Unternehmensstatistik STATENT: effizient, vollständiger, vergleichbar
3. September 2014 - Rolf Schenker, Klemens Rosin
Wie viele Arbeitsstätten gibt es in der Stadt Zürich? Bis vor einem Jahr wurde diese Frage auf Grund der Daten der Betriebszählung (BZ) beantwortet. Die letzten verfügbaren Zahlen stammten aus der Befragung 2008. Das Bundesamt für Statistik hat im Jahr 2011 eine neue Statistik eingeführt, die STATENT (statistique des entreprises). Sie löst die Betriebszählung ab, die seit mehr als hundert Jahren durchgeführt wurde. Weshalb wurde die Betriebszählung abgelöst?
Die Unternehmen in der Schweiz mussten zunehmend mehr administrative Aufgaben bewältigen. Neben den Erhebungen des Bundes erhielten die Unternehmen zahlreiche Fragebogen weiterer Institutionen wie Forschungsstellen oder Banken. Die administrative Last war beträchtlich. Bei der Betriebszählung erhielt jeder Betrieb einen Fragebogen zugestellt. Seit der Umstellung von der Betriebszählung zur STATENT werden die Unternehmen von administrativen Aufgaben entlastet. Die STATENT basiert nicht auf einer Firmenbefragung, sondern primär auf AHV-Registerdaten des Bundes. Für die Unternehmen entfällt somit die Befragung.
Betriebszählung versus STATENT
Zwischen STATENT und Betriebszählung sind folgende Unterschiede vorhanden:
- Berücksichtigung Beschäftigte/Arbeitsstätten: In der Betriebszählung (BZ) waren alle Arbeitsstätten enthalten, in denen während mindestens 20 Stunden pro Woche gearbeitet wurde. Zudem wurden in der BZ diejenigen Beschäftigen einbezogen, die mindestens 6 Stunden pro Woche arbeitstätig waren. In der STATENT werden diejenigen Beschäftigten und Arbeitsstätten berücksichtigt, die der AHV-Beitragspflicht unterstehen. Im Jahr 2011 betrug der Lohn dafür mindestes 2300 Fr. pro Jahr.
- Periodizität: Die Betriebszählung wurde alle drei bis vier Jahre durchgeführt. Die STATENT-Daten sind jährlich verfügbar.
- Datenquellen: Die Betriebszählungsdaten wurden mit Fragebogen erhoben. Die STATENT verwendet vor allem Daten des AHV Registers sowie des Betriebs- und Unternehmensregisters des Bundes.
- Bezugsperiode: Das Referenzdatum der Betriebszählung war der 30. September. Die STATENT-Daten beziehen sich auf den Dezember des entsprechenden Jahres.
- Temporärarbeit: Die AHV-Beiträge von Personen, die über ein Temporärbüro angestellt sind, werden von diesem – und nicht von der Firma, in der sie arbeiten – bezahlt. Entsprechend werden diese Personen in der STATENT als Beschäftigte im Temporärbereich und nicht in der Branche, in der sie eigentlich arbeiten, gezählt.
STATENT-Kriterien erfassen mehr Beschäftigte
Die Betriebszählung (BZ) verwendet auf Arbeitsstunden bezogene Kriterien, während sich die STATENT-Kriterien auf die Entlöhnung der Beschäftigten beziehen. Der STATENT-Grenzwert ist tiefer angesetzt als die BZ-Kriterien, sodass neu mehr Beschäftigte erfasst werden.
Ein Rechenbeispiel: Sechs Arbeitsstunden pro Woche entsprechen ungefähr 300 Stunden pro Jahr. Um die 2300 Fr. Jahreslohn zu erreichen, wären auch bei einem geringen Stundenlohn von 15 Fr. lediglich 153 Stunden pro Jahr notwendig. Die STATENT beinhaltet folglich auch Beschäftigte mit deutlich kleineren Arbeitspensen. Dadurch werden bei der STATENT nebst mehr Beschäftigten auch mehr kleine Arbeitsstätten berücksichtigt als bei der Betriebszählung.
Wegen der unterschiedlichen Grundgesamtheit liefern STATENT und Betriebszählung unterschiedliche Antworten auf die gleiche Fragestellung. Um die Vergleichbarkeit abzuschätzen, wurden für die Jahre 2005 und 2008 Quasi-STATENT Daten ermittelt. Dabei wurden STATENT-Kriterien auf die Unternehmensdaten von 2005 und 2008 angewendet. So kann abgeschätzt werden, welcher Teil der Veränderung durch die neue Methodik und welcher durch die veränderte Wirtschaftsstruktur auftritt.
