Bevölkerung
In den 125 Jahren seit der Stadtvereinigung lebten schon Millionen von Menschen in Zürich, die einen nur kurz, die anderen ihr ganzes Leben oder sogar als Teil einer Generationenabfolge. Menschen und Mentalitäten wechselten, aber während der ganzen Zeit blieb Zürich ein Schmelztiegel für Einheimische und Zuziehende aus dem Umland, aus der ganzen Schweiz und aus dem benachbarten Ausland. Verschiedene Fotostrecken dieser digitalen Zeitreise sind den Menschen gewidmet, die Zürich im vergangenen Jahrhundert belebten.
Besonders attraktiv sind Grossstädte für junge Erwachsene, die sich in der Stadt ausbilden lassen oder das berufliche Fortkommen suchen. Das war schon immer so und wird auch beim Vergleich der Alterspyramiden Zürichs seit 1894 sichtbar. Aus der Abfolge dieser Darstellungen des Altersaufbaus lassen sich die unterschiedlichen Phasen der Stadtentwicklung herauslesen. Zur Zeit der Stadtvereinigung 1894 war die Stadt jung und von vielen Kindern bevölkert. Die häufigste Gruppe bei den Erwerbstätigen waren die 20-Jährigen. Um 1900 setzte ein Geburtenrückgang ein, der den Kinderanteil in der Stadt allmählich von 18 Prozent (1894) auf 7 Prozent (1990) sinken liess, während die Älteren an relativer Bedeutung zunahmen.
Alterspyramiden
Nach der Zäsur des Ersten Weltkriegs wuchs die Stadt in der Zwischenkriegszeit wieder schnell, was sich in der grossen Zahl junger Erwerbstätiger um 1930 spiegelt. Zudem ist Zürich in dieser Zeit von einem klaren Frauenüberschuss gekennzeichnet (vgl. Webartikel «Erstmals seit über 180 Jahren mehr Männer als Frauen»). Mit dem Zweiten Weltkrieg folgte erneut ein Einschnitt, der sich noch 1960 in der unnatürlich kleinen Generation der 40-45-Jährigen spiegelte – einer Generation, von denen in der Kriegszeit kaum jemand nach Zürich gezogen war. Die Pyramide von 1990 zeigt eine gealterte Gesellschaft, vor allem mit den vielen nun betagten Frauen, die in der Zwischenkriegszeit nach Zürich gezogen waren. Nach Jahrzehnten des Einwohnerrückgangs waren Studierende und junge Erwerbstätige zwar immer noch zahlreich, aber die Jahrgänge zwischen dem 30. und 45. Altersjahr waren ausgedünnt – viele dieser Generation lebten mittlerweile in der Agglomeration. Ganz anders präsentiert sich die Stadt heute. Eine Verjüngung ist unverkennbar mit stark erhöhten Kinderzahlen und deutlich mehr 30- bis 50-Jährigen – der heutigen Elterngeneration.
Eheschliessung, Geburt und Kindheit
Als bevorzugter Wohnort von jungen Erwachsenen waren häufige Eheschliessungen in der Stadt die logische Folge. Dementsprechend zahlreich sind die Hochzeitsbilder, die in Zürich geschossen wurden.
Geburten
Dabei stehen die Eheschliessungen in einem interessanten Zusammenhang mit der Geburtenzahl. Um 1900 sind viele Geburten bei relativ wenig Eheschliessungen festzustellen. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Ehe war hoch, begann sich nun aber zu verkleinern. Nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Zahl der Eheschliessungen steil an. Die Familien waren nun zwar deutlich kleiner, aber immer zahlreicher, was nach dem Zweiten Weltkrieg in den Babyboom der 1950er Jahre mündete. Auf den markanten Geburtenrückgang nach 1963 folgte ab 1970 ein noch abrupterer Rückgang neuer Eheschliessungen. Von 1976 an stabilisieren sich die Kurven während 25 Jahren auf tiefem Niveau. Seit der Jahrtausendwende und den verstärkten Bemühungen um ein familienfreundliches Wohnumfeld steigt die Geburtenzahl wieder an, nicht aber die Zahl der Eheschliessungen. Grund für die Diskrepanz ist die zunehmende Verbreitung nicht- oder ausserehelicher Geburten. Mittlerweile sind die Eltern jedes dritten Kindes nicht verheiratet.
Schon bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war der Anteil ausserehelicher Geburten übrigens vergleichsweise hoch. Den Grund dafür kann man aus zeitgenössischen Statistiken herauslesen: Viele ledige Dienstmädchen und Fabrikarbeiterinnen wurden offenbar ungeplant Mütter. Der heutige Anstieg nichtehelicher Geburten ist demgegenüber zumeist ein bewusster Entscheid von Paaren gegen eine Eheschliessung.
