Leben nach einem Herzinfarkt
Interview mit Dr. med. Verena Praxmarer, Oberärztin Kardiologie, Stadtspital Zürich
Was raten Sie Patientinnen und Patienten nach einem Herzinfarkt, wenn sie nach der intensiven Betreuung im Spital nach Hause dürfen?
Dr. med. Verena Praxmarer, Oberärztin Kardiologie, Stadtspital Zürich:
Vier Punkte sind wichtig: Mit dem Rauchen aufhören, regelmässig körperliche Aktivität betreiben, die Medikamenten-Einnahme nicht vergessen und auf eine ausgewogene Ernährung achten mit wenig Fleisch und tierischem Fett, aber mit viel Gemüse und Obst. Bezüglich Bewegung sind mässige Anstrengungen 3-5x pro Woche während 30-60 Minuten optimal. Man sollte ins Schwitzen kommen, aber noch genug Luft zum Reden haben.
Was gilt es im Alltag hinsichtlich körperlicher Belastung zu beachten?
Dr. med. Verena Praxmarer: Prinzipiell gilt: Körperliche Aktivität ist erlaubt und erwünscht! Gut ist, womit man sich wohl fühlt. Auf körperliche Aktivität zu verzichten, wäre sogar kontraproduktiv.
Wie sieht es mit Sport aus?
Dr. med. Verena Praxmarer: Generell empfehlen wir den meisten Patienten, die im Alltag selbstständig sind, nach einem Herzinfarkt eine ambulante kardiale Rehabilitation zu absolvieren. Dies ist ein strukturiertes, geführtes Programm in der Gruppe über meist ca. drei Monate. Dazu gehören gezieltes Ausdauertraining, Vorträgen über Lebensstil-Änderungen und Optimierung der wichtigsten Risikofaktoren wie z.B. Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und Nikotinabhängigkeit. Ziel ist es, dass die Patienten «Experten» für ihre eigene Krankheit werden und wieder Vertrauen in ihren Körper gewinnen.
Wann ist eine normale Sexualität möglich?
Geschlechtsverkehr ist erlaubt, sobald sich die Patientin oder der Patient damit wohl fühlt. GV ist vergleichbar mit moderatem Sport. Auch Viagra ist in den meisten Fällen nicht verboten, ausser in Kombination mit Nitropräparaten. Denn dann kann es zu einem Kreislaufkollaps kommen, weil beide Medikamente den Blutdruck stark senken.
Wie lange dauert es, bis man an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann?
Dr. med. Verena Praxmarer: Dies ist individuell und abhängig vom Ausmass des Herzinfarkts, dessen möglichen Komplikationen, der Herzfunktion sowie insbesondere von den körperlichen Anforderungen während der Arbeit. Bürojobs gehen früher wieder als die Arbeit als Bauarbeiter. Grundsätzlich sollten die Betroffenen eine möglichst rasche Wiederaufnahme der Arbeit anstreben. Dies häufig auch schon im Teilzeitpensum während der ambulanten Rehabilitation.
Sind Patientinnen und Patienten nach einem Infarkt wirklich wieder voll belastbar? Auch psychisch?
Dr. med. Verena Praxmarer: Dies ist ebenfalls wieder abhängig vom Ausmass des Infarkts, der Herzfunktion im Verlauf und ob es verbleibende Engstellen in den Herzkranzgefässen gibt. In den meisten Fällen mit unkompliziertem Verlauf ist eine rasche und vollständige Belastbarkeit zu erwarten. Die psychischen Auswirkungen eines Herzinfarkts dürfen nicht unterschätzt werden. Ich würde den Patienten grosszügig zu einer Psychotherapie raten, um Ängste zu verarbeiten und abzubauen.
Wie sieht das mit der Fahrtauglichkeit aus?
Dr. med. Verena Praxmarer: Privatlenker dürfen bei einem unkomplizierten Verlauf bereits nach einer Woche wieder Autofahren. Für berufsmässigen Personentransport und Führerausweis-Kategorien C und D gilt eine Wartefrist von sechs Wochen. Anschliessend ist eine kardiologische Kontrolle nötig, in der wir die Beschwerden, die Leistungsfähigkeit und die Herzfunktion beurteilen.
Wie lange sollte man bis zur nächsten Urlaubsreise warten?
Dr. med. Verena Praxmarer: Für eine Reise müssen die Patienten in einem stabilen Zustand sein, sowohl körperlich als auch psychisch. Nach einem unkomplizierten Infarkt können die Patienten bereits nach drei Tagen wieder reisen, auch mit dem Flugzeug. Eine Flugreise entspricht einer Belastung fürs Herz vergleichbar einem Aufenthalt in einer Höhe von 2000-2500 m.ü.M.