Auf unseren Notfall kommt alles
Das Notfallzentrum im Stadtspital Zürich Waid ist 365 Tage pro Jahr und rund um die Uhr geöffnet. Junge Menschen sowie Seniorinnen und Senioren im Wartezimmer, doch die Krankheitsbilder und Unfallmuster sind häufig sehr verschieden. Auch Skurriles kommt vor. Chirurgin Dr. med. Claudia Twerenbold erzählt von ihren Erfahrungen.
Was macht Ihnen mehr Sorgen auf der Notfallstation, schwer kranke Seniorinnen und Senioren oder Jugendliche mit vielen Verletzungen?
Sorgen machen, ist vielleicht die falsche Bezeichnung. Da ich als Chirurgin vor allem Patientinnen und Patienten mit Verletzungen sehe, könnte der Unterschied zwischen einem jungen und einem alten Menschen kaum grösser sein. Während junge Patientinnen und Patienten meist schwerere Verletzungen durch Sport oder Verkehrsunfälle erleiden, reicht für ältere Menschen schon ein Stolpern über die Teppichkante, um sich erheblich zu verletzen. Letzteres sehe ich im Waid häufiger. Solche Traumata stellen eine grosse Herausforderung dar, weil sie meistens wegen vieler Nebenerkrankungen eine komplexere Behandlung brauchen, als dies bei jungen, gesunden Verletzten der Fall ist.
Was ist Ihnen speziell in Erinnerung geblieben?
Meistens sind es ja die traurigen oder besonders lustigen Fälle, die einem in Erinnerung bleiben: Einer der traurigsten Fälle war sicher der eines jungen Profisportlers, der wegen eines vermeintlich harmlosen Abszesses am Bein zu uns kam. Diese Hautveränderung sah für mich nicht normal aus. Durch die weiteren Abklärungen, die ich eingeleitet hatte, erhielt er am Ende die Diagnose Leukämie. Das war sehr traurig.
Eine lustige Geschichte ist auch noch erzählenswert: Ich musste einem sehr süssen, tapferen Fünfjährigen eine Platzwunde nähen. Dank Lachgas und unserem tollen Pflegeteam hat das Kind super mitgemacht. Obwohl der Vater, der dabeisass, immer wieder beteuerte, dass alles in Ordnung sei, ist er leider im wahrsten Sinne vom Stuhl gekippt und musste dann ebenfalls am Kopf genäht werden. Am lustigsten fand dies wohl sein Sohn.
Gab es Situationen mit Jugendlichen, in denen Sie sich zwar wunderten, aber trotzdem schmunzeln mussten?
Solche Situationen haben wir fast täglich und ich wundere mich jedes Mal aufs Neue. Es kommen junge Patientinnen und Patienten zu uns, tätowiert bis an die Ohrläppchen. Aber kaum sollen sie zur Blutentnahme, eine Tetanus-Spritze erhalten oder sich womöglich selbst eine Blutverdünnungs-Spritze geben, werden sie kreidebleich und haben Angst.
Welche Unterschiede beobachten Sie, wenn Senioren mit Jungen gemeinsam im Wartesaal sitzen?
Jüngere Patientinnen und Patienten drängen häufiger auf eine umfangreiche, apparative Abklärung direkt im Notfall: Röntgen, CT, am besten gleich ein MRI und zwar sofort. Da sind ältere Patientinnen und Patienten eher zurückhaltend und weniger fordernd. Im Notfall kommt es je nach Patientenaufkommen zu Wartezeiten, insbesondere, wenn verschiedene Untersuchungen gemacht werden müssen. Das stösst nicht immer auf Verständnis. Da unterscheiden sich die jungen von den alten Patientinnen und Patienten überhaupt nicht.