Bücherhimmel - Bücherhöllen
Lesen & Sammeln zwischen Lust & Wahn
19. September - 25. November 2012
„Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.“ (Jorge Luis Borges)
Bücher sind leidenschaftliche Verführer. Eine packende Lektüre, eine reich bestellte Bibliothek, exquisite Editionen lassen das Herz des Bibliophilen höher schlagen.
Im Lesen und Büchersammeln steckt aber auch der Keim zur regellosen Sucht. Für die eigene Bücherliebhaberei hat der Pariser Arzt Guy Patin 1654 den Begriff der „Bibliomanie“ geprägt, frei nach einer berühmten Sentenz des Erasmus von Rotterdam: „Der Umgang mit Büchern führt zum Wahnsinn“.
Mögen die Grenzen zwischen Begehren und Tollheit fliessend sein, die Leidenschaft für Bücher besitzt eine Faszination, die schon immer auch Abwehr und Widerspruch erzeugt hat. Von alters her werden Bücher als Überbringer von religiösen, politischen oder moralischen Botschaften zensiert und vernichtet, ihre Urheber verfolgt und inhaftiert.
In diesem Spannungsfeld erzählt die Ausstellung Geschichten über die Seligkeit des Lesens, den Triumph des Wissens, die Lust des Büchermachens oder den Wahn des Sammlers.
Sie geht nicht historisch vor, sondern lässt die Besucherinnen und Besucher assoziativ durch Räume und Themen wandeln.
Sie begegnen dabei verzückten Lesenden und in Harnisch geratenden Kritikern, verschachtelten Textwelten und labyrinthischen Bibliotheken, Porträts von Bibliophilen und Bibliomanen, dem Giftschrank der Zensur, Büchern in Form von Würsten und Asche, ja sogar einem leibhaftigen Bücherfreak.
Und auf der Schwelle des digitalen Zeitalters fragt die Ausstellung, wozu Bücher in Zukunft noch taugen, wenn die Welt im Internet als scheinbar unendlicher Text vermeintlich frei und allgegenwärtig betreten werden kann.
Bibliomanie (griech.: biblion = Buch + mania = Wahn), übersteigerte Leidenschaft für Bücher, die Kennzeichen einer Sucht aufweist.
Erstmals taucht der Begriff Bibliomanie in zwei Briefen aus der Feder des Pariser Arztes und Bibliophilen Guy Patin auf.
Im zweiten Brief vom 11. Januar 1655 bittet er seinen Kollegen Charles Spon um ein Buch von einem „gelehrten Mann aus Zürich, Joh. Heinr. Hottingerus mit Namen“ und fügt an:
„Verzeihen Sie mir so viele Zudringlichkeiten, die ich Ihnen wegen meiner Bibliomania mache, diese ist ein Übel, von dem ich dieses Jahr nicht geheilt werde, denn mir bleibt zu wenig Zeit dafür; vielleicht werde ich mich diesbezüglich im nächsten Jahr bessern“.
Weitere Informationen
"Da liegen sie nun scheinheilig in der Vitrine und tun so, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Beat Mazenauer, Kurator der Schau, erzählt Geschichten über Bücher, über das Lesen und seine Wirkung. Das ist, angesichts der Fülle möglicher Ansätze, natürlich ein hoffnungslos beliebiges Unterfangen. Die Auswahl jedoch, die der Kurator getroffen hat, ist sowohl nachvollziehbar als vermutlich auch repräsentativ.
(...) Die Ausstellungsmacher haben sämtliche Register der Szenografie gezogen, um die Lebendigkeit des Mediums Buch zu vermitteln. In einem von Peter Volkart gestalteten Bühnenbild ist sogar ein lebendiger, waschechter Büchernarr ausgestellt: Max Christian Graeff arbeitet mit den Besuchern an einem Archiv, in dem Geschichten gesammelt werden, die sich um die Leidenschaft für Bücher ranken." Mehr...
Urs Steiner, Neue Zürcher Zeitung, 20.9.2012
"Vom Sammeln und Lesen, von Leidenschaft,Verführung und Suchtgefahr erzählt die Ausstellung. Das tut sie ohne Chaos und den obligaten Papier und Schimmelgeruch. Bevor man ganz am Ende des Parcours in den Übergangsraum tritt, wo die Buchkultur in der grossen virtuellen Bibliothek aufgeht, wird die Bücherhölle mit all ihren physischen und psychischen Gefahren inszeniert. (…)Ansonsten lebt die Ausstellung von Luft und Licht. (…) Souverän wählt Mazenauer Schwerpunkte aus der überbordend dokumentierten Geschichte des Buches und des Lesens aus, was die Gestalter Andreas Hertach und Anna Luchs grosszügig umsetzen. (..) Wofür man die Ausstellung nicht genug rühmen kann: dass sie jede Form von kulturpessimistischem Gejammer über den Untergang der Buchkultur aussen vor lässt."
Christine Lötscher, Tages-Anzeiger, 25.9.2012