Pflege und Unterhalt
Jede Restaurierung ist ein Einzelfall
Über den Unterhalt der Kunst-und-Bau-Werke
Kunst und Bau hat seit 1908 eine feste Tradition in der Stadt Zürich. Heute betreut die Fachstelle Kunst und Bau des Amts für Hochbauten rund 930 Werke. Jährlich kommen drei bis sieben neue Werke hinzu. Diese befinden sich in Schulanlagen, Gesundheitszentren für das Alter, Verwaltungsgebäuden, Spitälern, Wohnsiedlungen oder anderswo. Alexander Ritter, der verantwortliche Projektleiter für die Bewirtschaftung, gibt Auskunft über seine vielseitige Tätigkeit.
GINA BUCHER: Sie sind für die Bewirtschaftung zuständig: Wie wird Kunst «bewirtschaftet»?
ALEXANDER RITTER: Tatsächlich hatte ich anfangs Mühe mit diesem Begriff, unterdessen finde ich ihn treffend: Sobald die Fachstelle ein neues Kunst-und-Bau-Projekt fertiggestellt, vermittelt und der Eigentümervertretung übergeben hat, bin ich für das Kunstwerk zuständig, d.h. für dessen Inventarisierung, Unterhalt und Pflege. Das Werk wird zuerst umfangreich dokumentiert – unterdessen ausschliesslich digital: Mit Bildern, technischen Unterlagen, Verträgen, Pflegemanualen usw. Die Fresken von Paul Bodmer im Fraumünster Kreuzgang etwa wurden seit ihrer Entstehung immer wieder restauriert. Jetzt kartieren wir dieses Werk systematisch digital und erschliessen die verstreuten Quellen, damit man bei zukünftigen Restaurierungen darauf aufbauen kann.
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, dass ein Werk restauriert werden muss?
Da unter den städtischen Kunst-und-Bau-Werken die verschiedensten Kunstgattungen von Bauplastik, Wandmalerei bis hin zu Neuen Medien und LED-Arbeiten vertreten sind, gibt es keine Standardlösungen. Jedes Werk ist ein Einzelfall. Letztlich entscheide ich anhand meiner Berufserfahrung und der Beurteilung beigezogener Fachleute sowie des künstlerischen Œuvre und dessen Bedeutung für das kulturelle Erbe der Stadt. Grundsätzlich gilt: Einfache Massnahmen und solche, die für den unmittelbaren Erhalt des Werks zwingend notwendig sind, werden immer sofort ergriffen. Kostenintensivere Instandsetzungen versuchen wir über ein anstehendes Bauprojekt abzuwickeln. Genauso umgekehrt: Bei Umbauten wird immer geklärt, ob Kunstwerke vor Ort sind, die restauriert werden müssen. Manchmal kann man gut fünf Jahre warten, manchmal nicht. Eine sorgfältige Ausführungsplanung und Pflegekonzepte haben da entscheidenden Einfluss: Zwar müssen Kunstwerke regelmässig restauriert und instandgesetzt werden, aber wenn man sie von Beginn weg gut plant und dann unterhält, sind die Folgekosten geringer. Dafür müssen die Verantwortlichen sensibilisiert werden.
Was macht eine nachhaltige Planung von Kunst aus?
Ein gutes Beispiel ist die Freiplastik von Rolf Flachsmann im Schulhaus Vogtsrain. Alle inneren Verstrebungen sind aus Chromstahl, und die glasfaserverstärkten Kunststoffteile wurden in einer erstklassigen Qualität hergestellt. Für den Restaurator ein grosses Glück: Er traf auf ein Werk in solidem Originalzustand, musste es lediglich reinigen und überzog es mit einem Schutzwachs, damit die Farbe weiterhin lange hält. Damit kann das Werk in seinem Originalzustand noch lange Zeit erhalten werden – vorausgesetzt es wird regelmässig gepflegt, sprich die Schutzwachsschicht wird erneuert. Der Liegenschaftsverantwortliche nimmt damit zwar einen teureren Unterhalt in Kauf, weiss aber, dass es sich bei der nächsten Restaurierung auszahlen wird.
