Wie Mieter*innen nach einer Kündigung einfacher eine Wohnung finden

Die Stadtentwicklung Zürich hat in einer Studie Vor- und Nachteile von Etappierungen untersuchen lassen.

11. Februar 2025 – Der Wohnblock aus den 1960-er Jahren brauchte eine Sanierung: 57 Jahre war er alt, die olivgrüne Fassade verblasst, Küchen und Bäder waren veraltet. Er war schon 1989 saniert worden und fast dreissig Jahre später fragten sich die Verantwortlichen: Lohnt sich eine erneute Sanierung? Oder würden sie das Gebäude besser abbrechen und schöner, moderner und grösser wieder aufbauen? 

Sie liessen Varianten prüfen und kamen zum Schluss: Sie machen beides – einen Teil des Blocks sanieren, den anderen abbrechen. Und: Sie etappieren das Bauvorhaben. So konnten die Mieter*innen jener Wohnungen, die saniert wurden, während des Umbaus bleiben. 

Ein in die Jahre gekommener dreistöckiger Block in olivgrün.
Die Klotener Siedlung Obstgartenstrasse der Pensimo-Gruppe vor dem Umbau.

Das Beispiel des olivgrünen Wohnblocks ist ungewöhnlich und fand deshalb Eingang in die Studie «Bausteine für eine etappierte Erneuerung von Wohnsiedlungen» des Planungsbüros EBP; die Stadtentwicklung Zürich hat sie in Auftrag gegeben. Ungewöhnlich an diesem Beispiel ist, dass es kein gemeinnütziger Besitzer ist, der sich für eine mieter*innenfreundliche Etappierung entschlossen hat, sondern ein börsenkotierter Immobilienfonds, der Swissinvest Real Estate Fund der Pensimo-Gruppe; in diese sind insbesondere Pensionskassen investiert.  

In Zürich etappieren hauptsächlich Genossenschaften 

Mit ihrer Studie will die Stadtentwicklung Zürich zeigen, welche Erfahrungen Eigentümer*innen mit Etappierungen machen. Welche Vorteile bringen sie? Und was kann dagegensprechen? Das untersuchten die Studienautor*innen  –  und waren auf überraschende Erkenntnisse gestossen. Anhand des Wissens aus der Studie sollen Eigentümer*innen grösserer Siedlungen nun besser beurteilen können, ob sich eine Etappierung empfiehlt oder nicht.

Da die Beispiele auch als Vorbilder für künftige Erneuerungsprojekte dienen sollen, war es den Studienautor*innen wichtig, möglichst unterschiedliche Projekte vorzustellen.  Allerdings: In Zürich fanden sie nur sehr wenige etappierte Erneuerungsprojekte von Privaten; ein solches Vorgehen wählten bis anhin hauptsächlich Genossenschaften. Das zeigt auch: Etappierungen sind nicht die einzige Lösung für eine nachhaltige Erneuerung. Aber es ist wichtig, dass Eigentümer*innen eine Entscheidungsgrundlage erhalten. Die Studienautor*innen dehnten in der Folge ihre Suche nach einem privaten Etappierungsprojekt über die Stadtgrenze hinaus bis nach Kloten aus; dort steht heute der Nachfolger des olivgrünen Wohnblocks. 

So konnten die Studienautor*innen vier Projekte mit grundlegend anderen Erneuerungsstrategien untersuchen:  

Ersatzneubau: Siedlung Katzenbach in Seebach

Totalsanierung in unbewohntem Zustand: Siedlung Dianapark in Rheinfelden

Ersatzneubau: Siedlung Birch in Seebach

Die Baugenossenschaft Linth-Escher ersetzte eine Siedlung mit 139 Wohnungen (links im Bild) durch eine mit 291 Wohnungen. 

Dazu kommt das Beispiel des Klotener Wohnblocks mit 24 Wohnungen. Saniert und teilerneuert verfügte er heute über 37 Wohnungen.  

Was die Studie nicht einbezog, sind die Kosten der Erneuerung; sie variieren von Projekt zu Projekt so stark, dass sie sich kaum vergleichen lassen. 

In Kloten wurden die Mieter*innen 2019 informiert, dass ihre Wohnung abgebrochen oder saniert wird. Ersteren bot die Pensimo eine ihrer anderen Wohnungen in Kloten und Umgebung an; die Hälfte nahm das Angebot an. Die Mieter*innen, deren Wohnung lediglich saniert wurde, konnten vorübergehend in die Abbruchliegenschaft ziehen; nur zwei Parteien suchten eine andere Wohnung. 2023 war der eine Block saniert, der andere ersetzt, und die Bewohner*innen feierten.

Damit gebaut wird kann, muss oft etwas abgebrochen werden

In der Stadt Zürich wird im bestehenden, bereits bebauten Gebiet verdichtet, weil die Landreserven weitgehend aufgebraucht sind. Im Jahr 2023 zum Beispiel sind in Zürich 3047 Wohnungen gebaut worden. Davon sind nur 273 auf unbebautem Boden erstellt worden, 1776 Wohnungen waren Ersatzneubauten. Die restlichen entstanden durch Umnutzungen. 

