F+F als Kraftort mit langer Tradition als unabhängige Schule zu erkunden, sich in das Netzwerk einzubringen und zu unterrichten. Sie ist also wie gerufen für einen Ort, der nicht nur wegen seiner Kantine als Hotspot gilt.
Text: Daniel Hauser, Leiter F+F-Studiengang Kunst HF