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Von der abgefilmten Performance zum computergenerierten Animationsfilm

Die Kunstsammlung nimmt seit Anfang der 1990er-Jahre mediale Arbeiten auf. Mit dem Ankauf des Films «Arabia» (1991) von Klaus Lutz hat sie bereits 1992 eine erste Installation mit bewegten Bildern erworben. Die ersten Videoarbeiten, die 1996 gleich in grösserer Zahl angekauft wurden, waren Videobänder. Später kamen Video-Installationen und Video-Skulpturen dazu.

von Ramona Brückner

Bis zum heutigen Zeitpunkt bewahrt die Kunstsammlung über 120 mediale Werke auf (siehe Liste mit sämtlichen Werken am Seitenende). Dazu zählen neben Videos auch Video- und Audio-Installationen, Video-Skulpturen und -Objekte sowie Dia-Installationen. Die im Lauf der Jahrzehnte angekauften Video-Arbeiten spiegeln die Entwicklung der Zürcher Video-Szene wieder, die im Vergleich zu Deutschland und den USA wohl mit einiger Verspätung einsetzte, wie allgemein die Deutschschweizer Video-Szene.

Die Entwicklung des Mediums

Zu Beginn arbeiteten die Künstler und Künstlerinnen mit einer zumeist stationären Kamera und produzierten Realzeitaufnahmen ‒ oft ohne Schnitte. Dabei standen meist die Kunstschaffenden selbst im Mittelpunkt und zeichneten eine Art Performance auf. Beispiele dafür sind in unserer Sammlung die Arbeiten von Daniel Schibli, Stefan Pente, Sabian Baumann oder Zilla Leutenegger, alle aus den 1990er-Jahren.

Daniel Schibli

«Ohne Titel (Schnurfresser)», 1995.

Der technologische Fortschritt erlaubte zunehmend raffinierter bearbeitete Videobänder. Der Einsatz des Computers ermöglichte digitale Bildmanipulationen und präzise Zusammenschnitte von Sequenzen. Das Video dient jetzt nicht mehr nur als Medium für die visuelle Aufzeichnung, sondern vielmehr als ein Hilfsmittel, um eine neue, eigene Bildsprache zu schaffen, was sich auch in den Werken der städtischen Sammlung zeigt.

Die erste Arbeit in der Sammlung, in der einzelne Bilder und Szenen durch kurze Schnittsequenzen rhythmisiert werden, ist das Video «At Work I» von Stefan Pente aus dem Jahr 1994. Ergänzt mit rhythmisch gesetzten Tönen wird ein völlig neues Tempo erreicht. Oft wird jetzt auch die logische Abfolge des Geschehens durch die Verflechtung verschiedener Zeiten und Ebenen ersetzt, die ungewohnte Zusammenhänge herstellen.

Stefan Pente: «At Work I», 1994

Hinzu kommt das freie Kombinieren von Bildsequenzen unterschiedlicher Herkunft. So werden zum Beispiel verschiedene Film- und Fernsehfragmente mit eigenen Aufnahmen und Computergrafiken gemischt, wie im 1998 entstandenen Video «just click your own life» von Peter Spillmann. Szenen aus unterschiedlichen Werbespots wurden hier zu neuen Kurzfilmen zusammengesetzt.

Die zusammengeschnittenen Sequenzen erzeugen nicht selten eine Atmosphäre, die weniger rational als assoziativ zu erfassen ist. Hier werden gleichsam die Mechanismen der Erinnerungen und Träume in Bilder umgesetzt. Das Spiel mit unterschiedlichen Raum- und Zeitebenen bricht unsere Wahrnehmungs- und Sehgewohnheiten auf.

Die Computerentwicklungen erlauben neu auch Videoarbeiten als reine Animation. Dieser hat sich namentlich Yves Netzhammer verschrieben. Ein von ihm entwickelter suggestiver Bilderkosmos lässt den Betrachter in einen Fluss virtuoser Poesie eintauchen und nimmt ihn in seinen Bann. Charakteristisch für Netzhammer ist auch die entschleunigte Zeit, der absolute Gegensatz zu den temporeichen Videoarbeiten.

