Im Stadtspital wird seit drei Jahren am Weltdelirtag auf das Thema Delir aufmerksam gemacht. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Fodor:
Das Delir ist ein häufiges Problem, vor allem in der Intensivmedizin, dass die kognitiven Funktionen beeinträchtigen und die Sterblichkeit erhöhen kann. Es verursacht längere Krankenhausaufenthalte und höhere Gesundheitskosten, besonders angesichts zunehmender Risikofaktoren wie Alter, Demenz und Polypharmazie in der Bevölkerung.
Haubner:
Das Delir wird oft unterschätzt, obwohl der Betreuungsaufwand enorm ist. Es erfordert die Suche nach den Ursachen, sowie eine intensive Pflege und 1:1-Betreuung, da betroffene Patient*innen sehr unruhig sein können. Dies erhöht das Risiko für Stürze und erfordert eine fachkundige Begleitung, die sowohl zeit- als auch personalintensiv ist.
Was ist eigentlich ein Delir und was löst es aus?
Fodor:
Früher als harmloses Durchgangssyndrom angesehen, erkennen wir heute das Delir als akute Notfallsituation, die eine ernsthafte Selbst- und Fremdgefährdung darstellen kann. Untersuchungen zeigen sogar langfristige organische Schäden, die denen einer Demenz ähneln, was die Komplexität und Ernsthaftigkeit dieses Zustands unterstreicht.
Haubner:
Das Delir ist ein plötzlich auftretendes, komplexes Syndrom, das Bewusstsein, Denken und Orientierung beeinträchtigt. Es wird durch verschiedene Faktoren, einschliesslich Krankheiten, Medikamenten oder Veränderungen im Umfeld ausgelöst, besonders bei älteren und dementen Patient*innen.
Kann man ein Delir verhindern und wie wird es behandelt?
Fodor:
Obwohl man lange dachte, das Delir mittels Medikamente behandeln zu können, zeigt die Forschung, dass sie meistens keinen Nutzen bringen und sogar Schaden anrichten können. Die Reduktion von Risikofaktoren und nichtmedikamentöse Massnahmen haben sich jedoch als wirksam erwiesen.
Haubner:
Präventive Massnahmen sind entscheidend, besonders für Patient*innen mit hohem Risiko. Durch Anpassung des Umfelds an die individuellen Bedürfnisse können wir das Risiko eines Delirs reduzieren. Nicht-medikamentöse Ansätze wie ausreichende Orientierungshilfen, Schlaf, Aktivierung, Stressreduktion und Ernährung sind zentral für die Prävention und Behandlung.
Was ist die Rolle der Angehörigen und wie können wir sie unterstützen?
Fodor:
Angehörige tragen zu physischer und psychischer Stabilität bei und ihre Einbindung in die Behandlung hilft sowohl den Patient*innen als auch den Angehörigen selbst, ihre Belastung zu bewältigen.
Haubner:
Angehörige sind oft die ersten, die Verhaltensänderungen bemerken. Ihre Anwesenheit und ihr Einbezug in die Betreuung ihrer Liebsten bieten den Patient*innen Sicherheit und Vertrautheit. Es ist jedoch wichtig, Angehörige nicht zu überfordern und sie angemessen zu unterstützen.
Sie repräsentieren hier im Interview zwei verschiedene Professionen. Hat das eine Bedeutung? Warum ist Ihnen das wichtig?
Fodor:
Die interprofessionelle Zusammenarbeit ist in der Delirbehandlung essenziell. Sie ermöglicht eine umfassende Betreuung, bei der jede Berufsgruppe ihre spezifischen Kenntnisse einbringt. Dies ist besonders wichtig, da es keine medikamentöse Behandlung gibt, die wirkt, weshalb nicht-medikamentöse Massnahmen im Vordergrund stehen.
Haubner:
Durch die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen können wir eine optimale Betreuung sicherstellen, die von den nichtmedizinischen Massnahmen bis hin zur psychosozialen Unterstützung reicht. Diese Interprofessionalität stärkt nicht nur die patientenzentrierte Pflege, sondern fördert auch ein besseres Verständnis und eine bessere Handhabung des Delirs.
Welche Aktivitäten laufen gerade im Stadtspital bezüglich dem Delirmanagement und was erhoffen Sie sich davon?
Fodor:
Wir haben ein umfassendes Projekt gestartet, um das Bewusstsein für das Delir zu schärfen und die Behandlung zu verbessern. Ziel ist es, durch bessere Erkennung und Prävention sowie durch die Optimierung der Patient*innenpfade die Belastung für Patient*innen und Angehörige zu reduzieren und gleichzeitig die Kosten zu senken.
Haubner:
Das Ziel ist die Optimierung des Delirmanagements, um Leid zu vermeiden und Ressourcen effizienter zu nutzen. Wir hoffen auch auf mehr Sensibilisierung und bessere Nachbetreuungsmöglichkeiten.
Die Initiative des Stadtspitals, am Weltdelirtag Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema zu schaffen, unterstreicht die Notwendigkeit, ein Delir zu erkennen, zu verstehen und zu behandeln. Durch solche Bemühungen werden nicht nur das Wissen über das Delir verbessert, sondern auch die Grundlage für eine bessere Patient*innenversorgung und -sicherheit gelegt. Es ist ein wesentlicher Schritt, um auf die Herausforderungen, die Delir mit sich bringt, aufmerksam zu machen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.