Wintereinbruch in der Grossstadt
Um fünf Uhr morgens weckten mich Pager und Handy. Die Nacht war kurz gewesen − bis in den späten Abend war ich für die Ortsfeuerwehr Kilchberg Rüschlikon im Einsatz gestanden und hatte danach noch Geburtstagsmuffins für meine Tochter gebacken. Ich musste die Meldung zweimal lesen, bis ich realisierte, was damit gemeint war: Unsere Einsatzleitzentrale bot die Holzerspezialisten auf, und kurz darauf wurden auch meine Dienstgruppenkollegen und -kolleginnen aufgefordert, sich früher als geplant in die Wache zu begeben.
von Toby Merkli
Kurze Zeit später stand ich einsatzbereit in der Wache Süd. Unterwegs hatte ich das Ausmass des Wintereinbruchs realisiert: Es fuhren weder Tram noch Bus, die Menschen waren zu Fuss unterwegs, und überall lagen Äste oder gar ganze Bäume am Boden. Eine Teamkollegin, ein Auszubildender und ich wurden der zweiten Autodrehleiter (ADL) zugewiesen und verliessen kurz nach sechs Uhr die Wache mit dem ersten Auftrag. Wir bahnten uns einen Weg durch das Schneechaos in Richtung Höngg, wo ein Baum auf ein Auto gestürzt war. Als gelernter Forstwart verfüge ich über langjährige Erfahrung im Umgang mit der Motorsäge und in der Beurteilung von Sturmholz, deshalb überliess ich diese Arbeit zwecks Ausbildung gern meinem weniger erfahrenen Kollegen und leitete ihn an.
Wir standen pausenlos im Einsatz: von Höngg über das Sihlquai ins Seefeld zum Zoo, zurück nach Höngg und wieder zum Zürichberg. In 14 Einsätzen entfernten wir Äste von den Fahrleitungen, stutzten einen dreigeteilten Baum Stück für Stück bis auf den Strunk und befreiten mit geschickten Schnitten ein Turnhallendach von einem schweren Buchenast, ohne weiteren Schaden an der Solaranlage zu verursachen. Nach rund 13 Stunden holten wir die vorerst letzten abgeknickten Äste beim Bahnhof Enge von den Bäumen.
Trotz dieser harten körperlichen Arbeit staunten wir und amüsierten uns über die eine oder andere angetroffenen Situation. Beim Zoo schaufelte ein Mann während gut einer Stunde sein Auto frei — in kurzen Hosen. Eine junge Frau stapfte durch knietiefen Schnee in Sneakers und knöchelfreien Socken. VelofahrerInnen quälten sich durch die Schneemassen. Wir selber mussten immer wieder kurz anhalten, um unerfahrenen AutomobilistInnen weiterzuhelfen.
Unser Team bewältigte während der über 24 Stunden dauernden Schicht rund 20 Einsätze. Wir wurden die ganze Zeit von sämtlichen Kompanien der Milizfeuerwehr unterstützt und arbeiteten zum Teil in gemischten Teams — ohne diese wertvolle Unterstützung wäre die Bewältigung der Einsätze nicht möglich gewesen.