Wie erklären Sie einem Laien, was «PrecEyes» ist? Wo wird diese neue Technik bereits angewendet?
Prof. Dr. med. Matthias Becker: Robotersysteme sind in der Medizin heutzutage weit verbreitet. In den meisten Fällen operieren die Roboter nicht selbst, sondern assistieren im chirurgischen Ablauf. Sie übernehmen Tätigkeiten, die für die menschliche Hand technisch herausfordernd sind oder in schwer zugänglichen Bereichen liegen. In der Bauchchirurgie und Urologie sind solche Systeme schon sehr verbreitet. In der Augenheilkunde beginnt diese Entwicklung erst jetzt. Wir kennen solche Roboter-assistierten Systeme zwar schon aus der refraktiven Laserchirurgie. Für chirurgische Eingriffe im Inneren des Augapfels, die nur durch mikrochirurgische Verfahren erreichbar sind, ist erst seit kurzem ein Roboter-assistiertes System der niederländischen Firma «PrecEyes» verfügbar. Das System erlaubt es, zitterfrei sehr präzise Bewegungen im Auge durchzuführen. Es war bisher nur in zwei weiteren Zentren weltweit punktuell im Einsatz – in Oxford und Rotterdam. Wir sind das erste Zentrum in der Schweiz, das die Gelegenheit bekam, mit dieser Technologie arbeiten zu dürfen.
Was sind Ihre Erwartungen?
Das «PrecEyes»-System kommt nur bei einem Abschnitt der gesamten Operation, dem so genannten Peeling an der Makula, zum Einsatz. Genau dann, wenn besonders viel manuelle Geschicklichkeit verlangt wird und eine besonders ruhige Hand erforderlich ist. Denn kleinste Fehlbewegungen können hier zu Schäden an der Netzhaut führen. Der Chirurg oder die Chirurgin führt den Roboter von aussen über eine Art Joystick mit relativ grossen Bewegungen. Das System überträgt dies 1:1 auf Mikrometerbewegungen im Auge. Dies will trainiert sein. Im Moment arbeiten wir mit dem System im Rahmen einer Machbarkeitsstudie. Dabei wollen wir zeigen, dass dieses System der manuellen Chirurgie nicht unterlegen ist.
Für welche Augenkrankheiten kommt «PrecEyes» in Frage?
Insbesondere in Situationen, bei denen die Makula beispielsweise aufgrund einer starken Kurzsichtigkeit anatomisch schwer erreichbar ist, weil längere Distanzen überwunden werden müssen als bei normalen Augen. Der längere Hebelarm stellt hier bei der manuellen Technik eine grosse Herausforderung dar. Der Roboter kann diese Hürden mühelos meistern. Eine besondere Herausforderung der manuellen Technik ist es, eine bestimmte Position mit einem Instrument im Auge zu halten, geschweige denn noch eine zusätzliche Bewegung wie eine Injektion durchzuführen. Hier hat der Roboter deutliche Vorteile. Dies könnte zukünftig, z.B. bei neuartigen Gentherapien, zum Einsatz kommen. Dabei werden winzige Flüssigkeitsmengen verlustfrei unter die Netzhaut gespritzt.
Was sind Ihre ersten Erkenntnisse?
Noch ist der «PrecEyes»-Einsatz aufwändig und dauert aufgrund der Vorbereitungen und begleitenden Massnahmen deutlich länger als der herkömmliche Eingriff. Wir hatten in den letzten fünf Wochen Gelegenheit, das System bei neun Operationen einzusetzen. Anfänglich waren wir noch sehr vorsichtig und zurückhaltend. Mit der Zeit haben wir die Funktionsweise immer besser verstanden, sodass wir gegen Ende lernen konnten, dass die Operation schonender durchgeführt werden kann als mit der manuellen Technik. Wir waren überrascht, wie gut das System bereits heute in den regulären Ablauf integrierbar ist und planen bereits weitere Operationen im nächsten Jahr.
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Augenklinik