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Ein Geschwister bringt Veränderungen

Die Befürchtung, die Liebe und Zuwendung der Eltern zu verlieren, wenn da ein neues Geschwister ist, kann beim Erstgeborenen Verunsicherung und Eifersucht auslösen. In diesem Artikel erfahren Sie, was Ihrem Kind helfen kann, besser mit der neuen Situation umzugehen.

Geschwisterpaar

Wird ein Kind als Erstes in einer Familie geboren, geniesst es – zumindest für eine Zeit – die ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuwendung durch seine Eltern und andere Bezugspersonen. Der Fokus der Erwachsenen richtet sich voll und ganz auf das Kind.

Sobald das Geschwister da ist, merkt das Erstgeborene schnell, dass sich das gesamte Familiengefüge mit der Ankunft des Geschwisters verändert hat. Es kann sich seiner Stellung in der Familie plötzlich nicht mehr so sicher sein und erlebt dies als ein Gefühl der Verdrängung durch das Geschwister. Umgangssprachlich spricht man davon, dass sich das ältere Geschwister durch das neugeborene Geschwister «entthront» fühlt.

Das Ausmass der empfundenen «Entthronung» hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wird das Kind nicht ausreichend auf die neue Situation vorbereitet oder genoss es vor der Ankunft des Geschwisters besonders viele Privilegien, kann die Veränderung im Familiengefüge als einschneidendes Lebensereignis empfunden werden.

Umgang mit Veränderungen nach der Geburt des Geschwisters

Kinder können auf das Gefühl, von ihrem Geschwister verdrängt zu werden, ganz unterschiedlich reagieren. Oftmals ist ihr Verhalten ambivalent und wechselhaft.

Erstgeborene Kinder werden ängstlicher, suchen vermehrt die Nähe und Zärtlichkeit der Eltern. Sie können auch weinerlicher sein oder in Verhaltensmuster fallen, die üblicherweise einem jüngeren Kind oder Säugling zugeschrieben werden (will gepflegt oder getragen werden, möchte aus dem Schoppen trinken, «Babysprache» etc.).

Andererseits können Kinder auch mit Ablehnung, Wutausbrüchen und einer Verweigerungshaltung reagieren. Sie lehnen sich auf, können sich auch offen aggressiv gegenüber dem Geschwister, den Eltern oder anderen Bezugspersonen zeigen. Sie suchen die Aufmerksamkeit und Orientierung der Eltern, in dem sie Grenzen austesten oder sich vielleicht auch provokativ verhalten.

Auch können Kinder sich sehr angepasst verhalten und mit gesteigerter Kooperationsbereitschaft reagieren. Sie zeigen sich hilfsbereit und möchten aktiv in die Pflege und Betreuung des Geschwisters miteinbezogen werden. Andere ziehen sich eher zurück oder orientieren sich vermehrt an anderen Bezugspersonen als den Eltern. Die Geburt des Geschwisters ist oft Anlass für einen Entwicklungssprung beim Erstgeborenen. Die Kinder wirken dann plötzlich selbstständiger und zeigen sich in ihrem Verhalten reifer.

Die Bedeutung der Eltern für die Geschwisterbeziehung

Gelingt es den Eltern auch nach der Geburt des Geschwisters, ihrem Erstgeborenen zugewandt zu bleiben, es in die Pflege und Betreuung des Geschwisterchens einzubinden und ihm dafür Wertschätzung entgegenzubringen, hilft dies dem Erstgeborenen. Es hilft ihm, eine neue Position in der Familie zu finden und mit der Ankunft des Geschwisters umzugehen. Sobald das erstgeborene Kind Vertrauen in die neue Familienstruktur fassen konnte, legen sich auch die Gefühle der Eifersucht und Rivalität gegenüber dem jüngeren Geschwister.

Kinder brauchen Verständnis von ihren Eltern, dass die neue Situation für das Erstgeborene belastend sein kann und es diese Belastung auch mit negativen Gefühlen und Verhaltensweisen zum Ausdruck bringt. Auch ältere Kinder haben manchmal Bedürfnisse, wie z.B. Angst zu haben, klein zu sein oder zu weinen. Immer das ältere und vernünftige Geschwister sein zu müssen, kann Erstgeborene überfordern.

Andererseits dürfen Sie Ihrem Kind unter Berücksichtigung seines Entwicklungsstandes auch ab und zu zutrauen, dass es seine Bedürfnisse zugunsten des jüngeren Geschwisters gelegentlich zurückstellt. Wenn das ältere Kind weiss, dass es zumindest zu bestimmten Zeiten die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Eltern hat, gelingt es ihm auch, mit seinen Bedürfnissen zu warten oder sie zurückzustellen. Rituale und Strukturen können dem Erstgeborenen Orientierung im Alltag geben. So lohnt es sich, im Alltag eine oder mehrere «Zeit-Inseln» festzulegen, in denen das Erstgeborene Mama oder Papa ganz für sich alleine hat. Während diesen festgelegten Zeiten widmet sich ein Elternteil voll und ganz dem älteren Kind. Dabei ist nicht entscheidend, wie lange diese Zeit der ungeteilten Aufmerksamkeit mit dem Elternteil stattfindet, sondern dass die vorhandene Zeit für das Kind inhaltlich gehaltvoll ist. Das kann gemeinsames Entdecken, Spielen oder einfach nur Kuscheln sein. Dabei ist darauf zu achten, dass das jüngere Geschwister nicht «stört», weil es zum Beispiel Hunger hat oder gewickelt werden muss. Deshalb sollte, falls möglich, immer eine zweite Person anwesend sein, die sich während diesen «Zeit-Inseln» um das Baby kümmert.

Quellen: Frick, Jürg: Ich mag dich – du nervst mich. Hogrefe AG, 2005.

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