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Ein Tag im Leben von Prof. Matthias Becker

Prof. Matthias Becker ist Chefarzt der Augenklinik am Stadtspital Zürich Triemli. Im Beitrag erzählt er, warum ihn das Auge an ein Kunstmuseum erinnert, wieso er ein Leben lang einen ganz speziellen Bezug zum Pflegepersonal haben wird und was ihn besonders geprägt hat.

Es ist 5.20 Uhr und mein Wecker klingelt. Während dem ich einen Kaffee geniesse, organisiere ich mich schon einmal grob, indem ich meine Agenda für den heutigen Tag durchgehe. Hektik am Morgen ist nichts für mich, deshalb bevorzuge ich es, etwas früher aufzustehen und dadurch entspannt in den Tag zu starten. Es folgt das morgendliche Frühstück mit meiner Frau, bevor ich gegen 6.30 Uhr zur Arbeit losfahre.  

Operation netzhautablösung
Prof. Becker bei einer Augenoperation

Im Triemli angekommen begrüsst mich meine Assistentin mit einem kurzen Briefing über den Tagesverlauf. Sie ist ein grosses Organisationstalent und einfach ein toller Mensch. Ich schätze sie sehr. Auf dem heutigen Programm steht als erstes eine Netzhautoperation. Der Patient kam gestern Abend in unsere Klinik und klagte über eine plötzliche Sehverschlechterung auf dem linken Auge. Die Untersuchung bestätigt meine Vermutung: es handelte sich um eine Netzhautablösung, die rasch operiert werden muss. Nachdem ich gestern dem Patienten vorsichtig die Diagnose überbrachte, spürte ich seinen grossen Respekt vor der Operation. Seine Reaktion war verständlich, schliesslich geht es um sein Augenlicht. In einem ausführlichen Patientengespräch erklärte ich ihm alles rund um die Operation und um den Heilungsverlauf. Dabei ging ich ausführlich auf seine Fragen ein.

Kurz vor der Operation spreche ich mit dem Pflegeteam im Operationssaal meine strategischen Überlegungen für die Operation und die geplante Abfolge der Operationsschritte durch. Wir sind ein seit vielen Jahren hervorragend eingespieltes Team, auf das ich mich während den komplexen Operationen hundertprozentig verlassen kann. Die Operation verläuft nach Plan. Es folgen noch einige weitere Netzhaut- und Graue-Star-Operationen, die bis zum Mittag andauern. Heute schaffe ich es endlich auch, ein Mittagessen mit meinen Mitarbeitenden aus dem Ärzteteam und aus dem nicht-ärztlichen Bereich im Triemli-Restaurant einzunehmen. Wir sprechen unter anderem auch über private Themen – schliesslich gibt es auch ein Leben ausserhalb des Klinikalltags. Der Umgang im Team ist sehr familiär, das schätze ich ganz besonders. 

Die Augenheilkunde und die Mikrochirurgie haben mich schon früh in ihren Bann gezogen. Das Auge gehört zu unseren wichtigsten Sinnesorganen. Ich vergleiche es oft mit einem Kunstmuseum, in dem ich schöne Gemälde bestaune. Genau diese Ästhetik und Vielfalt findet sich in jedem Auge wieder und fasziniert mich bei jeder Augenuntersuchung oder Operation aufs Neue. Hinzu kommt, dass das Auge wertvolle Einblicke in die Gesundheit eines Menschen gewährt. So finden wir zum Beispiel nicht selten erste Hinweise auf einen Diabetes oder auf rheumatologische Erkrankungen. Aus diesem Grund arbeiten wir in unserem interdisziplinären Augenzentrum eng mit anderen Fachbereichen zusammen. Diese Schnittstellen sind für mich ganz besonders spannend. Die Augenheilkunde ist eben sehr viel mehr als Brillen verschreiben und «Tröpflimedizin».

