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Qualität und Nutzung der öffentlichen Räume

Autorin
Andrea Leuenberger

Letzte Aktualisierung
21. Oktober 2019

Ausgangslage

Die Planung und Entwicklung von öffentlichen Räumen mit hoher Gestaltungs-, Nutzungs- und Aufenthaltsqualität sind in der Stadtverwaltung der Stadt Zürich als strategische Fixpunkte mit hoher Priorität verankert. Die öffentlichen Räume stehen nicht nur im Fokus der städtischen Planung, Entwicklung und Politik, sondern auch der Forschung und der medialen und öffentlichen Diskussionen.

Öffentliche Räume übernehmen immer vielfältigere Funktionen und müssen unterschiedlichen und sich kontinuierlich verändernden Ansprüchen verschiedener Gruppen von Nutzerinnen und Nutzern gerecht werden. Die Gestaltung und die Möglichkeit, sich die Räume anzueignen, leisten einen entscheidenden Beitrag zur Lebensqualität der Stadt.

Im Rahmen der Evaluation der Planungs- und Umsetzungsprozesse des Tiefbauamts stellen sich dabei unter anderem Fragen nach verschiedenen Aneignungs- und Nutzungsformen, der Aufenthalts- und Nutzungsqualität sowie nach der Wahrnehmung der Räume durch die verschiedenen nutzenden Personen und letztlich nach konkreten Verbesserungswünschen.

Ziel der Erhebungen zu Qualität und Nutzung der neu- oder umgestalteten Räume ist die kontinuierliche Optimierung der bedürfnisorientierten Planung. Zu diesem Zweck führte das Tiefbauamt zwischen 2007 und 2018 jährlich an jeweils zwei bis drei Orten sozialräumliche Untersuchungen durch.

Methodik

Im Rahmen der sozialräumlichen Untersuchung sind je nach Untersuchungsort und thematischem Schwerpunkt der Umgestaltung unterschiedliche Fragestellungen relevant. Im Folgenden werden einige angewandte Methoden kurz vorgestellt.

Befragungen
Den Einstieg bilden meist Befragungen der Nutzerinnen und Nutzer am zu untersuchenden Ort. Neben Standardfragen wie Angaben zur Person, Aufenthaltsgrund, Aufenthaltszeit und Aufenthaltshäufigkeit werden Themen wie «Was gefällt / Was gefällt nicht?», allgemeine Zufriedenheit und persönliche Wünsche zur Verbesserung abgefragt.

Teilnehmende Beobachtungen
Die Methode der Teilnehmenden Beobachtung beinhaltet das «systematische Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens zum Zeitpunkt seines Geschehens» (Atteslander 1995: 87). Die durch die Beobachtungen der Forschenden entstehenden deskriptiven Momentaufnahmen geben Anhaltspunkte zu zentralen Themensträngen und bieten Einblick in das Geschehen vor Ort.

Screenings
Im Sommer 2018 wurden für den Stauffacher und den Hardplatz zudem Screenings, bei denen periodisch Zählpersonen den Platz durchschritten und sich die Anzahl Personen und Art der Nutzung notierten, durchgeführt. Dies, um einen Überblick über die verschiedenen Nutzungsarten der beiden Plätze zu erhalten und damit die qualitativen teilnehmenden Beobachtungen um quantitative Daten zu ergänzen.

Untersuchte Stadträume

Die zwischen 2007 und 2018 untersuchten Orte sind in der Übersichtskarte dargestellt.

Erhebungen 2018 – Hardplatz und Stauffacher

Die umgestalteten Stadträume Hardplatz und Stauffacher standen im Sommer 2018 im Fokus der Erhebungen. Besonderes Interesse galt am Hardplatz dem Thema der Aneignung und Nutzung der unterschiedlichen Teilräume des Platzes sowie der Frage, ob der Platz als eine Einheit empfunden wird. Beim Stauffacher galt ein besonderes Augenmerk dem Nebeneinander von «lauschigem» Kirchenvorplatz und «technischer» Umsteigezone und somit der Frage, inwiefern das Zusammenspiel von Verweil- und Durchgangsort an diesem Platz funktioniert.

Trotz ähnlich hoher Zufriedenheit von 83 beziehungsweise 93 Prozent unterscheiden sich die beiden Orte stark. Der Hardplatz besticht durch seine Unaufgeregtheit und Ruhe, wohingegen der belebte Stauffacher einerseits eine gut genutzte Umsteigezone ist und andererseits auf dem Vorbereich der Kirche zum Verweilen einlädt.

Hardplatz

Projektbeschrieb

Im Zusammenhang mit der neuen Tramverbindung von der Hohlstrasse via Hardplatz auf die Hardbrücke und aufgrund der Anforderungen an die neue Haltestelle und die Tramwendeschlaufe, musste der Hardplatz den neuen Verhältnissen angepasst werden.