Allgemein ist bei den Kunstschaffenden wieder eine Tendenz zur Entschleunigung festzustellen, wie zum Beispiel in der poetischen Arbeit «Spiegelgleichung» der Künstlerin Muriel Baumgartner von 2013.

Gleichzeitig erhalten die Arbeiten zunehmend einen erzählerischen und teils auch dokumentarischen Charakter. So etwa die Videoprojektion «Das Haus» von Lena Maria Thüring aus dem Jahr 2008, in dem die Kamera den Zuschauer durch ein leerstehendes Haus führt und eine Stimme die Geschichte der Familie erzählt, welche darin gewohnt hat.

Olaf Breuning

«Gum Glum Glee», 2000.

Yves Netzhammer

«Die Möglichkeit, nicht mehr zu haben, sich weniger ähnlich zu sein», 2003.

Lena Maria Thüring

«Das Haus», 2008.

Standen anfänglich die Künstler und Künstlerinnen selbst im Mittelpunkt, so wendeten sie sich später auch grösseren Themen wie Politik, Weltgeschehen, Familiengeschichten, Schicksalen oder Alltagserzählungen zu. Um die Jahrtausendwende entstanden vermehrt Video-Skulpturen, -Installationen und -Objekte. Immer mehr Künstler und Künstlerinnen bevorzugen jetzt die Verwendung vieler Bildschirme, grossflächige Projektionen mit raumfüllendem Sound, die den Betrachter tief in das Geschehen hineinziehen.

Die Medienkunst ist im 21. Jahrhundert zu einer festen Grösse im Ausstellungsbetrieb geworden und steht heute gleichberechtigt neben den klassischen Gattungen. 

Nik Emch

«9 Bassistinnen», 2007/08.

Foto: Lorenzo Pusterla.

Stefan Altenburger

«Endless Rain», 2002/03.

Foto: Stefan Altenburger.

Franziska Koch

«Im Wind», 2002.

Foto: Martin Stollenwerk.

Die Bewirtschaftung und Archivierung der medialen Arbeiten

In den vergangenen drei Jahren hat die Fachstelle Kunstsammlung der Stadt Zürich alle Videoarbeiten aufgearbeitet. Das Inventar dieser Arbeiten war bis dahin rudimentär. Die Erfassung und Konservierung dieser Werke verlangt nach einer speziellen und intensiven Auseinandersetzung.

Inzwischen sind alle Datensätze vervollständigt und so gut wie möglich durch fehlende Unterlagen wie Stills, Manuals und Zertifikate ergänzt. Es wurden inhaltliche Beschriebe erstellt und möglichst viele VHS-Bänder oder DVD durch Betacams oder Digital Files ersetzt. Bei vielen frühen Arbeiten waren keine Masterbänder vorhanden. Das erstaunt nicht, kümmerte man sich in einer Zeit des Experimentierens doch kaum um eine zukunftsorientierte Erhaltung.

Die Archivierung der medialen Arbeiten geschah in enger Zusammenarbeit mit der videocompany.ch. Die Sicherung und Erhaltung von Video- und Audioarbeiten stellt eine besondere Herausforderung dar. Neben der Sicherung der digitalen Daten müssen jedoch auch die technischen Geräte, wie zum Beispiel Monitore, erhalten werden. Das heisst, diese müssten regelmässig gewartet werden, was für die Konservatorinnen und Konservatoren von Sammlungen eine neue und ungewohnte Aufgabe darstellt.

Aufdi Aufdermauer von videocompany.ch fragt und sagt zu Recht: «Können wir eine Arbeit aus den 70er-Jahren von Bruce Nauman auf einem Full-HD-Breitbild-Screen zeigen, verfremdet und zusammengestaucht? Andere Frage: Was müssten wir tun, damit wir es nicht auf dem falschen Monitor zeigen müssen? (…) Es ist die Pflicht der Sammlungen, der Archive, für das Weiterbestehen der Arbeit, also auch der Technik, bemüht zu sein.»

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