Neue Agglomerationsmethodik: Auswirkungen auf die Agglomeration Zürich
12. Februar - Klemens Rosin
Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren verändert: Vor allem in städtischen Räumen hat die Wohnbevölkerung zugenommen. Verkehrsinfrastrukturen vernetzen das Umland von Städten immer besser. Wegen den Veränderungen der räumlichen und demographischen Strukturen war das Bundesamt für Statistik (BFS) veranlasst, eine neue Definition der Agglomeration zu entwickeln. Die neue Methodik Raum mit städtischem Charakter 2012 löst die Agglomerationsdefinition aus dem Jahr 2000 ab.
Präzise Beschreibung städtischer Räume
Die neue Methodik verwendet Daten zu Einwohnerinnen und Einwohnern, Beschäftigten und Logiernächten (EBL, siehe Box am Ende dieser Webpublikation). Einerseits wird die EBL-Dichte, anderseits die EBL-Summe betrachtet. Agglomerationen müssen demnach sowohl über einen dichten Kern verfügen, als auch eine bestimmte Grösse erreichen.
Mit den neuen Regeln wird jede Gemeinde einer von sieben Kategorien zugeordnet:
- Kernstadt der Agglomeration (Beispiel: Zürich)
- Hauptkern der Agglomeration (Beispiel: Bassersdorf; Hinweis: Die Kernstadt gilt als Teil des Hauptkerns)
- Nebenkern der Agglomeration (Regensdorf, Wädenswil)
- Agglomerationsgürtel (Birmensdorf, Rafz)
- Mehrfach orientierte Gemeinde (Kappel am Albis, Endingen)
- Kerngemeinde ausserhalb der Agglomeration (Einsiedeln, Weinfelden)
- Ländliche Gemeinde ohne städtischen Charakter (Bauma, Rothenthurm)
Zur Agglomeration zählen die ersten vier Kategorien. Damit werden städtische Räume detailliert beschrieben. Die beiden neuen Kategorien «mehrfach orientierte Gemeinde» sowie «Kerngemeinde ausserhalb der Agglomeration» werden den veränderten räumlichen Verhältnissen der Schweiz gerecht: So orientiert sich beispielsweise Kappel am Albis sowohl an der Agglomeration Zürich wie auch an Zug. Zudem ist die neue Methodik robust gegenüber Gemeindefusionen. Die neuen Kategorien eignen sich auch für internationale Vergleiche (u. a. die Kategorie «degree of urbanisation, DEGURBA»).
Mit der neuen Agglomerationsdefinition werden einige der bisherigen Typologien nicht weitergeführt. Dazu gehören beispielsweise die Metropolräume, Arbeitsmarktregionen, MS-Regionen (mobilité spatiale), städtischen/ländlichen Gebiete 2000 oder Gemeindetypen 2000.
Agglomerationen der Schweiz umfassen eine grössere Fläche
Gemäss der Agglomerationsdefinition 2012 beinhaltet die Schweiz anstatt 50 neu 49 Agglomerationen. Vier neue Agglomerationen kamen hinzu, fünf bestehen nicht mehr. So stellt beispielsweise Wetzikon-Pfäffikon keine eigenständige Agglomeration mehr dar; die entsprechenden Gemeinden gehören nun zur Agglomeration Zürich. Um die Agglomeration Zürich sind unter anderem die Agglomerationen Zug, Wohlen, Lenzburg, Baden-Brugg, Schaffhausen, Winterthur, Rapperswil-Jona-Rüti und Lachen zu finden.
Gemäss neuer Definition umfassen die Agglomerationen der Schweiz deutlich mehr Gemeinden als zuvor (2000: 881 Gemeinden; 2012: 1099 Gemeinden). Während sich der Anteil der Bevölkerung in Agglomerationen nur geringfügig von 72,5 auf 73,0 Prozent erhöhte, nahm die Fläche in Agglomerationen deutlich zu. Sie stieg um rund einen Drittel von 8601 auf 11 356 km2 an.
In der Agglomeration Zürich leben 1,3 Millionen Menschen
Bezüglich der Wohnbevölkerung ist die Agglomeration Zürich klar die grösste Agglomeration der Schweiz. Im Jahr 2013 lebten dort fast 1,3 Millionen Menschen. Im Vergleich mit der Agglomeration 2000 ist die Fläche der Agglomeration Zürich um 20,3 Prozent angestiegen. Die Veränderung des Perimeters wirkte sich jedoch weniger stark auf den Bevölkerungsbestand aus: Durch den Definitionswechsel ist die Bevölkerung der Agglomeration Zürich bloss um 5,2 Prozent angewachsen (Jahr 2013). Es sind demzufolge vor allem grosse, aber nicht besonders bevölkerungsreiche Gebiete zur Agglomeration Zürich hinzugekommen.
Neu besteht die Agglomeration Zürich aus 151 Gemeinden (Jahr 2000: 130 Gemeinden). Im Vergleich mit der Agglomeration 2000 gehören die vier Gemeinden Knonau, Neuenhof, Remetschwil und Ehrendingen nicht mehr zur Agglomeration Zürich. Umgekehrt kamen 25 neue Gemeinden hinzu, 2 aus dem Kanton Schaffhausen, 5 aus dem Kanton Aargau sowie 18 aus dem Kanton Zürich.
