Vom Winde verweht
Die Unwetter der vergangenen Jahre haben in Zürichs Baumbeständen ordentlich aufgeräumt und ihre Spuren hinterlassen. Die massive Schwarzpappel beim Hottingerplatz hat ihnen allen getrotzt. Ein verhältnismässig schwaches Sommergewitter war dann aber doch zu viel für den alten Baum.
Text: Toby Merkli
Als bei uns die Meldung «Bäume/Äste, Baum auf Fahrleitung» eintraf, bot der Offizier vor Ort kurz nach Einsatzbeginn zusätzlich zum bereits ausgerückten Einsatzfahrzeug das Pionierfahrzeug sowie den Einsatzleiter auf. Dieser entschied ziemlich schnell – angesichts der geschilderten Lage – mich als Spezialisten mitzunehmen. Als gelernter Forstwart habe ich das nötige Fachwissen und die Erfahrung, um auch bei komplexen Situationen im Zusammenhang mit Sturmholz Entscheidungen zu treffen, die ein sicheres Arbeiten gewährleisten.
Vor Ort bot sich mir ein krasses, für Zürich aussergewöhnliches Bild. Die massive Schwarzpappel, mit rund einem Meter Stammdurchmesser und einer mehrere Meter breiten Krone, hing über der Nebenstrasse zwischen der Tramhaltestelle und der Bäckerei. Der Stamm befand sich stellenweise bis zu drei Metern über dem Boden − wie durch ein Wunder war weder eines der geparkten Autos noch das Schaufenster der Bäckerei beschädigt worden. Jedoch war die Abspannung der Fahrleitung samt Verankerung aus der Gebäudewand gerissen worden, was in dieser ein beträchtliches Loch hinterlassen hatte. Augenzeugen berichteten, wie die Fahrleitung funkensprühend zu Boden gegangen war. Bei unserem Eintreffen war sie bereits stromlos geschaltet, und die Techniker der VBZ waren daran, die verbleibende Leitung zu erden.
Die grösste Herausforderung für uns Feuerwehrleute bestand nun darin, die Krone und den Stamm des Baums in transportierbare Stücke zu zerkleinern, ohne dabei weiteren Schaden am Gebäude oder an den Fahrzeugen zu verursachen, und gleichzeitig die Sicherheit der Einsatzkräfte zu gewährleisten. Dabei steht stets die Frage im Raum, wie das Sturmholz auf unsere Arbeit reagiert: Dreht sich der ganze Stamm und klemmt jemanden ein, wenn ich mit der Säge einen Schnitt ausführe? Rutscht die Krone vom Vordach und beschädigt das intakte Schaufenster? Steht das zu schneidende Holzstück unter Spannung und könnte mich gefährden? Für einen besseren Überblick entfernten wir zuerst alle kleinen und mittelgrossen Äste, die wir gefahrlos vom Boden aus absägen konnten. Mithilfe der Autodrehleiter kürzten wir dann die Krone auf dem Vordach ein und entfernten die grossen Äste, die in die Höhe ragten und daraufhin mit dem Kran des Pionierfahrzeugs gesichert und abtransportiert wurden. In einem letzten Schritt kürzten wir den Stamm von oben nach unten Stück für Stück. Das gesamte Grüngut lagerten wir auf der kleinen Fussgängerinsel, wo es am nächsten Tag von Grün Stadt Zürich abgeholt wurde. Während wir die letzten Holzreste beseitigten, kümmerten sich die Fahrleitungstechniker bereits um einen alternativen Ankerpunkt. Wenige Stunden später fuhr der ÖV wieder regulär, und wir rückten bereits an den nächsten Einsatz aus.