Die Wohnungssuche im Kanton und vor allem in der Stadt Zürich ist nicht einfach. Dies gilt erst recht für geflüchtete Menschen. Der Fachbereich Wohnen befasst sich innerhalb der AOZ Sozialhilfe und Unterbringung mit Fragen rund um das Thema Wohnen. Im Zentrum stehen: Vorbereitung auf das private Wohnen in der Schweiz, Fördern des guten Zusammenlebens und pro aktives Unterstützen bei der gesellschaftlichen Integration.
Seit Februar 2019 organisiert die Fachstelle Freiwilligenarbeit in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Wohnen auch Einsätze, bei denen einzelne Freiwillige eine geflüchtete Person oder eine Familie bei der Wohnungssuche unterstützen. Barbara Wolfer ist schon länger bei diesem "Tandem Wohnungssuche" dabei. Welche Erfahrungen sie dabei sammeln konnte, erzählt sie im Gespräch mit Friederike Salzmann.
FS: Du hattest dich für den Freiwilligeneinsatz "Tandem Wohnungssuche" bei der AOZ gemeldet. Darin geht es explizit um die Unterstützung von Geflüchteten bei der schwierigen Aufgabe der Wohnungssuche – in- und ausserhalb der Stadt Zürich. Warum hat dich dieses Thema gereizt für dein soziales Engagement?
BW: Der Gedanke, dass ich mein Zuhause verlassen müsste mit unbekannter Zukunft und dem Wissen, dass ich hierher nie mehr zurückkehren könnte, ist für mich persönlich ein Schreckensszenario. Das bewog mich Ausschau zu halten nach einem Freiwilligeneinsatz mit Geflüchteten. Vor der Pensionierung übte ich eine beratende Tätigkeit aus. Nun wollte ich einen Einsatz, der zu einem sichtbaren Resultat führt. Daher schien mir der Moment gekommen, als die AOZ Fachstelle Freiwilligenarbeit eine Infoveranstaltung für interessierte Freiwillige zur Unterstützung bei der Wohnungssuche durchführte. Zudem bin ich überzeugt, dass eine gute Wohnsituation Voraussetzung ist für Glück und eine erfolgreiche Integration.
FS: Wen hast du dann von der AOZ Fachstelle Freiwilligenarbeit vermittelt bekommen?
BW: Ich durfte eine alleinerziehende Mutter mit ihrer vierjährigen Tochter begleiten. Christoph Baumann, Wohnraumvermittler beim Fachbereich Wohnen der AOZ, hat die Passung zwischen der Wohnungssuchenden und mir sorgfältig geplant und mir den Einstieg damit leicht gemacht. K.G. und ihre Tochter waren mir auf den ersten Blick sympathisch. K. sprach bereits sehr gut Deutsch. Sie war schon längere Zeit auf Wohnungssuche. K.G. war vom Fachbereich Wohnen mit vollständigen Unterlagen ausgestattet, inklusive eines ausführlichen Motivationsschreibens. Sie wohnte in einer Asylunterkunft, in einem Einzimmerstudio, das zwar eng war, wo sie sich aber wohl fühlte.
Es stellten sich vor allem zwei Herausforderungen: Der Aufenthaltsstatus F ("Vorläufige Aufnahme") und K.G’s Wille, nur in der nahen Umgebung des aktuellen Wohnquartiers zu suchen.
FS: Wie seid ihr dann zusammen vorgegangen?
BW: Wir trafen uns wöchentlich, fast immer auf „neutralem Boden“. Das war eine Vorgabe der AOZ. K.G. wusste gut, wie und wo wir zu freiem WLAN kamen. Sie zeigte mir jeweils auf ihrem Smartphone die aktuellen Wohnungsangebote und mit wem sie Kontakt aufgenommen hatte. So lernte ich ihre Wünsche kennen. Zu Beginn wünschte sie sich von mir nur dann Hilfe beim Formulare ausfüllen oder einen Anruf beim Vermieter zu tätigen, wenn sie eine Wohnung ganz dringend wollte. Ich hatte nicht wirklich Einblick in ihre Suche und begann, an meiner Nützlichkeit zu zweifeln. Ich sprach dieses Thema an, sie meinte aber, sie schätze meine Unterstützung und es sei gut so. Um doch eine Veränderung herbeizuführen bat ich sie, die Initiative für unsere Treffen zu übernehmen sowie auch ihre Suchbemühungen auf einer Liste festzuhalten. In der Folge hatten wir etwas weniger Kontakt, was auch an den Sommerferien liegen konnte.
