Die Kraft des Nordens
Zehntausende Kunstinteressierte aus dem In- und Ausland besuchten NEUER NORDEN ZÜRICH. 41 Künstlerinnen und Künstler hatten sich mit der rasanten Transformation der von der Einhausung betroffenen Quartiere befasst. Komplett ausgebuchte Führungen, ein erfolgreiches Rahmenprogramm, grosse Medienresonanz und Schenkungen sind die positive Bilanz dieses Zürcher Festivals für Kunst im öffentlichen Raum, das über die Sommermonate in Schwamendingen, Oerlikon und Seebach stattfand.
![Tina Braegger, «The Other Dream Team», 5 Leuchtboxen (Acrylglas, Aluminium, LED-Leuchtmittel-laminierter Digitaldruck), Saatlenstrasse 100, Zürich. © Peter Baracchi / Stadt Zürich KiöR («Neuer Norden Zürich»). Courtesy of the artist und Weiss Falk, Basel. Tina Braegger, «The Other Dream Team», 5 Leuchtboxen (Acrylglas, Aluminium, LED-Leuchtmittel-laminierter Digitaldruck), Saatlenstrasse 100, Zürich. © Peter Baracchi / Stadt Zürich KiöR («Neuer Norden Zürich»). Courtesy of the artist und Weiss Falk, Basel.](/content/ted/de/index/oeffentlicher_raum/kunst_oeffentlicher_raum/vermitteln_verbuenden/newsletter/artikel_kn_4_2018/_jcr_content/mainparsys/graphic/image.1752.jpg/1540478079533.jpg)
Wer mit dem Auto von der Zürcher Innenstadt in Richtung Norden fährt, durchquert in Schwamendingen momentan ein verwüstetes Gebiet. Links und rechts des Autobahnzubringers, dort, wo bislang Wohnhäuser und Lärmschutzmauern standen, zieht sich ein breiter Streifen von Baugruben, Abrissliegenschaften, Baggern, Kränen und Bauschutt hin. Täglich durchqueren rund 100 000 Fahrzeuge diese unwirtliche Zone, wo sich einer der grössten baulichen Eingriffe ankündigt, den die Stadt Zürich je gesehen hat: die «Einhausung Schwamendingen».
Wandel des Lebensraums
Dieses Zwischenstadium in der städtischen Entwicklung bot viele thematische Ansätze für künstlerische Interventionen. Teils sehr namhafte Künstlerinnen und Künstler erarbeiteten für NEUER NORDEN ZÜRICH denn auch spezifische Kunstprojekte, um die Transformation des städtischen Lebensraums zu kommentieren und zu reflektieren. Schafweiden dienten als Rahmen für Steinskulpturen (John Giorno); Wandmalereien wurden in Unterführungen appliziert (Lawrence Weiner); kunst-archäologische Not-Grabungen in leerstehenden Kellergeschossen durchgeführt (Isabelle Cornaro); Lichtskulpturen auf Abbruchliegenschaften platziert (Tina Brägger); leerstehende Quartierläden umgenutzt (Daniel Knorr); Bronzeskulpturen auf Tramhäuschen gebunden (Katinka Bock); Parkplatzflächen mit «streetpaintings» aktualisiert (Raphael Hefti); Privatgärten als Standort für neue Denkmale recherchiert (Rémy Markowitsch) und Schulhaus-Pausenplätze für partizipative Kunstwerke aktiviert (Irene und Christine Hohenbüchler).
![Alu sammeln und daraus eine Glocke giessen: Das Projekt von Baltensperger + Siepert im Hunziker-Areal stiess auf viel Resonanz. Alu sammeln und daraus eine Glocke giessen: Das Projekt von Baltensperger + Siepert im Hunziker-Areal stiess auf viel Resonanz.](/content/ted/de/index/oeffentlicher_raum/kunst_oeffentlicher_raum/vermitteln_verbuenden/newsletter/artikel_kn_4_2018/_jcr_content/mainparsys/graphic_1405850435/image.1752.jpg/1540560250705.jpg)
Quartiere neu sehen
Weil die Kunstwerke an teils ungewöhnlichen Standorten platziert waren, ermöglichte die Ausstellung eine neue Wahrnehmung des Zürcher Nordens. Und durch die Reaktivierung bestehender Kunstwerke und in den Quartieren vorhandener, aber wenig beachteter Nachlässe (H.R. Giger, Bernhard Vogelsanger) entstand ein dicht verwobener Ausstellungsparcours, der die Wahrnehmung für Vergangenheit und Zukunft schärfte.
Ein ausgedehntes Vermittlungs- und Rahmenprogramm mit mehr als 100 Programmpunkten begleitete die Ausstellung, die von geschätzten 40 000–50 000 Besucherinnen und Besuchern besichtigt wurde – viele davon auch aus Zürich. In Zusammenarbeit mit dem Jungen Literaturlabor JULL und den Quartierschulen wurde zudem ein spezielles Vermittlungsprogramm für Jugendliche entwickelt.
Was bleibt
Dank privatem Engagement können voraussichtlich einige Kunstwerke längerfristig in Zürich-Nord bleiben: «Die Glocke» (Baltensperger+Siepert), «Bonded to the Point of Underneath» (Lawrence Weiner), «Der Loop» (Veronika Spierenburg) und «Ladenschluss» (Nic Hess). Damit erzeugt – wie auch schon ART AND THE CITY und ART ALTSTETTEN ALBISRIEDEN – das temporäre Ausstellungsprojekt NEUER NORDEN ZÜRICH eine nachhaltige Wirkung.
Text: Christoph Doswald
Fotos Baltensperger + Siepert:
- Sammelcontainer für «Die Glocke», 2018, Hunziker-Areal (Hagenholzstrasse 104), Zürich. © Baltensperger + Siepert / Stadt Zürich KiöR («Neuer Norden Zürich»).
- Glockenguss von «Die Glocke», 2018, Hunziker-Areal (Hagenholzstrasse 104), Zürich. © Peter Baracchi / Stadt Zürich KiöR («Neuer Norden Zürich»).
- «Die Glocke», 2018, Aluminiumguss, Hunziker-Areal (Hagenholzstrasse 104), Zürich. © Baltensperger + Siepert / Stadt Zürich KiöR («Neuer Norden Zürich»).