(Chronische) Verstopfung
Chronische Verstopfung ist ein häufiges Problem. Frauen sind öfter davon betroffen als Männer, ältere Menschen öfter als jüngere. Die Ursache ist häufig banal und so auch die Therapie. Manchmal verbergen sich aber hinter einer Verstopfung Ursachen, die einer eingehenden Abklärung bedürfen.
Definition
Nach den «Rom-III-Kriterien» wird chronische Verstopfung als Kombination verschiedener Symptome verstanden. Ein Patient leidet gemäss dieser Definition an Verstopfung, wenn er in den letzten sechs Monaten für mindestens zwölf Wochen in einem Viertel aller Stuhlgänge zwei der folgenden Beschwerden aufgewiesen hat:
- Klumpiger oder harter Stuhl
- Gefühl der inkompletten Darmentleerung
- Gefühl der analen Blockierung
- Manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation (Ausräumung mit dem Finger, Stüzen des Beckenbodens)
- Weniger als drei Stuhlgänge pro Woche
- Weicher Stuhlgang nur mit Abführmitteln
- Ungenügende Kriterien für ein Reizdarmsyndrom
Die Diagnose richtet sich also nicht nur nach der Anzahl der Stuhlgänge. Ein Patient, der täglich Stuhlgang hat, kann trotzdem unter Verstopfung leiden: wenn er ein Gefühl der unvollständigen Entleerung hat, beim Stuhlgang stark pressen muss, harten Stuhl hat oder mit dem Finger nachhelfen muss.
Ursachen
Zu geringe Flüssigkeitszufuhr, zu wenig Ballaststoffe in der Nahrung, zu wenig Bewegung waren bislang die angeschuldigten Hauptfaktoren, welche zur Verstopfung führen können. Damit liesse sich auch erklären, warum die Verstopfung v. a. in der älteren Bevölkerung vorkommt. Bis heute gibt es keine guten wissenschaftlichen Studien, die diese Hypothesen stützen würden. Die Ursache der Verstopfung scheint viel komplexer zu sein, als bislang angenommen wurde.
Grundsätzlich wird die Verstopfung in eine primäre und eine sekundäre eingeteilt:
Die primären Ursachen lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
- Verstopfung mit normaler Passagezeit (funktionelle Verstopfung),
- Verstopfung mit verzögerter Passagezeit («träger Darm»),
- Verstopfung aufgrund einer Beckenboden-Störung (Behinderung des Ausganges).
Die funktionelle Verstopfung ist die häufigste Art, bei der die Zeit der Darmpassage für den Stuhl normal ist. I. d. R. beträgt diese Passagezeit weniger als 72 Stunden.
Bei der Verstopfung mit verzögerter Passagezeit überwiegt als Symptom der zu seltene Stuhlgang, häufig kombiniert mit Blähungen. Als Ursache gelten Störungen der darmregulierenden Nerven.
Bei der Verstopfung aufgrund einer Beckenboden-Störung besteht eine Fehlregulation der Beckenboden-Muskulatur, welche die Entleerung des Stuhls erschwert. Es herrscht das Gefühl der «Blockade» bzw. der inkompletten Darmentleerung vor. Zuweilen können die Patient(inn)en den Stuhl nur unter manueller Hilfe herausbringen, d. h. indem sie den Finger in den After oder in die Scheide einführen, womit sie den Stuhl aus dem Enddarm drücken können.
Die sekundäre Verstopfung ist seltener als die primäre. Ursache für die Verstopfung sind hier andere Erkrankungen wie die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Störungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüse, psychiatrische Störungen (Depression), das Reizdarmsyndrom oder der Darmkrebs. Dabei sind die letzten beiden Störungen von besonderer Bedeutung:
- Das Reizdarmsyndrom ist sehr häufig. Vor allem junge Frauen sind von dieser Fehlregulation des gesamten Magen-Darm-Traktes betroffen, die oft mit Krämpfen, aber auch mit Episoden von Durchfällen einhergeht. Die Ursache ist unbekannt und die Therapie schwierig.
- Der Darmkrebs ist eine wichtige Ausschlussdiagnose in der Abklärung der Verstopfung.
Abklärung
Das Ausmass der Abklärung richtet sich nach dem genauen Beschwerdebild, dem Alter des Patienten und allfälligen Begleitsymptomen. Entscheidend ist das Abfragen der einzelnen Rom-III-Kriterien, insbesondere die Frage nach hartem Stuhlgang, dem Gefühl der inkompletten Darmentleerung und der Zuhilfenahme der Finger zur Ausräumung des Enddarms. Diese Symptome bzw. Umstände werden vom Patienten häufig nicht spontan berichtet.