Für die neue Gestaltung wurde die städtebauliche Einbindung des Hardplatzes in das quartierübergreifende Stadtgefüge sowie seine derzeitige und zukünftige Integration auf Quartierebene untersucht. Als Gestaltungsgrundsätze waren die Verbesserung der Orientierung und Übersichtlichkeit, die behindertengerechte und velogängige Erschliessung des gesamten Platzes und die Schaffung einer neuen Identität als Stadtplatz mit hoher Aufenthalts- und Nutzungsqualität wichtig. Im Anschluss an die geschlossene südliche Blockrandbebauung entstand ein ebener Platz, der sich vom Niveau der Hohlstrasse abhebt und durch eine Stützmauer gehalten wird. Entlang dieser sind hainartige Grünzonen mit üppiger Baumbepflanzung und Sitzgelegenheiten angeordnet. In der Betonmauer wurden eine behindertengerechte Rampe und Treppenverbindungen integriert. Kleinere Bauminseln sind zusätzlich auf dem Platz verteilt und bieten ebenfalls Gelegenheiten zum Aufenthalt. Die angenehm breite Betonrampe führt zur Unterführung, die einerseits zum PJZ und andererseits zum Treppenaufgang auf den Platz führt.

Eine Umfassung und Umdeutung des Widerlagerbereiches als Convenience Store mit attraktiver Fassade betont heute die Verbindung von Platz und Brücke tagsüber und erscheint als Lichtobjekt im nächtlichen Kontext. Um den Platz trotz der trennend wirkenden Gleisbereiche als Ganzes wahrnehmbar zu machen, wurde er durchgehend gepflästert. Die Grünbereiche wurden mit hellem Kiesbelag ausgeführt. Neue attraktive Aufenthaltsbereiche konnten aufgrund der neuen Platzsituation in den Aussensitzbereichen der bestehenden Restaurants und sowie in den mit vielen, dicht platzierten Sitzbänken ausgestatteten Bauminseln angeboten werden.

Ergebnisse

 

Aufenthaltsgrund

AufenthaltshäufigkeitWas gefällt?Was gefällt nicht?
Häufigste AntwortUmsteigen öV (78 %)0 bis 1 x pro Woche (37 %)Bäume, Vegetation (39 %)- Kargheit («leer/ungenutzt»)
- Bäume, Vegetation («zu wenig») (je 16 %)
Rang 2verweilen / ausruhen / lesen / beobachten (10 %)mehr als 10 x pro Woche (22 %)offen / Grosszügigkeit / Übersichtlichkeit (33 %)Bodenbelag («verbetoniert») (10 %)
Rang 3Durchgang zu Fuss (4 % )- 2 bis 4 x pro Woche
- 5 bis 10 x pro Woche (je 20 %)
öV Verbindungen gut, zentrale Lage (22 %)- zu wenig Schatten
- Pflanzenaufteilung/ Struktur des Platzes (je 6 %)
Hardplatz Gesamtzufriedenheit

Fazit

Der Hardplatz wird weniger als Begegnungs- oder Aufenthaltsort genutzt, sondern vielmehr als Durchgangsort und Umsteigemöglichkeit im öffentlichen Verkehr. Trotz seiner Funktion als Passagenraum strahlt er zu keiner Tageszeit Hektik aus - die Nutzungsfrequenzen sind (noch) nicht sehr hoch. Es sind wohl aber auch die gestalterischen Elemente, die Weitläufigkeit und die neue Übersichtlichkeit, die dem Platz eine ruhige Atmosphäre verleihen. Durch die drei Ebenen wird der Hardplatz kaum als Einheit wahrgenommen, was die Zufriedenheit der Nutzenden mit dem Platz jedoch wenig beeinträchtigt. Je nach Bedürfnis werden die Infrastrukturen auf der einen oder der anderen Seite der Hardstrasse benutzt und angeeignet. So werden die Ebenen nahe der Tramhaltestelle und an der Gugolzstrasse zumindest teilweise zum Verweilen genutzt – der Teilbereich an der Tramhaltstelle vermehrt für kurze Zwischenstopps, der Platz und die Sitzgelegenheiten an der Gugolzstrasse bisweilen auch für längere Aufenthalte. Als Hardplatz bezeichnet wird von den Befragten vor allem der Bereich bei der 8er Tramhaltestelle.

Die Gestaltung und die Bepflanzung des Hardplatzes werden von den Befragten meist positiv bewertet. Der Wunsch nach mehr Grün wird aber auch hier, wie bei allen anderen untersuchten Plätzen in Zürich, laut. Es wird sich weisen, wie sich die Nutzung des Platzes verändern wird, wenn die Bäume einst ein grösseres, Schatten spendendes Dach bieten. Zu vermuten ist zudem, dass sich der Platz und seine Nutzungen im Kontext der Quartierentwicklung, wenn u.a. das Polizei- und Justizzentrum in Betrieb ist, verändern werden.

