Ich habe natürlich mitgekriegt, dass auch über Chris gelästert wurde. Wegen seiner Körperfülle, wegen seiner sonderbaren Marotten. Auch weil er gelegentlich streng roch. Es dauerte aber eine ganze Weile, bis ich begriff, dass unser Informatik-Lehrling gemobbt wurde.

Einen wie Chris gibt es in jedem grösseren Unternehmen. Er ist ein bisschen verschroben und legt keinen besonderen Wert auf sein Äusseres. Zum Znüni leert er vier Löffel Zucker in seine Ovomaltine. Wenn er etwas erklären muss, zitiert er Obi-Wan Kenobi. Im Grunde ist er ein herzensguter Mensch. Anschluss findet er aber kaum. Zuerst waren es nur die KV-Lehrlinge, die blöd feixten. Spätestens seit der grossmäulige David aus der Buchhaltung Chris so gelungen nachäffte, wurde er im ganzen Haus zur Lachnummer. Der Lehrling begann sich mehr und mehr zurückzuziehen. Seine Marotten wurden ausgeprägter und plötzlich unterliefen ihm auch bei der Arbeit dumme Fehler. Ich begriff, dass alles einen Zusammenhang hatte. Chris war ein Mobbing-Opfer. Ich wollte helfen. Aber wie? Als Teilzeit-Sekretärin hören die Leute ja sowieso kaum auf mich. «Möge der Big Mac mit dir sein!», prustete plötzlich David durchs Büro. Noch vor der Mittagspause konfrontierte ich unsere Geschäftsführerin mit meinen Beobachtungen.

Gabi kann HEH! Und du?

Wenn jemand über längere Zeit wiederholt belästigt, gedemütigt oder ausgegrenzt wird, spricht man von Mobbing. Meistens findet Mobbing am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Verein statt und wird von einer oder mehreren Personen ausgeübt. Auf Betroffenen lastet oft enormer psychischer Druck. Deshalb gilt stets:

Hinschauen

Wird über die neue Sekretärin immer wieder gelästert? Werden die guten Vorschläge des Bürokollegen bewusst überhört oder mit einem verachtenden Lächeln quittiert? Wird der Lehrling nie richtig informiert, aber anschliessend für seine Arbeit zu Unrecht kritisiert? Treten offene Feindseligkeiten bis hin zu Psychoterror auf?

Einschätzen

Ist ein Streit lediglich eine Meinungsverschiedenheit zwischen mehreren Personen oder basiert er darauf, dass ein Betroffener verachtet und deswegen immer wieder geschnitten, verleumdet und schikaniert wird?

Handeln

Sprich mit einem mutmasslichen Mobbing-Opfer darüber, wie es die Situation einschätzt. Mach Kollegen, Vorgesetzte, Lehrpersonen oder Freunde darauf aufmerksam, wenn du den Eindruck hast, dass sie jemanden mobben. Wenn das nichts bringt oder du dich nicht getraust das Thema mit den Betroffenen anzusprechen, wende dich an die HR-Abteilung, den Betriebsrat oder die Schulleitung.

Opferberatung Zürich
obzh.ch
044 299 40 50

Fachstelle für Gewaltprävention des Schul­ und Sportdepartements (für Schulen in der Stadt Zürich)
Stadt Zürich Gewaltprävention
044 413 87 20