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Fragen & Antworten

Wissen über Geschlechtsrollen tut Not. Denn ob wir wollen oder nicht, beurteilen wir Frauen und Männer, Mädchen und Jungen immer auch danach, ob sie sich «weiblich» oder «männlich» benehmen. Wir reagieren negativ darauf, wenn sie es nicht tun. Auch wenn wir Personen nicht wegen ihres Geschlechts anders behandeln wollen, so können wir uns diesen subtilen Einflüssen kaum entziehen, solange sie unbewusst sind. So tragen wir unabsichtlich zur Aufrechterhaltung von Geschlechtsrollen bei. Umso wichtiger ist es, ein Bewusstsein für Geschlechtsrollen und deren Konsequenzen zu entwickeln.

Lesen Sie hier interessante Antworten auf wichtige Fragen.

Was sind Geschlechtsrollen?

Geschlechtsrollen beschreiben Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen, die wir als «typisch» für Frauen und Männer empfinden. Ein Beispiel: Bei einer rationalen und verschwiegenen Person denken wir spontan eher an einen Mann als an eine Frau, weil diese Eigenschaften «typisch männlich» sind. Wenn eine Person als sanft und kreativ beschrieben wird, denken wir hingegen eher an eine Frau. Im Vergleich dazu ist die Beschreibung eines Mannes als sanft und  kreativ eher ungewohnt.

Warum empfinden alle dasselbe als «typisch männlich» oder «typisch weiblich»?

Von Geburt an beobachten und lernen wir, was in unserer Gesellschaft als «männlich» oder «weiblich» gilt. Bereits ab dem 2. Lebensjahr entwickeln wir ein Bewusstsein für Geschlechtsrollen – und sind überaus bestrebt, uns unserem Geschlecht entsprechend zu verhalten. Gleichzeitig werden wir von unserem sozialen Umfeld darin bestärkt: Geschlechtstypisches Verhalten wird belohnt durch Anerkennung und Aufmerksamkeit während untypisches Verhalten ignoriert oder missbilligt wird.

Geschlechtsrollen schaden ja niemanden, warum also die Kritik daran?

Mit Geschlechtsrollen sind Erwartungen und Regeln verbunden, wie Frauen und Männer sein sollen und wie wir uns selbst «als Frau» und «als Mann» zu verhalten haben. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene werden für Abweichungen von Geschlechtsrollen «sozial bestraft»: Wissenschaftliche Studien zeigen zum Beispiel, dass eine Frau mehr gemocht wird als ein Mann, wenn beide die genau gleichen «typisch weiblichen» Verhaltensweisen zeigen. Gleiches gilt für Frauen, die sich «männlich» verhalten: Sie werden weniger gemocht und vermehrt diskriminiert.

Wie wirken Geschlechtsrollen in der Gesellschaft?

Geschlechtsrollen werden durch individuelles Verhalten, aber auch durch gesellschaftliche Einflüsse aufrechterhalten. So zum Beispiel durch die Medien. In den Kinos retteten 2014 Superhelden wie Spiderman («The Amazing Spiderman 2») und X-Men («Days of Future Past») die Welt, Leonardo DiCaprio mimte den cleveren und erfolgreichen Geschäftsmann in «The Wolf of Wall Street», während sich Philomena (Judi Dench) auf die Suche nach ihrem Sohn macht, der ihr als junge Mutter entrissen wurde. Das Wissen über Geschlechtsrollen ist durch jahrelange Lernprozesse tief in uns verankert. Es beeinflusst unser eigenes Verhalten auf subtile Weise und wird zusätzlich durch gesellschaftliche Einflüsse aufrechterhalten.

Was ist dran an Geschlechtsrollen?

In verschiedenen Bestsellerromanen wird gerne behauptet, dass Frauen und Männer komplett verschieden sind, und dass diese Unterschiede biologisch bedingt und somit unveränderlich sind. Stimmt das? Frauen und Männer unterscheiden sich eindeutig in Bezug auf äussere (körperliche) Merkmale wie Grösse, Schulterbreite, physische Stärke, oder dem Verhältnis von Taillen- zu Hüftumfang. Weit weniger verschieden sind sie allerdings in Bezug auf innere (psychologische) Merkmale, wie der Persönlichkeit oder der Intelligenz. So zeigte eine neue Meta-Studie (eine Zusammenfassung mehrerer Studien), dass die Unterschiede innerhalb der Geschlechter grösser sind als zwischen den Geschlechtern. Das Geschlecht entscheidet somit nicht über die Persönlichkeit und Intelligenz einer Person.