Neben der genauen Erhebung des Beschwerdebildes kann die Untersuchung des Enddarmes mit dem Finger sehr aufschlussreich sein. Neben einem allfälligen Tumor – Etwa ein Drittel aller Darmkrebse können mit dem Finger ertastet werden. – kann eine Aussage über die Funktion des Beckenbodens gemacht werden. Eine genaue Befragung und Untersuchung mit dem Finger sollte bei allen Patienten mit chronischer Verstopfung durchgeführt werden. Ob eine Blutentnahme zum Ausschluss hormoneller Störungen oder eine Darmspiegelung durchgeführt werden soll, hängt von Begleitsymptomen und vom Alter des Patienten ab.
Ab einem Alter von 50 Jahren sollte bei allen Patienten mit Verstopfung eine Darmspiegelung durchgeführt werden, sofern dies nicht in den letzten 5 Jahren bereits geschah. Bei Patienten zwischen 40 und 50 Jahren kann ebenfalls bereits eine Darmspiegelung in Erwägung gezogen werden. Bei Patienten unter 40 Jahren ist die Darmspiegelung nur nötig, wenn bei Familienmitgliedern bereits früh Darmkrebsfälle vorgekommen sind.
Mit der MR-Defäkographie (Magnetresonanz) lassen sich die Bewegungen des Beckenbodens und aller seiner Anteile (Blase, Scheide, Gebärmutter, Enddarm, Dünndarm) genau verfolgen und als Filmsequenz anzeigen. Diese Untersuchung ist vor allem bei Patienten angezeigt, bei denen eine Störung des Beckenbodens bzw. eine Outlet-Obstruction (Behinderung des Ausgangs) vermutet wird, bei der die Ursache am Ende des Darmes liegt.
Eine Verstopfung ist dann durch eine Störung des Beckenbodens bedingt, wenn eine falsche Koordination der Beckenbodenmuskeln vorliegt oder aber ein innerer Darmvorfall. Beim letzteren stülpt sich der Darm in sich selber ein und bildet so ein verschliessendes Ventil. In Kombination mit der MR-Defäkographie führen wir häufig auch eine Druckmessung des Enddarmes bzw. des Schliessmuskels durch. Mit dieser Untersuchung können funktionelle Störungen, d. h. Störungen aufgrund einer Fehlregulation der Beckenbodenmuskeln, ebenfalls zuverlässig entdeckt werden.
Führen die obigen Untersuchungen zu keiner befriedigenden Diagnose, ist eine Transitzeitmessung notwendig. Dabei werden röntgendichte Kügelchen (sog. Marker) – eingepackt in Gelatine-Kapseln – über regelmässige Zeitabstände eingenommen. Finden sich nach 72 Stunden im Röntgenbild immer noch Marker im Darm, kann von einer verzögerten Passagezeit ausgegangen werden.
Therapie
- Der erste therapeutische Ansatz besteht in einer Umstellung der Lebensgewohnheiten hin zu mehr Trinken, mehr Ballaststoffen und mehr Bewegung. Führen diese Massnahmen nicht zum Erfolg, kann die Einnahme von Stuhlregulatoren oder Abführmitteln Hilfe bringen. Natürliche Stuhlregulatoren wie Weizenkleie, Leinsamen oder Feigen können natürlich auch eingesetzt werden.
- Liegt eine sekundäre Verstopfung vor, muss die der Verstopfung zugrundeliegende Ursache zuerst behoben werden (z. B. Korrektur einer Schilddrüsenunterfunktion oder einer Depression).
- Bei einer reinen Fehlregulation des Beckenbodens (sog. Anismus) kann mit Physiotherapie bzw. einem speziellen Beckenbodentraining (sog. Biofeedback) Linderung erzielt werden.
- Bei der primären Verstopfung spricht die Gruppe mit normaler Transit- bzw. Passagezeit i. d. R. gut auf konservative Massnahmen an (Einnahme von Quell- bzw. milden Abführmitteln). Liegt eine Verstopfung mit einer verzögerten Transitzeit vor, richtet sich die Therapie ganz nach dem Beschwerdebild.
- Ist der Leidensdruck sehr hoch, muss bei stark verminderter Darmmotorik oft durch eine Entfernung des Dickdarmes das Problem gelöst werden. Alternativ kann in dieser Situation eine Stimulation der Beckenbodennerven mit Strom versucht werden (sog. Sakrale Nervenstimulation, SNS).
- Bei der häufiger vorkommenden Outlet-Obstruction richtet sich die Therapie nach der genauen Ursache. Ist die Ursache ein innerer Darmvorfall, so muss eine chirurgische Therapie angestrebt werden. Ein innerer Vorfall entsteht durch eine Bindegewebsschwäche, womit der Enddarm sich selber einstülpt und dann gewissermassen ein blockierendes Ventil bildet. Dieses Ventil kann mit der sog. Stapled TransAnal Rectal Resection (STARR) behandelt werden. Diese Methode ist wenig schmerzhaft und wird im Rahmen einer 2–3-tägigen Hospitalisation durchgeführt.
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