Netflix schafft Jobs in Zürich

Die Filmbranche sorgt alleine im Kanton Zürich für einer Wertschöpfung von einer halben Milliarde Franken. Das zeigt die erste regionale Studie dazu.

19. September 2024 – James Bond schwingt sich rasant über die Hänge des Schilthorns, Pink Panther logiert im Hotel Gstaad Palace (wussten Sie das?), in Heidis malerischem Bergdorf wird Klara gesund. Filme machen Orte berühmt, und Orte schmücken sich mit ihnen.

Zürich hat im Film vor allem als Adresse für Banksafes und obskure Nummernkonti einen Auftritt. Um Klischees kommt man nicht herum. «Doch es gibt auch die andere Stadt, die wir zeigen wollen. Sie ist jung und cool, da sind erstklassige Hochschulen angesiedelt, da blühen Start-ups auf», sagt Anna Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung. 

Wertschöpfung in der Traumfabrik

Die Stadtentwicklung setzt sich für den Filmstandort Zürich ein. Sie trägt die Film Commission Zurich mit, die als unabhängiger Verein Filmproduktionen in der Stadt fördert (s. Box). «Ein guter Hollywoodfilm, der in Zürich spielt, ist letztlich eine tolle Werbung für die Stadt und leistet einen Imagetransfer », so Anna Schindler. Je nach Perspektive erfasst ein Film mit Szenen am Originalschauplatz die Atmosphäre und den Charakter einer Stadt und strahlt sie aus. Einmal ist Zürich eine geschäftige, wirtschaftsorientierte Bankenstadt, einmal innovativ, zukunftsorientiert, eine Stadt der verspielten Möglichkeiten. 

An der Langstrasse, mitten in Zürich, wird gedreht.

Filme verschaffen Zürich Aufmerksamkeit. Mit internationalen Gästen wie am Zurich Film Festival (ZFF) sonnt sich die Stadt auch im Charme und Glamour der Stars. Zudem können Aufnahmen vor Ort Reisende motivieren, den realen Ort des Geschehens zu besuchen. Wie die koreanische Netflix-Serie «Crash Landing on You», die viele asiatische Reisende nach Zürich gebracht hat. So funktionieren Traumfabriken.

Wie viele Tourist*innen schliesslich nach Zürich kommen, weil sie die Stadt in einem Film gesehen haben, lässt sich kaum messen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Filmbranche selber hingegen  schon: BAK Economics Basel hat im Sommer die Studie «Volkswirtschaftliche Bedeutung der Filmproduktionsbranche im Kanton Zürich» veröffentlich, welche sie im Auftrag der Film Commission Zurich erstellt hat. 

Ziel der Film Commission ist es, möglichst vielen Filmprojekten zu möglichst vielen Drehtagen in Zürich zu verhelfen. 

Sie zeigt: Im Produktionsjahr 2022 beläuft sich der Umsatz der Filmproduktionen im Kanton Zürich auf 450 Millionen Franken. 850 Produktionsfirmen bieten Arbeit im Umfang von 1400 Vollzeitstellen. Damit sind mehr als ein Drittel aller Stellen der Schweizer Filmwirtschaft im Kanton Zürich angesiedelt. Die Studie weist den Kanton Zürich als «Zentrum der Schweizer Filmproduktionsbranche» aus, die Stadt Zürich als seinen Mittelpunkt.

Was also kann Zürich für den Film tun? Commission-Chef Dino Malacarnes Ziel ist es, möglichst vielen Filmprojekten zu möglichst vielen Drehtagen in Zürich zu verhelfen. «Wir sind Vermittler, Troubleshooter und Drehscheibe in einem», sagt er lakonisch. Dabei spricht er so schnell wie jemand, der es gewohnt ist, viele Baustellen gleichzeitig zu managen.

Als erste Anlaufstelle für Filmproduktionen, die in Zürich drehen, unterstützt die Commission vor allem nicht ortsansässige Casts und Crews. Sie hilft ihnen etwa, Drehorte, locations, zu finden, vermittelt Kontakte zu Serviceproduktionsfirmen und zu Spezialist*innen für Tontechnik oder Licht und hilft bei Gesuchen für Drehbewilligungen. Heimisches Schaffen wie auch internationale Filme sollen in Züriwood realisiert werden. 

Auf dem Bild ein Mehrfamilienhaus, um das die Crew Krane, Scheinwerfer und Blitzschirme aufgebaut hat.
Bei den Dreharbeiten spektakulärer als im Film: Ein Zürcher Mehrfamilienhaus.