Fertilität
Der jüngste Geburtenboom in der Stadt unterstreicht, dass die Stadt seit 1990 familienfreundlicher wurde. Das kommt auch in der Erhöhung der durchschnittlichen Geburtenzahl pro Frau, der sogenannten Fertilitätsrate, zum Ausdruck. Mit 47,2 Promille erreichte diese 2014 den höchsten Wert seit 1965. Im Vergleich der Fertilität nach Alter kommt aber auch der gesellschaftliche Wandel seither prägnant zum Ausdruck. In der Phase des Baby-Booms von 1945 bis 1965 brachten die 25-29-jährigen Frauen bei weitem die meisten Kinder auf die Welt, gefolgt von den 20-24-jährigen. Das hat sich ab 1990 grundlegend verändert. Heute ist die Geburtenhäufigkeit bei den 30-39-Jährigen am höchsten, während sie bei den 20-29-Jährigen weiterhin stark abnimmt.
Altersaufbau
Mit früheren Jahrzehnten ist der heutige Anteil von Kindern und Jugendlichen aber nicht vergleichbar. Bis zum Ersten Weltkrieg war von den Stadtbewohnerinnen und -bewohnern ein Drittel weniger als 20 Jahre und ein Fünftel weniger als 10 Jahre alt.
Herkunft
Die Rahmenbedingungen für den Personenaufenthalt in der Schweiz änderten sich in den 125 Jahren seit der Stadtvereinigung mehrmals. Von 1893 bis 1914 herrschte weitgehend Personenfreizügigkeit. Dementsprechend war Zürich eine sehr internationale Stadt mit vielen Zuziehenden nicht nur aus Schweizer Landgemeinden, sondern auch aus dem süddeutschen Raum. Hinzu kam die erste grossen Welle von fremdsprachigen Migranten, die als versierte Bauarbeiter aus Italien kamen. Sie stiessen kulturell vorerst auf Ablehnung, was sich im Aussersihler «Italienerkrawall» von 1896 manifestierte. Der Erste Weltkrieg brachte eine Zäsur. Viele Staatsangehörige der Nachbarländer kehrten zurück oder mussten Militärdienst leisten. Während des Krieges wurden in der Schweiz ebenso wie in ganz Europa Massnahmen zur Einschränkung des freien Personenverkehr ergriffen und danach nicht aufgehoben. Der ausländische Zuzug in die Schweizer Städte ging markant zurück, und Zürich wurde in der Zwischenkriegszeit von einer internationalen zu einer national geprägten Grossstadt.
Wanderungssaldo
Im konjunkturellen Aufschwung nach 1945 waren die Arbeitskräfte knapp und das Saisonnier-Statut wurde immer wichtiger. Diese kontingentierte Aufenthaltsform gab es seit 1934 und war mit jährlicher Rückkehr ins Herkunftsland verbunden. Sie brachte billige, ungelernte Arbeitskräfte für die Industrie, die Bauwirtschaft und den Tourismus in die Schweiz. Für diese temporären Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt wurden viele Barackensiedlungen erstellt, die ein typisches Merkmal der Stadt der 1960er und 1970er Jahre wurden.
So wurde die ausländische Zuwanderung nach Zürich wieder entscheidend, zumal seit den 1960er Jahren der Wegzug von Städterinnen und Städtern aufs Land zur Gründung von Familien üblich wurde. Seit den 1970er Jahren schwächte sich diese Bewegung allmählich ab. Bis um 1990, weil die Stadtbevölkerung insgesamt weniger zahlreich ist, danach weil in der Stadt wieder vermehrt Familienwohnraum entstand. Aber auch heute noch verdankt die Stadt einen Grossteil ihres Wachstums dem Zuzug aus dem Ausland.
Ausländische Bevölkerung nach Nationalität
In der Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung Zürichs zeigen sich entsprechend verschiedene Phasen: Die primär von Deutschen getragene Zuwanderung vor hundert Jahren, das Wachstum der italienischen Bevölkerung zwischen 1945 und 1970, das von einer jugoslawisch geprägten Phase abgelöst wurde, und seit 2000 eine zunehmende Internationalisierung der städtischen Bevölkerung.
Konfession und Religion
Die Zwingli-Stadt war schon zur Zeit der ersten Eingemeindung 1893 keine rein protestantische Stadt mehr. 1808 wurde wieder eine katholische Stadtgemeinde gegründet, 1841 wurde die Augustinerkirche den Katholiken zur Verfügung gestellt, und 1874 wurde mit St. Peter und Paul in Aussersihl die erste katholische Kirche neu gebaut.