Die Agglomeration Zürich reicht von Rafz im Norden bis nach Feusisberg im Süden; die westlichste Gemeinde ist Fischbach-Göslikon, die östlichste Bäretswil. Zum Hauptkern der Agglomeration gehören 32 Gemeinden. Nebst der Kernstadt Zürich gehören gewisse Zürichsee- (Horgen, Herrliberg) und Limmattalgemeinden (Dietikon, Oetwil an der Limmat) dazu. Im Osten reicht der Hauptkern der Agglomeration bis nach Volketswil. Der Nebenkern der Agglomeration besteht ebenfalls aus 32 Gemeinden, der Agglomerationsgürtel aus 87 Gemeinden.
30 Städte in der Agglomeration Zürich
Mit der neuen Methodik hat sich nicht nur die Definition der Agglomerationen, sondern auch der Städte geändert: Bisher wurden Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern als Stadt bezeichnet. Neu werden analog zur Agglomerationsdefinition nebst Wohnbevölkerung auch Beschäftigte und Logiernächte bei der Beurteilung berücksichtigt. Eine Stadt muss ein hoch-dichtes Zentrum aufweisen (2500 EBL pro km2) sowie eine Mindestgrösse erreichen (14 000 EBL pro Gemeinde).
Die Agglomeration Zürich verfügt nun über 30 Städte (bisher 29). Neu gilt die Gemeinde Urdorf als Stadt, obwohl sie mit einer ständigen Wohnbevölkerung von 9526 Personen den Grenzwert der alten Definition unterschreitet.
In der Agglomeration Zürich spielen die Städte eine wichtige Rolle: Über zwei Drittel der Menschen leben in Städten (Jahr 2013), obwohl diese nur etwa einen Drittel der Fläche ausmachen. Dabei nimmt die Stadt Zürich eine besonders zentrale Rolle ein: Ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung der Agglomeration Zürich wohnen in der Stadt Zürich. Zürich ist mit einer ständigen Wohnbevölkerung von knapp 385 000 (Jahr 2013) mehr als elfmal so gross wie Uster, die zweitgrösste Stadt der Agglomeration Zürich.
Zürich ist zwar mit Abstand die grösste Stadt der Agglomeration. Bezüglich prozentualem Bevölkerungswachstum seit dem Jahr 2000 belegt die Stadt Zürich jedoch bloss den 22. Rang unter den 30 Städten. Städte wie Bassersdorf (+54,0 %), Opfikon (+38,5 %) oder Schlieren (+37,6 %) sind deutlich stärker gewachsen als Zürich (+13,9 %).
- Kernzonen: Die EBL-Dichte wird mit einem 300 m Raster analysiert. Es werden Agglomerationskernzonen bestimmt, in denen minimale EBL-Dichten, minimale EBL-Summen sowie pro Kernzone ein dichtes Zentrum vorhanden sind.
- Kerngemeinden: Es werden Kerngemeinden ausgeschieden, die von Kernzonen dominiert werden (Übergang von Rasterzellen zu Gemeinden).
- Hauptkerne, Nebenkerne: Kerngemeinden werden anhand der Pendlerbewegungen in Haupt- und Nebenkerne unterteilt.
- Kerne zusammenfassen: Benachbarte Kerne mit funktionalen Beziehungen werden zu einer räumlichen Einheit zusammengefasst.
- Agglomerationsgürtel: Aufgrund von Daten zu Pendelnden und Beschäftigen werden Agglomerationsgürtel definiert.
- Mindestgrösse: Eine Agglomeration muss mindestens 20 000 EBL beinhalten.
- Kernstädte und Namen: Pro Agglomeration wird die Gemeinde mit dem höchsten EBL-Wert als Kernstadt bezeichnet. Daraus wird der Name der Agglomeration abgeleitet.
- Mehrfach orientierte Gemeinden: Es ist möglich, dass Gemeinden im fünften Schritt nicht eindeutig einer Agglomeration zugeordnet werden können. Gemessen an Pendlerströmen und Beschäftigten orientieren sich diese Gemeinden an mehreren Agglomerationen.
- Kerne ausserhalb Agglomerationen: Gemeinden ausserhalb von Agglomerationen mit minimalen EBL-Dichten sowie einem dichten Zentrum werden als Kerne ausserhalb Agglomerationen bezeichnet.
Methodik der Agglomerationsdefinition 2012
Der Raum der Schweiz wird anhand verschiedener Schwellenwerte zu Einwohnerinnen und Einwohnern (EW), Beschäftigten (BESCH), Logiernächten (LOGIER) und Pendelnden gegliedert. Die zentrale Grösse EBL berechnet sich wie folgt: EBL = EW + BESCH + LOGIER*2/365.
Bei der Raumgliederung wird in neun Schritten vorgegangen:
Datenquellen
Raumgliederungen der Schweiz (BFS, 2012)
Gemeindegrenzen (SWISSTOPO, 2014)
Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP, 2000 bis 2013)
Städtestatistik (2013)
Weitere Publikation zum Thema
Wohnbevölkerung der Agglomeration Zürich