Christoph Birkholz
22. April 2024 – Zürich hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten neu erfunden. Aus dem Finanzplatz wurde ein pulsierender Innovations- und Technologiestandort. Die Stadt wurde aber auch zum Mekka für Jungunternehmen, die eine ökologischere und sozialere Wirtschaft anstreben. «Heute sind fast die Hälfte der Gründer*innen im Nachhaltigkeitsbereich tätig», sagt Christoph Birkholz. Tendenz: steigend.
Der Ökonom gehört zu den Pionieren dieser Bewegung. Als Mitgründer und VR-Präsident des Impact Hub Zürich hat er deren wichtigsten Treffpunkt miterschaffen. Was 2011 im Viadukt als Co-Working-Space für Start-ups begann, ist heute eine einzigartige Plattform mit drei Standorten: am Sihlquai, im Viadukt und im Kraftwerk Selnau.
«Wer Dinge verändern will, muss raus aus der eigenen Blase. Deshalb haben wir uns in den letzten zehn Jahren stark geöffnet», sagt der 40-Jährige. Mit Erfolg: Der Impact Hub hat über 800 Mitglieder und verbindet Start-ups, Techies und Kreative mit NGO, Konzernen und öffentlichen Institutionen in einem einzigartigen Ökosystem.
«Wenn man die Wirtschaft frei machen lässt, geht es uns künftig allen eher schlechter als besser.»
Das Angebot reicht von Co-Working- und Meetingräumen über Community-Treffen und Konferenzen bis zu Konzerten und Ausstellungen. Das zentrale Thema: Die Entwicklung von innovativen Programmen für die Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDG): «Wir geben uns keinen grünen Anstrich – Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Wandel sind in unserer DNA.»
Das trifft auch auf ihn selbst zu. Aufgewachsen im Ruhrgebiet, hat Birkholz an der Hochschule St. Gallen zum Thema Impact Investing doktoriert. Er ist überzeugt: Die traditionelle Ökonomie taugt nicht zur Bewältigung der Klimakrise. Äussere Einflüsse wie CO₂-Emissionen müssen einbezogen werden. «Wenn man die Wirtschaft frei machen lässt, geht es uns künftig allen eher schlechter als besser.»
Gleichzeitig glaubt er daran, dass man mit sozialen und ökologischen Themen auch unternehmerischen Erfolg haben kann oder sogar muss: «85 Prozent unserer Mitglieder sind KMU, die am Markt bestehen müssen.»
Der vernetzte Netzwerker setzt alles daran, um Impact Investing besser in der Gesellschaft zu verankern. So hat er auch die Plattform für offene Innovation Kickstart oder das Start-up Inyova mitgegründet, eine Online-Vermögensverwaltung für nachhaltige Geldanlagen für Privatpersonen. Er ist mehrfacher Verwaltungsrat, unter anderem bei der Alternativen Bank Schweiz und war Beirat bei der Entwicklung der städtischen Smart City-Strategie.
Die Stadt wiederum unterstützt den «Circular Economy Incubator», das neueste Projekt des Impact Hubs. Dieser unterstützt dreissig Start-ups und Initiativen, die sich diesem Thema verschrieben haben.
Je grösser die Polarisierung, desto wichtiger der Dialog
Dass die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele infolge der globalen Krisen und Inflationsgefahr an Relevanz verlieren, hält er für unwahrscheinlich. «In Zeiten der beunruhigenden Polarisierung ist es umso wichtiger, dass ein intensiver Dialog über eine nachhaltige Zukunft und die Vernetzung aller Akteure stattfindet», so Birkholz. Und genau dafür brauche es Orte wie den Impact Hub. Dieser sei gekommen, um zu bleiben: 2029 wird er vom Sihlquai ins Limmathaus umziehen. Mietdauer: 30 Jahre.
Auch Christoph Birkholz, der seine Batterien am liebsten beim Surfen und Mountainbiken auflädt, denkt nicht daran, zurückzustecken. Er möchte seinen Enkeln einmal sagen können: «Wir wussten um die Probleme in Sachen Klima, Migration und soziale Ungleichheit. Aber wir haben unseren kleinen Beitrag geleistet, um etwas besser zu machen.»
Michael Krobath