1894 lebten in der vereinigten Stadt bereits 34 000 Katholiken, davon 15 000 aus der Schweiz, 5000 aus Italien und die übrigen mehrheitlich aus Österreich und Baden-Württemberg. Bis 1910 stieg der Anteil der Katholiken auf 31 Prozent. In der Zwischenkriegszeit stieg die Zahl der Reformierten infolge der rückläufigen Einwanderung aus Italien eher wieder stärker als diejenige der Katholiken.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führten zunehmende Kirchenferne und die wieder einsetzende italienische Zuwanderung zu einem schnellen Rückgang des Anteils von bekennenden Reformierten. Die katholische Kirche konnte ihren Bevölkerungsanteil noch bis 1990 halten und wurde kurz darauf sogar zur grössten Konfession. Aber auch die katholischen Gemeinden verloren durch die wachsende Zahl von Kirchenaustritten und die Internationalisierung der Bevölkerung an Bedeutung. Die grösste Gruppe bilden heute mit einem Drittel aller Personen die Konfessionslosen, während sich der Anteil der Muslime bei etwa sechs Prozent der Bevölkerung zu stabilisieren scheint.
Alter und Tod
Dem Rückgang des Kinderanteils steht logischerweise ein Anstieg des Anteils der Betagten gegenüber. 1910 überschritten erst 3,6 Prozent der Bevölkerung das Alter von 65 Jahren. 1950 – drei Jahre, nachdem die Einführung der AHV von der Stimmbevölkerung gutgeheissen wurde – waren es 9,0 Prozent. Die Alterung der Stadt schritt danach schnell voran und erreichte 1980 bei den Über-65-Jährigen mit 19,8 Prozent den Höhepunkt – heute sind es wieder deutlich weniger, nämlich noch 14,4 Prozent. Der Anteil der Hochbetagten von über 80 Jahren stieg noch einige Zeit länger, ist aber seit 2010 ebenfalls rückläufig. Ihre Zahl beträgt heute 9500 – 1910 waren es in der ganzen Stadt erst 380 gewesen.
Sterberate
Die Fortschritte von Medizin und Hygiene führten ausgangs des 19. Jahrhunderts zu einem schnellen Rückgang der Sterberate, also der Zahl von Todesfällen in Bezug auf die Bevölkerungszahl. Von 1893 bis 1915 sank sie von 18 auf 10 Promille, das heisst um 1915 verschied pro Jahr etwa ein Prozent der Bevölkerung. Im Jahr der Spanischen Grippe zum Weltkriegsende 1918 starben in der Stadt 900 Personen mehr als üblich. Danach stabilisierte sich die Sterberate bis 1960 bei etwa 9 Promille. In den drei folgenden Jahrzehnten bewirkte die fortschreitende Alterung einen erneuten Anstieg auf 12 Promille: Mehr Betagte bedeuteten auch häufigere Sterbefälle, obwohl der medizinische Fortschritt anhielt. Ab Mitte der 1980er-Jahre folgte erneut eine Trendwende: die langsame Verjüngung der städtischen Bevölkerung führte wieder zu einem Rückgang der Sterberate; 2016 wurde in der Stadt Zürich ein neuer Tiefststand von 7,6 Promille erreicht.
Tuberkulose
Als anschauliches Beispiel für die Fortschritte der Medizin und die veränderte Gefährdungslage durch Krankheiten dient die Entwicklung der Sterbefälle aufgrund von Tuberkulose: Wurden bis 1910 noch jährlich über 400 Sterbefälle gezählt und hatten die Höhenkurorte entsprechend Zulauf von Tuberkulosekranken, sank die Zahl bis 1960 auf 40, und seit 2010 wurde dieser Krankheit in der Stadt Zürich kein einziger Sterbefall mehr zugeordnet.
Todesursachen
Hingegen stiegen im Verlauf des 20. Jahrhunderts die Todesfälle aufgrund von Ursachen im Bereich des Kreislaufs (z.B. Herzinfarkt) – seit 1980 ging ihre Zahl aber wieder um fast die Hälfte zurück. Krebs als Todesursache hält sich etwas hartnäckiger: die entsprechenden Todesfälle sanken seit den 1980er-Jahren von 1200 auf knapp 800. Demenz wird seit Ende der 1990er-Jahre vermehrt als Todesursache diagnostiziert; etwa 400 der 3000 Todesfälle werden heute darauf zurückgeführt.
Publikationsmaterialien
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