Eine Wende zeichnete sich ab, als ich über einen privaten Kanal ein Wohnungsangebot bekommen hatte. K.G. vereinbarte einen Termin, nahm ihn aber nicht wahr. Trotzdem schrieb ich für sie ein neues Motivationsschreiben, präzis abgestimmt auf diese Wohnsituation, die ich gut kannte. Sie erhielt eine Absage mit einem Dank für die gute Bewerbung. In diesem Zusammenhang erfuhr ich mit Erstaunen, dass dies die erste Antwort war, die sie jemals auf eine Bewerbung erhalten hatte. Sie war beeindruckt, dass der Brief gut angekommen war und akzeptierte nun, dass wir gemeinsam die Bewerbungen den Ausschreibungen anpassten, auch wenn es etwas mehr Zeit beanspruchte.
Gleichzeitig intensivierte ich meinerseits die Wohnungssuche. Jeden Tag konsultierte ich verschiedene Plattformen, unter anderem auch die einiger Wohnbaugenossenschaften. Das Glück wollte es, dass wir bei einer Genossenschaft unter den Ersten waren, dank dem, dass K.G das Anmeldeformular sofort ausgefüllt und zurückgeschickt hatte. Sie durfte das Dreizimmer-Reihenhaus besichtigen und gab ihre Unterlagen gleichentags ab, obwohl es ihr nicht gefallen hatte. Ihre Zweifel waren gross betreffend Zustand der Wohnräume, Lage und Einkaufsmöglichkeiten. Sie rief mich mehrmals an um mir ihre Bedenken zu erläutern. Ich liess nicht locker und drängte sie mehr oder weniger (mit gutem Gewissen), die Zusage zu akzeptieren. Als sie ihr neues Heim ihren Bekannten zeigte stellte sie überrascht fest, dass alle davon begeistert waren. Das ist sie mittlerweile auch.
FS: Worin konntest du die Begleitete besonders gut unterstützen?
BW: Ich glaube, ich war wichtig in einer Phase, in der sie die Zuversicht, eine Wohnung zu finden, fast verloren hatte. Dann in der „Endphase“, als ich sie drängte, den Mietvertrag zu akzeptieren. Als Einheimische konnte ich einschätzen, dass es sich um ein sehr gutes, langfristiges Angebot handelt und ich wusste, dass das Objekt in gutem, sauberem Zustand an sie übergeben werden würde. Weiter war die Unterstützung bei den Motivationsschreiben wichtig. Wir formulierten sie immer persönlicher, kürzer und zunehmend mit stärkerem Akzent auf ihre Zukunftspläne, als auf die Vergangenheit
FS: Was war deiner Meinung nach besonders wichtig für eure Zusammenarbeit?
BW: Sehr wichtig scheint mir, dass man sich gegenseitig mag. K.G. ist offen, kommunikativ und zuverlässig. Sie trug ihren Unterlagen Sorge und konnte sie in sauberem, unzerknittertem Zustand abliefern. Wichtig war wohl auch, dass ich auf ihren Wunsch, räumlich sehr eng zu suchen, eingegangen bin, auch wenn ich ab und zu wieder für eine Erweiterung plädiert hatte. Jedoch erst als die Suche für sie mehr Dringlichkeit erhielt, entstand eine echte Zusammenarbeit. Dies, nachdem K.G. von Nachbarn vernommen hatte, dass ihnen die Wohnung gekündigt worden sei, weil das ganze Quartier abgerissen werden sollte.
FS: Gibt es verallgemeinerbare Tipps für die Unterstützung von Geflüchteten bei der Wohnungssuche?
BW: Der telefonische Erstkontakt wie auch die Nachfrage oder das „Dranbleiben“ einer deutschsprachigen Person mit den Vermietenden/den Verwaltungen ist sehr wichtig. Die meisten reagierten freundlich und liessen sich auf ein Gespräch ein. K.G machte hingegen die Erfahrung, meist nur kurze negative Antworten zu erhalten.
Unerlässlich sind vollständige Unterlagen in guter Qualität, die aktuell und rasch zur Hand sind. Obwohl den Unterlagen eine Erklärung zum Ausweis F beiliegt, erwähnten wir in den späteren Briefen, dass sie den Ausweis jährlich erneuere. Das deshalb, weil auf dem Ausweis ein nahes Ablaufdatum steht. Ich hatte diesbezüglich positive Rückmeldungen von Verwaltungen.
FS: Was nimmst du mit aus diesem Freiwilligeneinsatz?
BW: Zuerst einmal habe ich von K.G. gelernt, wie man heute Wohnungen sucht, dass ein Smartphone und der Zugang zu einem Drucker reichen. Weiter werde ich zukünftig präziser nachfragen, wie die Person sich bewirbt und welche Antworten sie erhält.
Auch habe ich von K. gelernt, dass es sich durchaus lohnen kann, hartnäckig an seinen Wünschen festzuhalten und diese nicht zu früh aufzugeben. Als Begleitende war das nicht immer leicht.
Und es hat insgesamt grosse Freude gemacht, die beiden kennen zu lernen und etwa fünf Monate lang bei der Wohnungssuche zu begleiten.