Ein Team von 279 Autor*innen aus 138 Institutionen – darunter auch Dr. Urs Eggli, seit 38 Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sukkulenten-Sammlung Zürich – hat am 24. April 2024 im Wissenschaftsmagazin «Nature» einen neuen Stammbaum der Bedecktsamigen Pflanzen veröffentlicht. Die Studie ist in ihrem Umfang einzigartig. Noch nie wurde der Reichtum der heute existierenden Bedecktsamigen Pflanzen derart umfassend analysiert: Insgesamt untersuchten die Forschenden 9506 verschiedene Arten aus 7923 Gattungen, die sämtliche heute anerkannten 416 Pflanzenfamilien repräsentieren.
Das 2015 von den Royal Botanic Gardens Kew unter William Baker initiierte sogenannte PAFTOL-Projekt ( Plant And Fungi Tree Of Life) benutzte die modernsten molekularbiologischen Methoden: Statt nur ein paar wenige Gene mit einigen 100 oder 1000 «genetischen Buchstaben» zu untersuchen, wurden gleichzeitig parallel 353 unterschiedliche Gene mit zusammen über 500 000 Buchstaben analysiert.
Material von fast 200 Kakteenarten aus Zürich
Dazu brauchte es von den einzelnen Pflanzen nur kleine Schnipsel. Rund ein Drittel der analysierten Proben wurden von Herbarmaterial entnommen, der Rest von Pflanzen aus den Sammlungen botanischer Gärten. Die Sukkulenten-Sammlung Zürich ist in Kooperation mit Dr. Jurriaan de Vos von der Universität Basel und Dr. Reto Nyffeler von der Universität Zürich am Projekt beteiligt und hat Material von 196 Kakteenarten geliefert. «Die ausgezeichnete Dokumentationslage unseres Pflanzenbestandes bietet beste Grundlagen für die Erforschung von evolutiven Vorgängen und die weltweite Zusammenarbeit mit renommierten Forschungsteams», führt die Leiterin der Sukkulenten-Sammlung Zürich, Dr. Gabriela S. Wyss stolz aus.
Der in der Publikation «Nature» vorgestellte neue Stammbaum ist detaillierter als alle früheren vergleichbaren Studien, die aus vielen einzelnen kleineren Studien mit weniger Arten und vor allem viel weniger Genen zusammengestellt wurden. Die bisherigen Kenntnisse zur Evolution der Pflanzenvielfalt werden in den Grundzügen bestätigt. Bei einigen Verwandtschaften führen die Daten aber zu neuen Einsichten. Das gilt insbesondere auch für die Evolution der Vielfalt der Kakteen.
Neues Wissen wertvoll für Klimaforschung und Pharmazie
Das im Projekt gewonnene neue Wissen kann in der Praxis vielfältig genutzt werden – die Grundlagedaten sind öffentlich für weitere Analysen und Studien verfügbar. Der Stammbaum hat auch eine zeitliche Dimension. Damit können zum Beispiel Klimaveränderungen mit der Evolutionsgeschwindigkeit korreliert werden: So erhöhte sich die Evolutionsrate vor ungefähr 40 Millionen Jahren im Zusammenhang mit einer globalen Abkühlung. Die bessere Kenntnis der Verwandtschaften im Stammbaum kann auch für das Aufspüren von Wirkstoffen für die Pharmazie nützlich sein oder für Fragen der Prioritätensetzung im Natur- und Artenschutz.
Über die Sukkulenten-Sammlung
Die Sukkulenten-Sammlung Zürich beherbergt seit 1931 die weltweit umfangreichste und bedeutendste Spezialsammlung sukkulenter Pflanzen und ist ein nationales Kulturgut. Sie bietet jährlich rund 60 000 Besucher*innen einen Einblick in die Vielfalt sukkulenter Pflanzen. Rund 22 000 Einzelpflanzen von über 4400 Arten werden hier kultiviert, wissenschaftlich dokumentiert und präsentiert.