Dieses Jahr hat bereits eine grosse Hollywood-Produktion in Zürich gedreht. Nur so viel sei verraten: Es galt, an Originalschauplätzen zu drehen, an denen schon im echten Leben viel los war. So spielen etwa Szenen am 1. Mai auf dem Münsterhof, ausgerechnet während der Schlusskundgebung zum Tag der Arbeit. Oder am Flughafen – wenn es um die Sicherheit geht, eine der sensibelsten locations überhaupt. Dort zeigten sich die Zuständigen erst zurückhaltend, bevor sie auch noch eine Filmcrew bei vollem Reisebetrieb drehen liessen.

Hilft es da, wenn grosse Namen mit im Spiel sind? «Es kann schon helfen», meint Dino Malacarne diplomatisch. «Aber Zürich ist sehr offen für neue Produktionen. Wir haben ja auch eine Weisung des Stadtrats, Filmdrehs möglich zu machen.»

Wer bekommt den «Tatort»?

In der Branche unterscheidet man zwischen Auftragsfilmen und Freien Filmen. Erstere – Online-, Werbe-, Unternehmensfilme und TV-Produktionen – machen laut der Studie 90 Prozent der Filme aus. Freie Filme, worunter Dokumentar- und Spielfilme fallen, sind zwar in der Minderzahl, doch generieren sie zwei Drittel des gesamten Umsatzes der Zürcher Filmproduktionsbranche. Das ist deutlich mehr als im Schweizer Durchschnitt.

 «Beim Dreh einer neuen Tatort-Folge wachsen kleine Produktionsunternehmen auf KMU-Grösse mit bis zu hundert Mitarbeitern an.» Dino Malacarne

Die gesamte Wertschöpfung wird sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Branche erwirtschaftet. In den Zahlen der Studie: Im Jahr 2022 beläuft sich die direkte Bruttowertschöpfung durch die Filmproduzenten auf 153 Millionen Franken. Sie besteht grösstenteils aus Löhnen von Festangestellten. Hinzu kommen 97 Millionen Franken indirekte Bruttowertschöpfung aus Ausgaben in der Gastronomie, für Fahrzeuge, Produktionsflächen, Mieten, Honoraren sowie Konsumausgaben der Crews. 

Darum reissen sich die Städte um Produktionen wie den «Tatort»: Beim Dreh einer neuen Folge wachsen Produktionsunternehmen «von drei bis fünf Mitarbeitern auf KMU-Grösse mit bis zu hundert Leuten an», erklärt Dino Malacarne, der viel unterwegs ist, um an Schweizer und internationalen Festivals Menschen zu vernetzen und wie die anderen Commissions der Welt für «seinen» Drehort, für Zürich, die Werbetrommel zu rühren. 

Konkurrenz spielt auch zwischen den vier Film Commissions der Schweiz. Obschon Zürich als Zentrum der Filmbranche agiert, ist die Commission Zurich personell und finanziell weniger gut dotiert als ihre drei Pendants im Tessin, in der Zentralschweiz und im Wallis. Die Zürcher Strategie sieht deshalb vor, bis 2026 erstmals mit Fundraising zusätzliche Mittel zu akquirieren. 

Viele profitieren, wenn ein Film gedreht wird

Dabei soll die Commission Zurich auch mehr Spielraum bekommen, um Filmproduktionen finanzielle Anreize anbieten zu können. In diesem Wettbewerb liefern solche incentives wie Rabatte und Gebührenerlasse wichtige Argumente dafür, Zürich-Szenen nicht aus Budgetgründen in Prag oder anderswo zu drehen, sondern am vergleichsweise teureren Original-Schauplatz. 

Kinoliebhaber*innen finden im Film Inspiration, Unterhaltung, Verführung in neue Welten. Auch ökonomisch wirkt der Film gemäss Studie als «Impulsgeber». Die Analyse von BAK Economics ist für Dino Malacarne ein Augenöffner. Ihn habe überrascht, wie hoch der wirtschaftliche Effekt von Filmproduktionen ausfalle, sagt er. Die ganze Branche freue sich darüber, nun erstmals mit genauen Zahlen für den Film in Zürich argumentieren zu können. 

Am Zurich Film Festival Anfang Oktober, wenn auch Kate Winslet und Richard Gere auf dem grünen Teppich das Zürcher Publikum begrüssen, wird die die neue Studie an der Zürcher Filmnacht vor lokaler Politik und Wirtschaft vorgestellt. Bereits heute sei das Zürich Film Festival ein wichtiger Partner für Zürich, betont Anna Schindler. «In Zukunft wollen wir öfter solche Gelegenheiten nutzen und Kooperationen mit dem ZFF eingehen.» Denn da geht es um den Film als Kulturgut und um Zürich als Filmstadt. 

Nina Toepfer

Die Film Commission Zurich

Sie fördert Filmproduktionen in Zürich. Sie ist ein unabhängiger Verein, der von Vorstandsmitgliedern der Stadtentwicklung Zürich, dem Amt für Wirtschaft Kanton Zürich, von Zürich Tourismus und der Zürcher Filmstiftung getragen wird.