Der Kopf: Emi Fukahori
19. September 2024 – «Magst Du den Kaffee heiss oder kalt? Mit oder ohne Milch? Und welche Geschmacksrichtung sagt Dir zu: schokoladig, fruchtig oder floral?» So klingt es, wenn man bei Emi Fukuhori im MAME an der Josefstrasse einen Kaffee bestellt.
Seit 120 Jahren wird das koffeinhaltige Getränk in Zürich ausgeschenkt. Damals, im Jahre 1804, eröffnete mit dem Café Littéraire im Roten Turm das erste Kaffeehaus der Stadt. Doch ein ganzes Jahrhundert mussten sich die Gäste mit einem wässrigen «Kafi Crème» oder säuerlichen Espresso begnügen. Tempi passati: Seit einigen Jahren bieten immer mehr trendige Cafés ein breites Angebot an handgerösteten Spezialitätenkaffees, serviert als Filterkaffee, Espresso, Americano, Cappuccino oder Flat White.
Emi Fukuhori hat einen wesentlichen Anteil daran. Die 36-jährige gehört zu den Pionier*innen und prominentesten Aushängeschildern der Szene. Aufgewachsen in Japan, absolvierte sie die Hotelfachschule in Luzern, ehe sie 2010 nach Zürich kam und bei einem Kaffee-Tasting vom Barista-Virus infiziert wurde. 2015 gewann sie den Barista-Schweizermeistertitel, 2018 gar den Weltmeistertitel. 2016 machte sie ihr Hobby zum Beruf und eröffnete mit ihrem Partner Mathieu Theis an der Josefstrasse das Café MAME, was auf japanisch Bohne heisst. Zwei Jahre später folgte eine Filiale im Seefeld, 2023 expandierten sie mit zwei weiteren Filialen nach Genf.
Ein Ort, um sich real zu treffen
Doch damit nicht genug: Seit 2019 rösten die beiden an der Uetlibergstrasse auch ihren eigenen Kaffee. In der lichtdurchfluteten Industriehalle stapeln sich sackweise Bohnen – 80 Sorten aus fünf Ländern – daneben steht die mächtige Röstmaschine, mit der sie jährlich rund 25 Tonnen Kaffee produzieren.
Die umtriebige Chefin sitzt auf einem Barhocker und schwärmt in astreinem hochdeutsch von Zürich: «Sauber, sicher, kurze Wege, eine unbürokratische Verwaltung – das erleichtert den Einstieg für uns urbane Produzenten». Einziger Wermutstropfen: Geeignete und zahlbare Produktionsräume sind rar. Viele wachsende Jungfirmen sind gezwungen, die Stadt zu verlassen. Diesem Schicksal möchte MAME entrinnen und sucht gerade mit Hochdruck eine neue Lokalität, denn Ende 2025 müssen sie ihre verlassen. «Unser Traum wäre ein neuer Food-Cluster im alten Schlachthof», erklärt sie. Denn eine lebendige Stadt brauche urbanes Gewerbe.
Und ebenso wichtig sei eine lebendige Kaffeehauskultur: «Gerade in Zeiten des Internets braucht die Stadt Orte, wo wir uns real treffen und eine Gemeinschaft aufbauen können», sagt Emi Fukahori. Die lokale Identität verbinde nicht nur, sie schaffe auch Jobs. Ein Beispiel? «In unseren Cafés verwenden wir die Zürcher Seife von Soeder und die Möbel fertigt eine Schreinerei aus dem Kreis 5.»
«Es gibt immer mehr Leute, die extra nach Zürich kommen für ein Kaffeehaus-Hopping.» Emi Fukahori
Seit Corona, so beobachtet sie, habe sich der Lebensstil verändert: «Unsere Gäste nehmen sich mehr Zeit füreinander, bleiben länger sitzen, geniessen mehr.» Und was sie besonders freut: «Die Zürcher*innen interessieren sich heute viel mehr für Kaffee als zu unseren Anfangszeiten. Und sie wissen deutlich mehr.»
«Wir sind heute nicht nur eine Schoggistadt, sondern auch eine Kaffeestadt», stellt Emi Fukuhori zufrieden fest. Und das habe sich schon weit herumgesprochen. Rund ein Drittel ihrer Gäste seien Tourist*innen, viele davon aus Amerika und Asien. «Es gibt immer mehr Leute, die extra nach Zürich kommen für ein Kaffeehaus-Hopping.»
Ein erstes Ziel ist also erreicht. Aber ihre Mission ist damit noch nicht beendet. Im Herbst wagt MAME erstmals den Schritt in die Agglomeration und eröffnet eine Filiale in Thalwil. Denn auch dort soll es nicht länger nur heissen: «Einmal Kafi Crème, bitte!»
Michael Krobath