Weiterbildung Prof. Becker
Prof. Becker bei einem externen Referat

Meine Nachmittage sind gefüllt mit Sprechstunde und verschiedenen Meetings. Heute steht um 17 Uhr noch eine Weiterbildung in unserem Team an. Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass wir in der Augenklinik am Standort Triemli die neusten Operationstechniken und den aktuellen Stand des medizinischen Wissens anbieten können. Dies ist nur durch lebenslanges Lernen und mit einem ständigen Verbesserungsprozess möglich. Dazu gehört auch, dass wir an unserer Klinik ein eigenes Forschungszentrum haben. Antworten auf Fragen nach dem «Warum?» und «Wie können wir noch besser werden?» dürfen im Alltag nicht zu kurz kommen und können so im Rahmen von verschiedenen Forschungsprojekten beleuchtet werden. Ein grossartiges Studienteam begleitet uns in dieser Tätigkeit.

Im Anschluss arbeite ich an der Strategie-Entwicklung der Augenklinik weiter. Besonders liegt mir die wertvolle Zusammenarbeit mit dem Spital Zollikerberg am Herzen, die seit rund einem Jahr besteht. Dadurch profitieren auch Patient*innen auf der anderen Stadtseite von unserem Angebot.

Zuhause angekommen begrüsst mich als erstes unser Hund Moritz, der schwanzwedelnd an der Türe auf mich wartet. Moritz ist ein Mischlingsrüde, den wir vor sechs Jahren aus einem Tierheim in Spanien vor dem Einschläfern gerettet und dann adoptiert haben. Mittlerweile ist auch meine Frau aus ihrer physiotherapeutischen Praxis eingetroffen. Wir lernten uns vor 35 Jahren während eines Pflegepraktikums in einem Zentrum für querschnittgelähmte Patient*innen kennen.

Bevor ich mit dem Medizinstudium startete, war es mir ein grosses Anliegen, das Handwerk der Grundpflege zu verstehen und so viele praktische Erfahrungen und Einblicke wie nur möglich zu sammeln. Als unerfahrener Schulabgänger war ich erschüttert zu sehen, wie schnell sich die Lebenssituation eines Menschen ändern kann. Während des Einsatzes habe ich gleichaltrigen Personen, die nach schweren Unfällen plötzlich im Rollstuhl sassen, Essen gereicht, sie gewaschen und gepflegt. Diese Erfahrungen haben mich nicht nur menschlich, sondern auch beruflich sehr geprägt. Ich habe gelernt, was es bedeutet, in der Grundpflege tätig zu sein und welche enorme Leistung die Pflegenden tagtäglich erbringen. Auch heute habe ich immer noch einen ganz besonderen Kontakt zu unserem Pflegepersonal.

Auf einem Segeltörn
Auf einem Segeltörn

Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie ist mir sehr wichtig.
Meine Frau und ich bereiten das Abendessen zusammen mit unseren drei Söhnen vor. Ich bin ein Familienmensch und schätze die seltenen Momente, an denen die ganze Familie zusammenkommt. Unsere Kinder sind aufgrund ihrer Ausbildung in ganz Europa verteilt. Da aktuell Semesterferien sind, besuchen sie uns für ein paar Tage in der Schweiz. Wir möchten die gemeinsame Zeit in vollen Zügen geniessen und schmieden während des Abendessens Pläne für das kommende Wochenende. Angedacht sind eine Wandertour in die benachbarte Mythenregion oder ein Segeltörn auf dem Zürichsee.

 

Prof. Becker mit Moritz Hund
Beim Spazieren mit Hund Moritz

Es ist knapp 22 Uhr und ich gehe mit Moritz Gassi. In der Natur reflektiere ich den vergangenen Tag und bin aufs Neue dankbar, meiner Augenheilkunde-Passion nachgehen zu können.

Dass mir mein Arbeitgeber, das Stadtspital Zürich, so viel Vertrauen schenkt, bedeutet mir viel. Er lässt mir alle Freiheiten, chirurgisch, wissenschaftlich, aber auch strategisch arbeiten zu können. Das ist nicht selbstverständlich heutzutage! 

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