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Das Universum im Treppenhaus

Mit der Eröffnung des soeben instand gesetzten Schulhauses Kern ist nun auch das mehrteilige Kunst-und-Bau-Werk «Universum» von Stefan Burger zu sehen. Drei Lampenobjekte und eine Bildwand sind im zentralen Treppenhaus situiert.

Glasbild im Treppenhaus

Das Werk reagiert über vielfältige Bezüge auf den vorgefundenen, denkmalgeschützten, instand gesetzten Schulbau. Und gleichzeitig agiert die Arbeit als eigenständiges Kunstwerk vielschichtig und tiefgründig mit Leichtigkeit, Witz und Poesie. Mit skulpturalen und bildnerischen Mitteln sowie unter dem Einsatz von Sprachspielen umkreist das Werk die philosophische Frage, wie es um das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft, von Mensch und Welt, bestellt ist.

Licht-Loch

Ein Leuchter ohne Licht – ein Loch im Universum.
Ein Leuchter ohne Licht – ein Loch im Universum.

Schon bevor man das Schulhaus betritt, erkennt man durch das Oberlicht des Eingangsportals die einem Kronleuchter ähnliche Lampenkonstruktion. Das scheinbar schmiedeeiserne Objekt fügt sich stimmig in die historistische Formensprache und spricht doch in einem gänzlich anderen Idiom. Der als Bronzeguss gefertigte Leuchter zeigt an einem rustikalen Ringband eine wie von Kinderhand geknetete Buchstabenfolge. In einem Endlosrund ist zu lesen: «Loch im Universum im...». Setzt man an einem neuen Wort an, verschiebt sich die Wortfolge, und das Universum implodiert im Loch, das Loch weitet sich zum Universum. Steht man unter dem Leuchter im Rund, liest man den Text seitenverkehrt und rückwärts. Dabei kann sich das «seltsame Bewusstsein [einstellen], dass ich der Nabel des Universums sowohl bin als auch nicht bin»¹, wie es der amerikanische Philosoph Thomas Nagel formuliert. Anders gesagt: Im Denken kann man sich mit einem beobachtenden Blick von der Welt distanzieren und sich doch gleichzeitig als Teil von ihr empfinden. Im Wechselspiel von subjektiver und objektiver Perspektive ist es möglich, grenzenlos in das eigene Innere einzutauchen und sich in der Unendlichkeit des Universums zu verlieren.

Auf dem Weg durch das Treppenhaus nimmt der nächste Leuchter das Thema auf: In separaten Glasstürzen geschützt und getrennt leuchten orangegelbe Personalpronomina – konjugiert im Singular und begleitet von einem ebenfalls als Leuchtobjekt gestalteten hochskalierten «Reiseführer zum Mond».

Oben angelangt, halten zwei buchstäbliche Lampenfüsse gerade noch das Gleichgewicht auf dem hölzernen Treppengeländer, während «Jeder Würfelwurf, jede Falte im Universum» als Lichtschrift durch die Ausstanzungen des Lampenschirms leuchtet.

 

Ich, du, er, sie, es reisen mit Nagels Führer mondwärts.
Ich, du, er, sie, es reisen mit Nagels Führer mondwärts.

  

Hier ist auch eine der beiden Treppenhauswände über die gesamte Fläche als fotobasierte Glasbildwand² gestaltet. Ist das Wandbild auch Teil der Architektur, löst es doch gleichzeitig die Wand auf, weitet den Raum und führt ihn weiter. Mit seinem lichten Gelb fügt sich die Arbeit in das architektonische Farbkonzept. Aber die Farbe intensiviert und verselbständigt sich und macht so ganz grundlegend auf die Wahrnehmung des Lichtes aufmerksam und auf dessen motivische Bedeutung in der Werkgruppe.

Anstösse für Weltentwürfe

«Stefan Burgers Leuchtkörper erzeugen ein Gedeihklima für kindliche und erwachsene Weltentwürfe. Gerade die teils linkisch wirkenden Bronzeobjekte entfalten eine erkenntnismässige Sogwirkung. Eine individuelle Bedeutung erschliesst sich Kindern womöglich erst über Jahre hinweg – doch kann man sich bestens vorstellen, wie die Arbeit unwillkürlich Vermutungen über ihre «Schwere» – im buchstäblichen und im übertragenen Sinn – auslöst», schreibt Clemens Krümmel in der Publikation, die zu Stefan Burgers Werk erscheint.³ Und fährt fort, dass die Arbeit «so in die subtile und spielerische Wort- und Bildfalle lockt, die der Künstler über das Beziehungsgeflecht der Lichtgrammatik im gesamten Treppenhaus aufgestellt und aufgespannt hat».

Text: Kristin Bauer
Fotos: Stefan Burger

Eine Lampe leuchtet in prekärer Balance.
Eine Lampe leuchtet in prekärer Balance.

  

1 Das Zitat des amerikanischen Philosophen Thomas Nagel stellte Stefan Burger seinem Entwurf voran.

2 In einem früheren Entwurf waren noch beide Wände in einer Gestaltung mit Keramikplatten vorgesehen. Vgl. Vom Ich im Universum 
 
3 Clemens Krümmel, in: «Universum», Kunst und Bau Schule Kern, Künstlerpublikation, Zürich, 2018. Die im Zusammenhang des Kunst-und-Bau-Werks «Universum» von Stefan Burger für die Schule Kern entstandene Künstlerpublikation kann hier bezogen werden: Publikationen AHB

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