Wie ermitteln Sie den Wert eines Werks?
Basis bilden natürlich die Entstehungskosten. Doch anders als beispielsweise Werke von Museen haben viele Kunst-und-Bau-Arbeiten keinen eigentlichen Marktwert. Sie sind aber ein bedeutsamer Teil des kulturellen und gesellschaftlichen Erbes dieser Stadt, das es zu bewahren gilt: Sie widerspiegeln den Zeitgeist einer Epoche, geben Auskunft über künstlerische Entwicklungen, reflektieren gesellschaftliche Veränderungen und befragen die Architektur oder den städtischen Kontext. Der Wert dieser Werke liegt auch in den Erfahrungen, die wir mit ihnen machen können.
Wer wird bei den Instandsetzungen involviert?
Die Kunstschaffenden – sofern sie noch leben – oder deren Rechtsnachfolge werden bei grösseren Instandsetzungen immer beigezogen oder zumindest informiert. Ausgeführt werden diese je nach Situation von einem Restaurator oder einer Restauratorin für Malerei, Plastik, Kunststein, Kunststoff, Neue Medien o.a. Bei denkmalgeschützten Bauten, wie der Schulanlage Loogarten, arbeiteten wir eng mit der Denkmalpflege zusammen. Da es sich bei der grossflächigen Malerei an der Fassade um eine konzeptuelle Arbeit von Hans Hunold aus den 70er-Jahren handelte, wurde das Werk fotografisch genauestens erfasst und die Malerei nach der Betonsanierung von Flachmalern neu aufgetragen und nicht, wie bei einer vom Künstler selbst ausgeführten Malerei, restauriert.
Die Lichtinstallation von Olaf Nicolai im Lochergut hat neu die Datierung 2006/2016: Warum?
Gerade digitale Techniken unterliegen immer kürzeren Halbwertszeiten. Die Lichtinstallation im Lochergut konzipierte Olaf Nicolai 2006 mit der ersten Generation LED. Die gesamte Elektrotechnik und Programmierung wurde nun in diesem Jahr grundlegend erneuert und unter Einbezug des Künstlers mit der neuesten Generation LEDs bestückt, d.h. die Arbeit leuchtet nun in ganz andern, viel bunteren Farben und ist somit auch ein etwas anderes Kunstwerk. Deshalb die beiden Jahreszahlen.
Wie werden die Kunst-und-Bau-Werke von den Menschen vor Ort aufgenommen?
Es kommt immer wieder vor, dass die Zuständigen vor Ort nicht wissen, dass sie hier oder dort Kunst beim Gebäude haben. Dann sensibilisieren wir die Leitung Hausdienst und Technik, Lehrkräfte oder Liegenschaftsvertreterinnen, indem wir ihnen Informationen zum Werk zur Verfügung stellen und das Kunstwerk näher erläutern. Wichtig ist, dass eine Beziehung zum Werk entsteht und Personen vor Ort eine Art «Göttifunktion» übernehmen. Denn so steigt die Bereitschaft, dieses zu hegen und zu pflegen. Eine meiner schönsten Erfahrungen diesbezüglich ist ein Brunnen aus den 70er-Jahren von Peter Meister beim Gesundheitszentrum für das Alter Oberstrass. Weil er offenbar nie gewartet wurde und leckte, wurde das Becken mit Kies gefüllt. Die entsprechend drängendste Frage an mich war: «Wann können wir diesen Brunnen endlich demontieren?» Doch ein Kunst-und-Bau-Werk kann man nicht einfach abräumen, wenn es nicht mehr gefällt. Mit vereinten Kräften gelang es mir, alle Beteiligten zu überzeugen, die hohen Kosten für eine Restaurierung zu akzeptieren. Als der Restaurator nach getaner Arbeit statt des verschmutzten, unbeliebten Brunnens einen herrlich schönen Carrara Marmor Brunnen enthüllte, kippte die Stimmung: Die Leitung des Gesundheitszentrums für das Alter initiierte mit den Bewohnerinnen und Bewohner ein «Brunnenfest». Und seither möchten diese und das Quartier den Brunnen nicht mehr missen.
Interview: Gina Bucher