Deutlich höherer Beschäftigungsumfang als 2005
Gemäss den neusten STATENT-Daten waren im Dezember 2012 in der Stadt Zürich 450 600 Beschäftigte mit einem Beschäftigungsumfang von 348 100 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) arbeitstätig (Grafik 1). Bei Vollzeitäquivalenten konnte seit 2005 ein deutlicher Anstieg von über 72 000 VZÄ beobachtet werden (BZ 2005 vs. STATENT 2012). Etwa 18 Prozent davon können auf die Methodikänderung zurückgeführt werden; die verbleibenden 82 Prozent stellen die effektive Zunahme des Beschäftigungsumfangs in der Stadt Zürich dar. Dieses reale Wachstum von fast 60 000 Vollzeitäquivalenten seit 2005 ist beträchtlich.
In Zürich wurden 2012 über 120 000 Beschäftigte mehr gezählt als noch im Jahr 2005 (BZ 2005 vs. STATENT 2012). Werden aber nur die STATENT respektive Quasi-STATENT-Daten beigezogen, ist die Zunahme mit 64 200 Beschäftigen deutlich geringer. Zudem zeigt sich, dass die Zunahme der Beschäftigtenzahl vor allem zwischen 2005 und 2008 besonders gross war. Im Jahr 2012 war das Wachstum der Beschäftigtenzahl kleiner als ein Prozent.
Für die Anzahl Arbeitsstätten sind keine Quasi-STATENT Daten vorhanden. Die STATENT-Kriterien bewirken aber, dass neu auch kleine Arbeitsstätten in der Unternehmensstatistik enthalten sind. So erstaunt es wenig, dass die Anzahl Arbeitsstätten im Jahr 2012 gemäss STATENT deutlich höher ist als gemäss der Betriebszählung 2008.
Geringe Methodikeinflüsse auf Beschäftigungsumfang
In Zukunft wird nur noch die STATENT als Unternehmensstatistik verwendet. Darum stellt sich die Frage, wie sich die Änderung der Methodik in den verschiedenen Branchen der Stadt Zürich auswirkt. Für das Jahr 2008 werden daher die Vollzeitäquivalente gemäss Quasi-STATENT und Betriebszählung verglichen (Grafik 2).
Bei der für die Stadt Zürich wichtigen Finanz- und Versicherungsbranche sind die Unterschiede zwischen den beiden Methoden geringer als ein Prozent. Mit der Betriebszählung wurde ein leicht höherer Beschäftigungsumfang ermittelt als mit der Quasi-STATENT.
Bei freiberuflichen Dienstleistungen hat die Anzahl Vollzeitäquivalente mit der neuen Methodik um knapp zwei Prozent zugenommen (720 VZÄ). Der grösste Teil dieser Zunahme fand in Bereichen wie Werbung, Marktforschung, Design und weiteren freiberuflichen Tätigkeiten statt. Bei freiberuflichen Dienstleistungen der Unternehmens- und Rechtsberatung sowie den Architektur- und Ingenieurbüros konnten kaum Unterschiede des Beschäftigungsumfangs nach den beiden Methoden festgestellt werden.
Die grössten Methodikeinflüsse treten im Bereich sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen auf, zu dem unter anderem die Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften – die Temporärbranche – gehört. Die STATENT zählt bei sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen über 7400 Vollzeitäquivalente mehr als die Betriebszählung. Von dieser Zunahme können 88 Prozent mit der Erhöhung in der Temporärbranche erklärt werden. Der Temporärbereich zählte gemäss Betriebszählung noch unter 2000 Vollzeitäquivalente (VZÄ); die Quasi-STATENT geht von über 8500 VZÄ aus. Der Beschäftigungsumfang in der Temporärbranche hat sich durch die Methodikänderung mehr als verdreifacht. Es lässt sich leider nicht ermitteln, wie viele der etwa 6500 neu der Temporärbranche zugewiesenen Vollzeitäquivalente in welchen Branchen fehlen.
