GRUPPENBILD MIT DAMEN
Autorinnen zum Wiederentdecken
26. September - 24. November 2013
1977 verkündete Alfred Andersch überzeugt, dass in der Literatur die Frau “vollständige Gleichberechtigung erlangt” habe. “Es gibt heute ebenso viele bekannte Schriftstellerinnen wie Schriftsteller. Jedenfalls kann von Chancen-Ungleichheit nicht im Ernst gesprochen werden.“
Das hätte er noch zu Zeiten der Gruppe 47 trotz der beiden Preisträgerinnen Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann so wohl nicht formuliert.
Wie aber passen Chancen-Gleichheit und das „Fräuleinwunder“ zusammen? Ein Literaturkritiker hat das Schlagwort aus den 1950er Jahren kurz vor der Jahrtausendwende wieder ausgegraben und es hat über Nacht alle Feuilletons erobert. Dabei haben genau um 1990 junge Autorinnen und Autoren zum ersten Mal recht einträchtig die Bühne des Literaturbetriebs betreten – zahlenmäßig und auch, was die Selbstpräsentation betrifft. Noch nie vorher gab es neben kessen Werbefotos von Autorinnen so viel erotisch aufgeladenes Bildmaterial ihrer männlichen Kollegen.
Die Ausstellung untersucht die Traditionen in der Wahrnehmung von Literatur aus weiblicher Hand, von Sophie von La Roche oder Louise Colet bis zu Marieluise Fleisser oder Marlen Haushofer. War früher der Begriff „Trivialliteratur“ rasch zur Hand, so wurde später die gutgemeinte Kategorie „Frauenliteratur“ eingeführt, die es ebenso erlaubt, Literatur von Autorinnen in eine gesonderte Schublade abzulegen, wo sie leicht vergessen wird.
Die Ausstellung der Wiener Kuratorin Evelyne Polt-Heinzl und des Gestalters Peter Karlhuber fragt in 30 Stationen nach den Ursachen, die Schriftstellerinnen den Eintritt in den Literaturbetrieb erschwert, nach Denkschablonen und Wahrnehmungsmustern, die den Blick auf ihre Werke prägen. Sichtbar wird so auch, mit welchen Strategien Frauen immer wieder den literarischen Raum für sich erobert haben. Im literarischen Kanon freilich sind viele dieser Autorinnen noch nicht verankert. Die Ausstellung kartografiert so auch einige weisse Flecken unseres literarischen Gedächtnisses und weist auf Werke hin, deren Bewertung vielleicht einer Revision bedarf.
Ein ‚investigativ‘ angelegter Ariadnefaden konfrontiert die Besucherinnen und Besucher mit überraschenden Zugängen und unerwarteten Fragestellungen, wie:
Was machen Autorinnen beim kollektiven Bordellbesuch? | Satire – Kein Metier für Frauen? | Nur eine Poetin? | Sprachwitz oder Ungeschick? | Die Musen selbst sind ungeküsst – Wie aber kommen Autorinnen zum Musenkuss? | Frauen bekommen den Stift schwer zu fassen | Frauen finden kein „sujet à aimer“ | Ein Thema – Er und Sie | Der erste Mann – Die erste Frau | Die vergessene Gattin | Der grosse Romanwurf | Eintrittsbillet in den Kanon? | Wenn zwei das Gleiche tun … | Radikalität ehrt nicht immer | Das fehlende Bild des Menschen als jinge Frau | Frauentexte als Beispielsätze | Wie Literaturgeschichte Schubladen schafft |
Weitere Informationen
Einen schnörkeligen Ariadnefaden entlang präsentiert uns die Ausstellung die Ressentiments und Verniedlichungsstrategien, mit denen Autorinnen gern an den Rand des Literaturbetriebes geschoben wurden - aber auch das, was die schreibenden Frauen ihnen entgegenzusetzen haben: trotzige Selbststilisierung als Landpomeranze im Fall von Marieluise Fleisser oder ein wild-exzentrisches Auftreten bei Else Lasker-Schüler.
All das präsentiert die von Peter Karlhuber als eigentliches Kunstwerk gestaltete Ausstellung mit irrwitzig verspieltem Flair. (Christine Lötscher)
Betritt man das Altstadthaus an der Augustinergasse, ist alles ganz einfach. Man muss nur dem Faden von Ariadne folgen. In zierlichen Windungen schlängelt sich der Faden durch die bunten Ausstellungsräume, verdichtet sich zu einem riesigen sprechenden Knäuel und formt am Ende eine gehäkelte Spitzendecke. (...) "Gruppenbild mit Damen" sprüht vor Phantasie und Witz. Da gibt es ein überdimensioniertes geschnürtes Mieder, das man betreten kann und in dessen Innerem die neun Musen zum Staubsauger greifen und die Musenanrufe Homers und anderer Männer einsaugen. Oder man darf für einmal den Männern auf den Schlips treten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. (Martina Läubli)