Stauffacher

Projektbeschrieb

Der heutige Stauffacher ist aus der historischen Entwicklung kein eigentlicher Platz, sondern ein Abschnitt der Badenerstrasse. Daraus entstehen die räumliche Enge und die fehlende Definition eines Platzraumes. Im Bedeutungsplan der «Stadträume Zürich» ist der Stauffacher als regional-stadtweit bedeutender Ort klassiert. Mit 55 000 Ein- und Aussteigenden pro Tag ist der Stauffacher frequenzmässig die drittwichtigste Haltestelle der VBZ.

Mit der Liniennetzentwicklung 2030 der VBZ und der Verlängerung der Tramlinie 8 über die Hardbrücke wird bzw. hat die Bedeutung noch zugenommen. Rund um den Stauffacher finden sich viele Läden und Verpflegungsbetriebe, die vom hohen Passantenaufkommen profitieren. Die Offene Kirche St. Jakob, die räumliche etwas nach hinten versetzt ist, prägt den Stadtraum sowohl räumlich stark und wie auch bezüglich Nutzungen, durch ihre Offenheit und dem kirchlichen und kulturellen Angebot. Das Kirchgebäude steht in einer grünen Umgebung, welche auch von Seiten Denkmalpflege als wichtiges Ensemble beurteilt wird.

Auslöser für das Projekt Stauffacher war die Notwendigkeit von Gleiserneuerungen und der Auftrag Haltestellen behindertengerecht auszubauen. Aufgrund der vielfältigen Anforderungen wurde ein Workshopverfahren durchgeführt, in dem städtebauliche und gestalterische Grundlagen erarbeitet wurden. Als Resultat all dieser Überlegungen hat das 8er Tram seine neue Haltestelle südlich der Badenerstrasse und mit einseitiger Kaphaltestelle in Richtung Klusplatz erhalten. In der Badenerstrasse sind für die Tram-Linien 2, 3, 9 und 14 behindertengerechte Zugänge sowie vier neue und speziell für den Ort entwickelte Wartedächer entstanden. Der Kirchenvorplatz wurde stärker geöffnet und eine grössere Grünfläche mit Sitzmauer sowie kleinere Bauminseln gestaltet. Zum Haltestellenbereich hin wurde eine grosszügigere Zirkulationsfläche geschaffen und die Platzverhältnisse für die Umsteigenden optimiert.

Ergebnisse

 AufenthaltsgrundAufenthaltshäufigkeitWas gefällt am Vorplatz der Kirche?Was gefällt an der Umsteigezone?
Häufigste AntwortPicknick, Lunch, Essen, Trinken (26 %)0 bis 1 x pro Woche (36 %)Bäume, Vegetation (66 %)Neu-/Gestaltung allg. (24 %)
Rang 2Umsteigen öV (15 %)2 bis 4 x pro Woche (27 %)Sitzbänke, Anzahl, Anordnung (17 %)Witterungsschutz/Dach (13 %)
Rang 3Verweilen / ausruhen / lesen / beobachten (12 %)5 bis 10 x pro Woche (20 %)Neu-/Gestaltung allg. (13 %)öV-Verbindung gut/zentrale Lage (7 %)
Stauffacher Gesamtzufriedenheit

Fazit

Der Stauffacher profitiert offensichtlich von seiner heterogenen Struktur. Das Zusammenspiel der Tramhaltestelle, welche fünf Tramlinien verknüpft, mit ihrer grossen Umsteigezone und der lauschige Vorplatz vor der St. Jakobskirche, ergänzen sich sehr gut.

Beide Bereiche dieses zentral gelegenen Platzes in Zürich dienen als bewusster Treffpunkt oder zufälliger Begegnungsort. Ab der Mittagszeit gewinnt der Vorplatz der Kirche, mit seiner Sitzmauer und dem Rasen an Bedeutung für Picknick und Treffpunkt und bleibt gut genutzt bis in die späten Abendstunden. In der Mittagszeit nutzen viele auch die Umsteigezone als Verweil- und Picknickort, am Abend dominiert wieder der Transit als Hauptnutzung. Gerade in den frühen Abendstunden vermag es der Vorplatz eine entspannte Feierabendstimmung auszustrahlen. Nicht nur die Raumstruktur ist heterogen am Stauffacher, sondern auch die Nutzenden und die Nutzungen. Alle Altersgruppen, Personen aus unterschiedlichen Milieus und mit unterschiedlichen Lebensstilen sind zu beobachten. Es befinden sich viele Personen auf ihrem Arbeits- oder Schulweg, gleichzeitig sind aber auch viele Personen zum Einkaufen, Flanieren, sich treffen, hängen, essen, oder Pause machen auf dem Platz unterwegs. Die unterschiedlichen Raumstrukturen und Funktionen dieses Platzes bieten Basis für ein gut funktionierendes Zusammenspiel von Verweilen und Passieren. So sind trotz dieser Dichte kaum Konflikte zu beobachten.

Die Zufriedenheit mit dem Stauffacher ist sehr hoch. 93 Prozent aller befragten Personen äusserten sich positiv zum Platz, Negative Rückmeldungen und Verbesserungswünsche wurden selten angegeben, meist waren es individuelle Wünsche.

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