Diese Entwicklung kann dann zum Problem werden, wenn Personen in den Abbruchliegenschaften leben, für die es nicht einfach ist, wieder eine geeignete und bezahlbare Wohnung zu finden. Das sind Personen mit tiefen Einkommen, Ältere oder Familien mit schulpflichtigen Kindern. Diese möchten möglichst im Quartier bleiben.  

Wie das sozialräumliche Monitoring der Stadtentwicklung zeigt, liegt das Potenzial für Verdichtungen vor allem am Stadtrand, in peripheren Quartieren wie Schwamendingen oder Altstetten – dort, wo die Mieten relativ tief sind und überdurchschnittlich viele vulnerable Personen leben. Für diese ist es besonders wichtig, dass die Eigentümer*innen die Erneuerung sorgfältig planen, damit sie nicht aus der Stadt verdrängt werden. 

Für sie setzt sich auch die Stadt Zürich besonders ein. Allerdings hat sie keine gesetzliche Handhabe, um dies privaten Eigentümer*innen zu verordnen – sie kann sie vor allem für ein sozial nachhaltiges Vorgehen sensibilisieren, wie etwa mit diesem Leitfaden.  

Der Wohnblock in Kloten im Jahr 2023: Ein Teil wurde in bewohntem Zustand saniert, der andere ersetzt. Die Zahl der Wohnungen stieg dadurch von 24 auf 35.

Und welches Fazit ziehen die Verantwortlichen nach der Erneuerung in Kloten? «Wir hätten wohl höhere Mieten ansetzen können, wenn wir unsere Liegenschaft ebenfalls leergekündigt und nach der Sanierung neu vermietet hätten», sagt Dominik Schmid, Geschäftsführer des Swissinvest Real Estate Funds. Das wollten sie aber nicht. Ganz im Sinne ihrer Anlagestrategie gehen sie nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern auch sozial nachhaltig vor und verzichten, wenn immer möglich, auf Leerkündigungen.  

Die sozialverträglichste Variante ist auch die wirtschaftlichste

 «Dennoch ist unser Vorgehen auch wirtschaftlich aufgegangen», sagt Schmid. Dadurch, dass sie einen Teil der Liegenschaft nur sanierten, blieb deren Wert teilweise erhalten, und die Investitionen waren weniger hoch. Zudem konnten sie, da der eine Teil nur saniert wurde, schneller mit Bauen beginnen und es war einfacher, den Mieter*innen eine Ausweichmöglichkeit anzubieten. So war Dominik Schmid vom Ergebnis ihrer Abklärungen vor Beginn der Planung selbst überrascht: Die sozialverträglichste Variante ist auch die wirtschaftlichste.  

Janine Hosp

Die Erkenntnisse aus der Studie «Bausteine für eine etappierte Erneuerung von Wohnsiedlungen»

In Kloten, Seebach und Rheinfelden haben die Eigentümer*innen während der Erneuerung Erfahrungen gesammelt. Was sich bewährt hat und was nicht, zeigen die Studienautor*innen auf. Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Eine Etappierung bietet sich an, wenn eine Siedlung aus mehreren Gebäuden besteht. 
  • Je mehr Etappen ein Projekt vorsieht, desto einfacher ist es, Bewohner*innen eine Ersatzwohnung anzubieten. Allerdings steigen mit der Zahl der Etappen auch die Kosten und letztlich die Mieten. Können Etappen aber so angesetzt werden, dass sie sich zeitlich überschneiden, kann die Bauzeit verkürzt werden.  
  • Insbesondere bei der letzten Etappe lohnt es sich, Wohnungen befristet zu vermieten, statt sie leer stehen zu lassen – die Eigentümer*innen erhalten Mieteinnahmen, die Nachbarschaft bleibt belebt.  
  • Bei einer Etappierung haben Eigentümer*innen mehr Handwerker und Betriebe zur Auswahl – auch kleinere oder bereits gut ausgelastete Betriebe kommen infrage, da ihnen für die Erledigung der Aufträge mehr Zeit bleibt. Sind Eigentümer*innen mit einem Betrieb nicht zufrieden, können sie ihn bei der nächsten Etappe auswechseln.  
  • Etappierungen sind auch für Eigentümer*innen besser zu bewältigen: sie können zum Beispiel Wohnungsausschreibungen oder -besichtigungen über einen längeren Zeitraum verteilen. 
  • Durch die Erfahrungen aus den ersten Etappen können Abläufe oder Ausstattung wie die Zahl der Waschküchen später optimiert werden. 
  • Etappierungen sind anspruchsvoller, da auf dem Areal gewohnt und gebaut wird. 
  • Die Mieter*innen sollen frühzeitig informiert werden. Grundsätzlich gilt: Je angespannter der Wohnungsmarkt, desto früher. Dabei sollen Mieter*innen unter anderem erfahren, ob sie wieder eine Wohnung bekommen, und wie hoch die Mieten sein werden. Auch eine Ansprechperson bei der Verwaltung ist hilfreich.  
  • Eigentümer*innen mit vielen Liegenschaften können freie Wohnungen bevorzugt Mieter*innen anbieten, die ihre verlassen müssen. Genossenschaften in Seebach etwa arbeiten dafür zusammen und vergrössern so ihr Wohnungsportfolio.  

Weitere Empfehlungen finden sie in der Studie «Bausteine für eine etappierte Erneuerung von Wohnsiedlungen»