STATENT erfasst mehr Beschäftigte als die Betriebszählung
Bei den Beschäftigten sind die Methodikunterschiede nach Branche etwas grösser als bei den Vollzeitäquivalenten (Grafik 2 vs. Grafik 3). Im Jahr 2008 zählte die STATENT etwa 16 Prozent mehr Beschäftigte als die Betriebszählung. Die Finanz- und Versicherungsbranche ist jedoch durch die Methodikänderung nur geringfügig betroffen (+3,3 %). Wie bei den Vollzeitäquivalenten treten auch bei den Beschäftigten die grössten Unterschiede ebenfalls im Bereich «sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen» auf. Dieser verzeichnete durch die Methodikänderung eine Zunahme um 14 000 Beschäftige. Davon entfallen knapp vier Fünftel auf die Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften.
Das Gesundheits- und Sozialwesen umfasst gemäss STATENT über 5600 Beschäftige mehr als gemäss Betriebszählung. Dabei war der anteilsmässige Zuwachs im Sozialwesen deutlich höher als im Gesundheitsbereich (+36 % versus +9%). Dieser Methoden-Effekt im Bereich Gesundheit und Soziales konnte beim Beschäftigungsumfang nicht beobachtet werden. In der STATENT sind kleine Firmen in Bereichen wie Psychologie, Psychotherapie, Homöopathie, Akupunktur oder Shiatsu enthalten, in denen Beschäftigte oft nur einen geringen Beschäftigungsumfang aufweisen. Ähnliche Effekte werden im Bereich Erziehung und Unterricht sowie bei der öffentlichen Verwaltung beobachtet.
Anzahl Arbeitsstätten wenig aussagekräftig
Unter einer Arbeitsstätte stellt man sich typischerweise einen Betrieb wie beispielsweise eine Autogarage mit fünf Mitarbeitenden vor. Dieses Vorstellung ist in der Stadt Zürich trügerisch: In der Betriebszählung 2008 waren zum Beispiel über 14 400 Arbeitsstätten mit weniger als drei Vollzeitäquivalenten pro Arbeitsstätte erfasst (Grafik 4). Das entsprach ungefähr 55 Prozent aller Arbeitsstätten. Zürich ist offensichtlich eine Stadt kleiner Arbeitsstätten.
Mit dem Wechsel von Betriebszählung zu STATENT hat sich dieser Effekt noch verstärkt. Insbesondere werden viel mehr kleinste Arbeitsstätten mit weniger als einem Vollzeitäquivalent gezählt. So beinhalte die STATENT 2011 fast achtmal mehr dieser Kleinstarbeitsstätten als die Betriebszählung 2008. Durch die Methodikänderung ist die Anzahl Arbeitsstätten erst recht zu einer heterogenen Messgrösse verkommen und daher nur beschränkt aussagekräftig.
Effizient, vollständiger, vergleichbar
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich der Aufwand für Unternehmungen aufgrund der Methodenänderung von der Betriebszählung zur STATENT reduziert hat. Die Daten der neuen Unternehmensstatistik werden effizient zusammengestellt, indem primär AHV-Registerdaten verwendet werden. Zudem sind mit der STATENT insbesondere Kleinbetriebe, die in der Stadt Zürich zahlreich vorhanden sind, vollständiger erfasst. Durch die zahlreichen kleinen Betriebe ist die Anzahl Arbeitsstätten eine wenig aussagekräftige Grösse. Die Vollzeitäquivalente und Beschäftigtenzahlen der STATENT sind aber durchaus mit den Betriebszählungsdaten vergleichbar.
- Betriebszählung der Jahre 2001, 2005, 2008; Stadt Zürich
- Quasi-STATENT der Jahre 2005 und 2008; Stadt Zürich
- STATENT der Jahre 2011 (definitive Daten), 2012 (provisorische Daten); Stadt Zürich
Begriffe
Vollzeitäquivalente: Vollzeitäquivalente werden berechnet, indem Teilzeitstellen auf Vollzeitstellen umgerechnet werden. Beispiel: Die Teilzeitstellen von drei Arbeitnehmenden mit einem Pensum von 80 Prozent, 70 Prozent und 50 Prozent entsprechen 200 Vollzeitäquivalenten. Der Begriff der Vollzeitäquivalente wird in der Arbeitsmarktstatistik und dem Personalmanagement als standardisierte Vergleichsgrösse für den Beschäftigungsumfang verwendet und mit VZÄ abgekürzt.
Arbeitsstätten: Eine Arbeitsstätte ist eine örtlich abgegrenzte Einheit einer institutionellen Einheit, in der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird.