Aktuelle Situation
Innerhalb der Stadt entstehen je nach baulicher Dichte und Materialisierung unterschiedlich ausgeprägte Wärmeinseln. Besonders kritisch ist die Wärmebelastung in heissen Sommernächten, wenn es in Zentrumsgebieten um bis zu 7 °C wärmer werden kann als im städtischen Umland.
Die Situation der Wärmebelastung in der Stadt wird verschärft durch den Klimawandel. Gemäss Prognosen (Meteoschweiz, 2018) ist in der Schweiz mit einer Zunahme der Jahresdurchschnittstemperatur von bis zu 3 °C bis 2060 zu rechnen (bei weiterhin steigendem Treibhausgasausstoss). Länger andauernde Hitzeperioden sind in der Stadt besonders problematisch. Aufgrund der starken Aufwärmung am Tag und der eingeschränkten Abkühlung nachts, nehmen die Temperaturen im Mittel kontinuierlich zu. In den wärmsten Nächten sinkt die Temperatur in dicht bebauten Gebieten nicht mehr unter 24 °C ab.
Die Anzahl Hitzetage und Tropennächte hat im Vergleich zu den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts bereits deutlich zugenommen. Seit 2001 treten Hitzetage und Tropennächte jährlich auf und werden tendenziell häufiger. Die Anzahl der Hitzetage ist in der Stadt nur gering höher als auf dem Land, die Anzahl der Tropennächte hingegen ist wegen dem nächtlich stark ausgeprägten Hitzeinseleffekt in der Stadt deutlich höher als auf dem Land.
Wie die Prognosen aus den Klimaszenarien CH2018 zeigen, ist in Zukunft zudem mit weniger Niederschlag während der Sommermonate zu rechnen. Dies führt dazu, dass weniger Wasser für die Grünflächen zur Verfügung steht, wodurch ihre Evaporationsleistung und somit die biologische Kühlleistung abnimmt.
Stadtbäume zur Hitzeminderung
Bäume leisten einen grossen Beitrag zur Aufenthalts- und Lebensqualität in der Stadt. Tagsüber können sie an Hitzetagen für eine Absenkung der Temperatur um maximal 9 °C sorgen. Der Hauptteil der Temperaturabsenkung mit bis zu 80 Prozent erfolgt dabei über die Beschattung durch die Kronenfläche (Fachplanung Stadtbäume 2021). Entsprechend hat die Entwicklung der Baumkronenfläche einen direkten Einfluss auf das Stadtklima.
Derzeit beträgt der Anteil Baumkronen am Siedlungsgebiet noch 15,4 Prozent. Der angestrebte Zielwert liegt bei 25 Prozent im Jahr 2050.
Die Gründe für Verluste sind zahlreich und reichen von natürlicher Mortalität, Krankheiten aufgrund von Schadstoffen, Bautätigkeiten, Sturmereignissen bis hin zu unsachgemässem Unterhalt. Insbesondere 2021 haben ein Schneesturm im Januar und in noch grösserem Masse ein Sommersturm im Juli den Stadtbäumen zugesetzt und grosse Schäden verursacht. Während in der Analyse der letzten Messperiode (2014–2018) von einer Momentaufnahme gesprochen wurde, muss dieses Ergebnis (2018–2022) als Bestätigung der Tendenz angesehen werden. Es zeigt sich, dass die Abnahme gesamtstädtisch stattfindet, d.h. sowohl in Verdichtungsgebieten (z. B. grüne Wohnstadt) als auch in vermeintlich statischeren Gebieten wie den urbanen Kerngebieten.
Die Karte mit der Bilanz der Baumkronenfläche (Bild) zeigt allerdings auch einzelne neu entwickelte Freiräume sowie Wohn- und Arbeitsumfelder, die sich durch einen hohen Zuwachs an Kronenfläche auszeichnen. Deutlich erkennbar ist dies bei grösseren und qualitätsvollen Arealüberbauungen, bei denen in den letzten Jahren viele neue Bäume gepflanzt wurden. Die Baumkronenfläche nimmt vereinzelt auch in Gebieten zu, die in den letzten Jahren neu entwickelt wurden, wie z. B. Zürich-West.
Ursachen & Belastungen
Versiegelte Flächen, wärmespeichernde Oberflächen und mangelnde Durchlüftung
Das Stadtklima oder auch Lokalklima ergibt sich aus Veränderungen der natürlichen Landschaft als Folge der Raumnutzung, insbesondere der Bebauung. Versiegelte Bodenoberflächen, veränderter Wasserhaushalt, weniger Grünflächen und Vegetation, aber auch schlechtere Durchlüftung (Beeinträchtigung des Kaltluftvolumenstroms) und insbesondere die Wärmespeicherung in Bauten führen zu einer Erwärmung. Hinzu kommt die Abwärme aus Dienstleistung, Gewerbe, privaten Haushalten und Verkehr.
Die Überwärmung bzw. die Anzahl Hitzetage und Tropennächte hängt stark von der Flächennutzung ab. Je mehr wärmespeichernde Oberflächen (Farbe und Beschaffenheit einer Oberfläche bestimmen dessen Wärmespeicherkapazität) sich in einem Gebiet befinden, umso stärker heizen sich diese am Tag auf und bleiben je nach Durchlüftungssituation auch in der Nacht überwärmt und die gespeicherte Wärme wird an die Umgebung abgegeben.
Auswirkungen
Die Überwärmung der Stadt wirkt sich auf unterschiedliche Bereiche aus. Als prioritäre Risiken der Wärmebelastung können dabei folgende Aspekte genannt werden:
- Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit und des Wohlbefindens, insbesondere von sensiblen Gruppen wie älteren oder geschwächten Personen und Kindern
- Leistungseinbussen bei der Arbeit
- Zunahme des Kühlenergiebedarfs
- Beeinträchtigung der Qualität von Boden, Wasser und Luft
- Beeinträchtigung von Flora und Fauna (Hitzestress)
Hitzeperioden gefährden Kleinkinder, Ältere und Kranke.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass während Hitzeperioden vermehrt Hirngefäss-, Herz-, Kreislauf- und Atemwegserkrankungen auftreten, wodurch insbesondere ältere Leute, Kleinkinder und bereits anderweitig erkrankte Personen besonders gefährdet sind. So kam es z. B. in den Hitzeperioden 2003 und 2015 bei über 64-Jährigen zu hitzebedingten Sterbefällen in Zürich (der Anteil der hitzebedingten Todesfälle an der Gesamtsterblichkeit lag im Jahr 2003 bei 5 Prozent, im Jahr 2015 bei 2,7 Prozent; BAFU 2023). Hinzu kommen negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit. Eine hohe Wärmebelastung in der Nacht kann die Schlafqualität beeinträchtigen, was wiederum dazu führt, dass die Hitzetoleranz am nächsten Tag geringer ist. In der Folge sind Erholung und Regeneration kaum noch möglich. Auch die Aufenthaltsqualität im Aussenraum nimmt während Hitzeperioden ohne angepasste Massnahmen stark ab, was sich wiederum negativ auf die Lebensqualität der Bevölkerung in der Stadt auswirkt.
Massnahmen der Stadt
Fachplanung Hitzeminderung und Fachplanung Stadtbäume
Seit 2020 verfügt die Stadt Zürich mit der Fachplanung Hitzeminderung über eine Planungsgrundlage, mit deren Hilfe der Faktor Hitze besser in der Stadtplanung berücksichtigt, das bestehende Kaltluftsystem erhalten und einer weiteren Überwärmung der Stadt entgegengewirkt werden kann. Die Fachplanung inklusive Teilpläne, Klimaanalysekarten und Umsetzungsagenda zeigen differenzierte Handlungsfelder und -ansätze sowie Massnahmen auf, um die Wärmebelastung im Aussenraum zu verringern. Basis dafür bildet die 2018 abgeschlossene Klimaanalyse des Kantons Zürich. Mit dem Stadtratsbeschluss Nr. 178/2020 zur Fachplanung Hitzeminderung wurden die bisherigen Planungsgrundlagen und -empfehlungen der Klimaanalyse 2011 (Stadtratsbeschluss Nr. 1384/2011) abgelöst.
Zum Abschluss der ersten Umsetzungsperiode 2020–2023 der Fachplanung Hitzeminderung wurde der Statusbericht Hitzeminderung verfasst, der den Stand sowie die Erkenntnisse aus der Umsetzung aufzeigt und einen Überblick über die Kosten gibt.
Konkrete Umsetzungen von Massnahmen aus der Fachplanung Hitzeminderung sind unter anderem:
- Hilfsmittel für Planende und Bauende zur Umsetzung hitzemindernder Massnahmen: Stadtklimatool für Planende und Bauende, das einen einfachen Zugang auf die Planungsgrundlagen ermöglicht oder die Analyse von Stadtklimamodellen im Planungs- und Bauprozess, bei der verschiedene Modelltypen bezüglich ihrer spezifischen Eigenschaften untersucht und verglichen wurden.
- Förder- und Beratungsangebote für Private für die ökologische Aufwertung ihres Hausumschwungs sowie für Vertikalbegrünung. Beispiel: Fördergelder für die Umsetzung von Fassadenbegrünungen und die Umsetzung und Bekanntmachung guter Beispiele durch die Stadt, z. B. wurde die Begrünung der Südfassade des Triemlispitals als gutes Beispiel ausgezeichnet.
- Berücksichtigung des Stadtklimas bei städtischen Hoch- und Tiefbauten: Für städtische Hochbauvorhaben sowie für Hochbauvorhaben stadtnaher Institutionen wie Stiftungen und Baurechtsnehmer*innen gelten die Meilenschritte 23 als Immobilienstandard zur Umsetzung der städtischen Umweltstrategie und des Masterplans Energie. In der neu überarbeiteten Version wurden ambitionierte Vorgaben zu allen vier Umweltzielen der Umweltstrategie definiert.
- Um Aspekte der Hitzeminderung rasch in Projekte implementieren zu können, wurde vom Tiefbauamt die Guideline Quickwins Hitzeminderung (Sofortmassnahmen) erarbeitet. Sie dient den Projektleitenden dazu, Projekte auf ihre Potenziale zur Hitzeminderung zu prüfen und bietet dabei die Möglichkeit, Ideen anzustossen, Massnahmen zu testen und Synergien in den Projekten zu generieren. Als besonders geeignet herausgestellt haben sich etwa Massnahmen wie Bäume oder Grünstreifen. Beispiele: Die klimagerechte Strassengestaltung mittels Entsiegelung asphaltierter Böden und Verbesserung der Lebensbedingungen von Bäumen und Hecken an der Heinrichstrasse oder die Berücksichtigung von Kaltluftströmen und Bepflanzung der Aussenräume beim Ersatzneubau der Schulanlage Borrweg.
- Umsetzung von Pilotprojekten und Sofortmassnahmen zur Gewinnung neuer Erkenntnisse. Beispiel: Die künstliche kühlende Nebelwolke «Alto Zürrus» über dem Turbinenplatz
- Anwendung neuer Prinzipien. Beispiel: Der Einbezug von Elementen der Schwammstadt beim Umbau der Giessereistrasse.
- Sensibilisierung zum Thema Hitzeminderung. Beispiele: Züri z'Fuess: Spaziergang zum Thema Hitzeminderung, Ausstellung «Cool Down Zürich» in der Stadtgärtnerei.
- Weiterentwicklung von Informations- und Hitzewarnsystemen, um die Gesundheit der Bevölkerung während Hitzeperioden zu schützen
Zusätzlich wird der zentralen Bedeutung von Stadtbäumen zur Hitzeminderung mit der Fachplanung Stadtbäume Rechnung getragen, die die vorhandene Kronenfläche in der Stadt Zürich von rund 15 Prozent (Stand 2022) auf 25 Prozent bis 2050 erhöhen möchte. Um dieses Gesamtziel zu erreichen, braucht es rund doppelt so viele Bäume und Kronenfläche in den heute am wenigsten durchgrünten Stadtgebieten wie beispielsweise Zürich-West und einen Erhalt in den heute bereits stark durchgrünten Gebieten wie beispielsweise am Zürichberg. Die Umsetzungsagenda beinhaltet Massnahmen für die Jahre 2022 bis 2029. Sie reichen von einer Erweiterung des Baumschutzes im Siedlungsgebiet über die Anpassungen von Baunormen bis zu Fördermöglichkeiten für Private. Über den entsprechenden Stand der Umsetzung wird periodisch berichtet. Im vierjährigen Rhythmus über die Entwicklung der Kronenfläche mit einem Monitoringbericht und in zweijährigem Rhythmus über die Auftragserfüllung in den Dienstabteilungen mit einem Fortschrittbericht. Die Berichte werden noch im Jahr 2024 veröffentlicht.
Verankerung des Themas Lokalklima und Hitzeminderung in Rechtsgrundlagen und Planungsinstrumenten
Richtplanung
Im regionalen Richtplan der Stadt Zürich sind stadtklimatische Aspekte in verschiedenen Kapiteln thematisiert. In Verdichtungsgebieten werden eine stadtklimatisch günstige Gebäudegestaltung und ein gut durchlüfteter Stadtkörper gefordert.
Bei der Erarbeitung des kommunalen Richtplans Siedlung, Landschaft, öffentliche Bauten und Anlagen (SLöBA) geht es aus stadtklimatischer Sicht insbesondere um die Hitzeminderung in der Gesamtstadt, um die Erhaltung des Kaltluftsystems sowie um die Entlastung von überwärmten Gebieten (Stand: Beschluss Gemeinderat).
Planungs- und Baugesetz, Bau- und Zonenordnung
Der Kanton hat die klimaangepasste Siedlungsentwicklung mit einer Teilrevision des kantonalen Richtplans sowie einer Anpassung der kantonalen Rechtsgrundlagen (Planungs- und Baugesetz PBG) rechtlich verankert. Diese Teilrevisionen geben den Gemeinden neue Möglichkeiten zur Festlegung von Bestimmungen für die Verbesserung des Stadtklimas in der kommunalen Bau- und Zonenordnung (BZO). Die Stadt Zürich konnte ihre Anliegen aktiv einbringen. Im revidierten PBG sind Festlegungen zu folgenden Themen enthalten: Vorgaben zu Pflanzabständen, Baumschutz und Baumpflanzvorgaben, Vorgaben zu Gebäudebegrünung und Grundstückbegrünung.
Anschliessend gilt es zu prüfen, ob auch in der Bau- und Zonenordnung Anpassungen sinnvoll wären. Bereits heute gibt es Festlegungen in der Bau- und Zonenordnung 2016 (BZO 2016, rechtskräftig) mit positivem Effekt auf das Stadtklima. In besonders empfindlichen Quartieren wurden Baumschutzgebiete festgelegt. Im neuen Zonentyp Parkanlagen und Plätze sind bei Neugestaltungen und Sanierungen ökologische und stadtklimatische Anforderungen zu berücksichtigen. Um wertvolle Grünräume weiter zu sichern, hat die Stadt die Baubereiche in bestehenden Kernzonen teilweise reduziert, neue Kernzonen geschaffen und verschiedene neue Bestimmungen zum Umgebungsschutz eingeführt.