Joel Meier

Die grösste Technoparty der Welt wird von einem früheren Punkmusiker organisiert. Er sorgt für einen geordneten Ablauf.

12. Juli 2024 – Für Hundertausende ist der Tag, an dem sie stattfindet, der schönste im Jahr. Für die Stadt Zürich ist sie ein Wirtschaftsfaktor und Imagegewinn. Und für Joel Meier bedeutet die Street Parade ein monatelanger Adrenalinkick. Dieses Jahr erlebt der Präsident des Vereins Street Parade noch kurz vor Start eine unangenehme Überraschung: Die Quaibrücke darf aus Sicherheitsgründen nur noch von einem Lovemobil befahren werden. Das wirft den Fahrplan des Umzugs über den Haufen: Es braucht Abklärungen, Zusatzmeetings und kreative Lösungen. Aber statt zu hadern, läuft Meier zur Hochform auf. Dank seiner Erfahrung und seinen Kontakten steht in kürzester Zeit ein Plan B. 

Seit 2008 ist der 51-Jährige Präsident des Vereins und damit oberster Verantwortlicher der grössten Technoparty der Welt. Mit seinem 23-köpfigen Team und rund 3000 Helfer*innen sorgt er Jahr für Jahr für einen reibungslosen Ablauf des Gigaevents. Abnützungserscheinungen? Fehlanzeige. Rücktrittsgedanken? Auf später verschoben. Sein nächstes Ziel? Eine zusätzliche Bühne beim Kongresshaus, um den Knotenpunkt Bürkliplatz zu entlasten. Denn die Street Parade droht zum Opfer ihres eigenen Erfolges zu werden; was 1992 als Umzug mit sieben Lovemobiles und Tausend Personen begann, entwickelte sich zu einer Party, die schon mehrmals die Millionengrenze knackte.

Wird die Musik lauter, laufen sie schneller

«Die grosse Kunst ist es, die Menschenmege zu kanalisieren», sagt Joel Meier. «Wir wissen immer, wo sich wie viele Leute aufhalten und können situativ die Strassen sperren und Zuwege umleiten.» Dank ihrer Erfahrung wissen sie, wie sie die Besucher*innen sicher leiten können: Staut sich die Menge um ein Lovemobile, dann wird die Lautstärke beim hinteren Wagen gedrosselt und beim vorderen erhöht. Dann laufen dort die  Tanzenden weiter. 

Ob Logistik, Sicherheit oder das Musikprogramm: Bei Joel Meier laufen alle Drähte zusammen. Das Knowhow dazu hat er im Laufe seiner langen Veranstalterkarriere gewonnen. Sie begann, als er 15 Jahre alt war. Damals hat er in seinem Heimatort Bäretswil sein erstes Open Air organisiert. Nach der Metzgerlehre widmete er sich seiner Schlagzeugerkarriere, bevor er in die Eventagentur Youngcom einstieg. Für diese arbeitete er an Grossanlässen wie dem Open Air Gampel und Caliente mit. 

«Dass die Street Parade im Gegensatz zu vielen anderen Paraden überlebt hat, ist auch ein Verdienst der Zürcher Stadtbehörden.»     Joel Meier

Sein Herz aber gehört der Street Parade. Obwohl ursprünglich der Punkmusik zugetan, fesselt ihn nicht nur die neue elektronische Musik, sondern auch der besondere Spirit dieser Veranstaltung: Der Anspruch, eine Demonstration zu sein, für mehr «Liebe, Friede, Freiheit, Grosszügigkeit und Toleranz». «Angesichts der fortschreitenden Polarisierung sind diese Werte wichtiger denn je», ist er überzeugt. Und er ist stolz darauf, die Seele der einstigen Technobewegung bis heute bewahrt zu haben. Wohl auch darum legen noch heute internationale Star-DJs ohne Lohn an der Street Parade auf. Ein Drittel aller DJ's sind dieses Jahr Frauen und das freut Meier ganz besonders.  

Dass die Zürcher Street Parade im Gegensatz zu vielen anderen überlebt hat, sei auch ein Verdienst der Stadtbehörden. «Von der Verkehrsplanung über die Sicherheit bis zur Reinigung – es ist ein Wahnsinn, was die städtische Verwaltung und ihre Betriebe im Hintergrund leisten», sagt Meier. «Ohne sie wäre die Street Parade nicht möglich».  

Am 10. August ist es wieder so weit: 30 Lovemobiles werden ums Seebecken rollen und Tausende von Tanzenden in Ekstase versetzen. Für Joel Meier beginnt dann sein jährlicher Halbmarathon – rund zwanzig Kilometer wird er an diesem Tag abspulen. Wird alle Anlagen überprüfen, Politiker*innen begrüssen, Interviews geben. Erst gegen 8 Uhr morgens, wenn der Abfall beseitigt und die Strassen gereinigt sind, wird er zu Hause in den Tiefschlaf fallen. Für ihn ist klar: «Der Kapitän bleibt an Bord, bis das Schiff im Hafen ist». 

Michael Krobath