«Ich hoffe auf mehr Normalität»
Die Pflegefachpersonen des Stadtspitals Waid und Triemli haben seit dem letzten Herbst oft in langen Schichten um die Leben von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 gekämpft. Was denken sie über diese schwere Zeit? Wie gingen sie mit den vielen Todesfällen um? Wir haben zwei Pflegefachfrauen befragt.
Was hat Ihnen im vergangenen Pandemie-Winter am meisten zu schaffen gemacht?
Valentina Villiger: Dieser Winter war für mich die anspruchsvollste Zeit seit meiner Ausbildung in der Pflege. Jeder Arbeitstag vollgepackt und kein Ende in Sicht – im Gegensatz zum Frühling 2020 mit vollem Lockdown. Der Anspruch, die Pflegequalität so hoch zu halten wie zuvor, zeigte sich als nicht erfüllbar. Ich ging oft mit einem schlechten Gewissen nach Hause. Dies war sehr ermüdend. Wir mussten unsere Ansprüche reduzieren. Die Hoffnung auf Besserung und mein privates Umfeld haben mich unterstützt in dieser schweren Zeit.
Angela von Achenbach: Am meisten fehlte mir der Ausgleich zum Alltag im Spital. Im Gegensatz zum letzten Frühling waren Treffen bis zu maximal fünf Personen zwar möglich. Ich sah mich jedoch aufgrund der häufigen Exposition zu COVID-Patienten als Risiko für meine Familie und Freunde.
Was gab Ihnen Kraft?
von Achenbach: Jeder Patient, den wir nach langer und intensiver Behandlung aus dem Spital entlassen konnten, war ein Erfolgserlebnis. Solche Momente motivierten mich, die zuweilen intensive Arbeit weiterzuführen.
Villiger: Es hat mich gefreut, dass die Infektionszahlen im Februar wieder gesunken sind und auch etwas mehr Normalität auf die Intensivstation zurückkehrte, vor allem für uns als Team. Dies brachte Erleichterung und neue Energie.
Was erachten Sie als die grössten Unterschiede zu einem «normalen» Winter?
von Achenbach: Sicherlich waren die intensivierten Isolationsmassnahmen eine grosse Herausforderung. Die COVID-Patienten befinden sich in einer speziellen Zone, die nur mit Schutzbekleidung betreten werden darf. Das führt oft zu logistischen Herausforderungen, etwa bei nötigem Material oder Transporten. Ein weiterer Unterschied war die grosse Zahl an Patienten mit demselben Krankheitsbild. In einem «normalen» Winter ist die Diversität an Erkrankungen sicherlich grösser.
Villiger: Der grösste Unterschied war, dass wir mehr Patientinnen und Patienten betreuten. Sie erkrankten viel schwerer als im letzten Winter. Das nahm ich auch bei Nicht-COVID-Patienten wahr. Wir sahen selten freie Betten, auch nicht über die Festtage. Täglich musste zusätzliches Personal gesucht werden.
Wie haben Sie es geschafft, mit den wegen COVID-19 häufigeren Todesfällen umzugehen?
von Achenbach: Ich denke, dass wir auf der Inneren Medizin grundsätzlich gewohnt sind, mit Todesfällen umzugehen. Neu bei COVID war, dass es keinerlei therapeutische Ansätze gab. So mussten wir uns auf eine symptomlindernde Behandlung beschränken. Durch den Zusammenhalt im gesamten Behandlungsteam und durch den Austausch mit Arbeitskolleginnen und -kollegen sowie mit meinem privaten Umfeld konnte ich jeweils etwas Distanz gewinnen und Erlebtes gut verarbeiten.
Villiger: Wir haben belastende Momente oft im Team besprochen und uns nach Feierabend weiter ausgetauscht. Tröstende Worte und Ermutigungen machen es erträglicher. Privat habe ich oft mit meinen Schwestern geredet, die auch in der Pflege tätig sind. Sie konnten mich gut auffangen und die Situation verstehen. In meiner Freizeit unternahm ich viel an der frischen Luft oder ich las auch mal ein Buch zum Abschalten.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Monate?
von Achenbach: Ich erhoffe mir durch die Impfungen ab diesem Sommer einen deutlichen Rückgang von schwer verlaufenden, hospitalisationsbedürftigen SARS-CoV-2-Infektionen. Wichtig scheint mir auch, dass wieder Normalität einkehrt – als Ausgleich für die teilweise sehr anstrengende und emotional belastende Arbeit.
Villiger: Für den Sommer hoffe ich ebenfalls auf etwas mehr Normalität und dass sich bald möglichst viele impfen lassen können. Für die Arbeit würde ich mir wünschen, dass wir weiterhin die Qualität gewährleisten können, wie wir es gewohnt sind. Auch, dass die Ausbildung für die Studierenden wieder wie vor der Pandemie abläuft, damit bald viele junge, motivierte Pflegefachleute für diesen schönen Beruf dazukommen.