Mädchen lieben halt rosarot und Jungen spielen lieber mit Autos – das soziale Umfeld hat da gar keinen Einfluss.

Auch wenn wir es nicht wollen, beurteilen wir Frauen und Männer, Mädchen und Jungen immer auch danach, ob sie sich «weiblich» oder «männlich» benehmen. Wir reagieren negativ darauf, wenn sie es nicht tun. Meistens sind wir uns aber nicht im Klaren darüber, wie unser Wissen über Geschlechtsrollen unser Verhalten beeinflusst. Dieses Wissen wird automatisch, also ohne unser Bewusstsein, abgerufen. Auch wenn wir Personen nicht wegen ihres Geschlechts anders behandeln wollen, so können wir uns diesen subtilen Einflüssen kaum entziehen, solange diese unbewusst sind. So tragen wir unabsichtlich zur Aufrechterhaltung der Geschlechtsrollen bei. Um dieses Muster zu durchbrechen, müssen wir uns bewusst werden, auf welch subtile Weise uns Geschlechtsrollen in unserem Alltag beeinflussen.

Sind biologische Merkmale bestimmend in den Unterschieden zwischen Frauen und Männern?

Die meisten «inneren» biologischen Merkmale sind nicht unveränderlich. Beispielsweise entwickeln sich im menschlichen Gehirn 90 Prozent der Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen in den ersten Lebensjahren. Diese Plastizität ermöglicht es uns zu lernen und somit Denkmuster, Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Das menschliche Gehirn ist primär ein Ergebnis dessen, was man gelernt und erfahren hat. Dies bedeutet aber auch, dass der Glaube an angeborene Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu tatsächlichen Unterschieden führen kann, weil Jungen und Mädchen unterschiedlich gefördert werden. Mit anderen Worten: Männer und Frauen werden zwar in unterschiedlichen Körpern geboren, «Männlichkeit» und «Weiblichkeit» wird aber in erster Linie gesellschaftlich hergestellt und ist nicht biologisch bedingt.

Welche Folgen haben Geschlechtsrollen in der Gesellschaft?

Geschlechtsrollen prägen unsere Erwartungen und Vorstellungen darüber, wie wir selbst und wie andere sind und sein sollen. Dies hat erstaunlich vielseitige und vielschichtige Konsequenzen. Zum Beispiel beeinflusst unser Bild über uns selbst die Wahl eines «passenden» Berufes, so dass auch heutzutage junge Männer noch vorwiegend technische und junge Frauen soziale Berufe wählen. Gleichzeitig führen Geschlechtsrollen zu Vorurteilen gegenüber anderen Personen. Ein Vorurteil besagt, Frauen könnten besser mit Kindern umgehen als Männer. Dies kann zu Diskriminierung führen, beispielsweise wenn sich ein Mann um eine Stelle als Kindergärtner bewirbt. Möglicherweise teilt der oder die Personalverantwortliche dieses Vorurteil persönlich nicht. Doch die Überzeugung, die Eltern der Kindergartenkinder würden so denken, kann zu handfester Diskriminierung führen.

Welche Folgen haben Geschlechtsrollen für uns selbst?

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass bereits das Wissen über Vorurteile unsere Leistungen in einer «geschlechtsuntypischen» Aufgabe schmälern können. Solche Mechanismen verhindern Chancengleichheit. Weiter zeigen immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Verinnerlichung einer männlichen Geschlechtsrolle und gesundheitsgefährdenden Verhaltensweisen (z.B. erhöhter Alkohol- und Drogenkonsum). Dazu trägt bei, dass «richtige Männer» nicht über ihre Probleme sprechen. Gleichzeitig gehen Personen, die von Geschlechtsrollen abweichen, das Risiko sozialer Ablehnung ein. So wird einem Mann, der lieber Yoga praktiziert als Fussball spielt, vorgehalten, kein «richtiger» Mann zu sein – teilweise hinter vorgehaltener Hand, teilweise direkt.

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