Stuhlinkontinenz
Als Stuhlinkontinenz wird der ungewollte Verlust von Wind oder Stuhl an einem «falschen Ort» (d. h. nicht auf der Toilette) oder zu einer «falschen Zeit» verstanden. Stuhlinkontinenz reicht von gelegentlichem Stuhlschmieren oder Windabgang bis hin zum mehrfachem täglichen Verlust von festem Stuhl.
Die psychische Belastung ist in den meisten Fällen erheblich. Nicht selten führt die Inkontinenz zur sozialen Isolation aus Angst vor ungewolltem Stuhlverlust, der von Anderen bemerkt werden könnte.
Zur Ursachenabklärung benötigt man ausgiebige Abklärungen. Wir besprechen die betroffenen Patienten auch an unserem interdisziplinären Beckenbodenboard. Häufig kann die Stuhlinkontinenz mit nicht-operativen Therapien behandelt werden. Zusätzlich steht mit der sogenannten sakralen Neuromodulation, welche in Lokalanästhesie durchgeführt wird, eine hervorragende operative Therapieoption zur Verfügung.
Abklärung
Durch eine genaue Erhebung der Symptome sowie eine gründliche Untersuchung lässt sich in vielen Fällen die Ursache der Inkontinenz vermuten. Mit folgenden Zusatzuntersuchungen gewinnen wir weitere entscheidende Informationen über die Ursachen einer Inkontinenz und für die optimale Therapie:
Analer Ultraschall
Die dreidimensionalen Ultraschalltechnik stellt den Enddarm mit dem Schliessmuskel räumlich dar und wir erkennen so Schädigungen des Schliessmuskels.
Anale Druckmessung (Manometrie)
Mit dieser Untersuchung bestimmen wir die Funktion des Schliessmuskels und messen die Sensibilität des Enddarmes. Eine verminderte Sensibilität kann zu einer sehr späten Wahrnehmung des Stuhldranges führen, der sogenannten Drang-Inkontinenz. Fehlt die Empfindung für Stuhl im Enddarm fast gänzlich, kann dies zu unbewusstem Stuhlverlust führen, was als passive Inkontinenz bezeichnet wird. Die verminderte Schliessmuskelfunktion wie auch die verminderte Enddarmsensibilität sind die häufigsten Ursachen für eine Stuhlinkontinenz.
Therapie
Stuhlinkontinenz ist in sehr vielen Fällen einfach behandelbar. Sie ist eine schwere Belastung und führt häufig zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Nicht-operative Therapien (Stuhlregulation, Physiotherapie) sowie eine genaue Abklärung der Inkontinenzursache sind die Basis des Therapieerfolges. Bewirken die nicht-operativen, konservativen Therapien keine entscheidende Verbesserung der Kontinenz, sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden.
In einem fachübergreifenden Team aus spezialisierten Ärzten (Chirurgen, Magen-Darm-Spezialisten, Gynäkologen), spezialisierten Physiotherapeuten und Inkontinenzberatern legen wir gemeinsam die Therapie eines Patienten fest. Den Grundstein für die erfolgreiche Behandlung der Stuhlinkontinenz muss jedoch der betroffene Patient selber legen, indem er mit dem Hausarzt oder dem Spezialisten darüber spricht.
Am Anfang jeglicher Therapie steht die Stuhlregulation. Sie hat das Ziel, die Konsistenz des Stuhls zu normalisieren und die Zeit der Stuhlpassage im Darm zu verlängern. Flüssiger Stuhl kann von einem geschädigten Kontinenzorgan viel schlechter zurückgehalten werden als geformter Stuhl. Die Ursache für flüssigen Stuhl sind mannigfaltig: Übermässiger Alkohol- und Kaffeegenuss, Fruchtsäfte, Milch bei Laktoseintoleranz, künstliche Süssstoffe sind Beispiele möglicher Ursachen. Zuweilen ist ein Stuhltagebuch sinnvoll, um den Zusammenhang zwischen Nahrungsmitteln und dünnem Stuhl bzw. Stuhlverlust zu erkennen.
Für eine normale Stuhlkonsistenz ist ein hoher Faseranteil in der Nahrung unverzichtbar. Dieser kann durch Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte erreicht werden. Unterstützend können Flohsamen aus der Apotheke wirken. Besteht trotz dieser Massnahmen weiterhin zu weicher Stuhl bzw. eine zu hohe Stuhlfrequenz, kann Loperamid (Imodium) hilfreich sein. Bei der Tendenz zu Verstopfung bzw. hartem Stuhl ist eine Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2 Litern (Wasser, ungesüsster Tee) zu empfehlen.
Physiotherapeutische Massnahmen vom Typ Biofeedback können in ausgewählten Fällen ebenfalls helfen. Bei dieser Form des Beckenbodentrainings, die von spezialisierten Physiotherapeuten angeboten wird, kann die selektive Aktivierung von Beckenbodenmuskeln trainiert und so deren Funktion verbessert werden.
Bei der Wahl der richtigen Form von Chirurgie müssen die Ursache der Inkontinenz, deren Ausprägung und die Erwartung bzw. der Wunsch des Patienten berücksichtigt werden.
Sphinkterrepair
Bei einem defekten Schliessmuskel kann der vorhandene Muskeldefekt vernäht werden (sog. Sphinkterrepair). Diese Operation wird meist bei jüngeren Patientinnen durchgeführt, typischerweise bei Schliessmuskelzerreissung nach Geburten. Diese Operation sollte nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Injektion von Kollagen oder Silikon
Eine Therapiealternative ist die Injektion von Kollagen oder Silikon zur Verstärkung des Schliessmuskels. Diese Therapie kommt bei leichtgradiger Inkontinenz, bedingt durch eine Schädigung des Schliessmuskels, zur Anwendung. Das Kollagen wird unter die Schleimhaut gespritzt, das Silikon zwischen den inneren und den äusseren Schliessmuskel.
Sakrale Neuromodulation
Bei der Sakralen Nerven-Stimulation (SNS) werden die für die Kontinenz wichtigen Beckenbodennerven mittels Strom stimuliert. Dies führt zu einer verbesserten Empfindlichkeit des Enddarmes, sodass der Stuhl früher bemerkt wird. Diese Stimulierung geschieht für den Patienten meist unbemerkt oder wird als feines Kribbeln im Bereich des Afters wahrgenommen. Die SNS-Therapie beinhaltet eine ambulante Operation mit einer Erfolgsrate von 85% – unabhängig von der Ursache der Stuhlinkontinenz.
Die Operation geschieht in lokaler Betäubung und wird ambulant durchgeführt. Danach erfolgt eine 14-tägige Testphase zur Beurteilung des Therapieerfolges. Wird in dieser Zeit eine Verbesserung der Beschwerden um mindestens 50% erreicht, erfolgt die Implantation einer kleinen Batterie (ähnlich eines Herzschrittmachers) unter die Haut des Gesässes.
Die Sakrale Neuromodulation ist in lokaler Betäubung durchführbar. Sie wird in spezialisierten Zentren wie dem Triemli angeboten und gehört zu den erfolgreichsten Therapien der Stuhlinkontinenz.