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Vom Bedürfnis zum Angebot – ein Beispiel aus dem Entlisberg

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Die Angebotsentwicklung bei den Gesundheitszentren für das Alter orientiert sich an den Bedürfnissen der älteren Menschen – dem aktuellen Stand sowie der antizipierten Entwicklung. Zu diesem Zweck stehen die Gesundheitszentren für das Alter in engem Austausch mit internen und externen Fachpersonen: so zum Beispiel mit Zuweisenden wie etwa der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK).

30. Oktober 2023

Rolf Goldbach, leitender Arzt, und Morris Vock, Case Manager / Soziale Arbeit
Rolf Goldbach, leitender Arzt, und Morris Vock, Case Manager / Soziale Arbeit

Ende August 2023 hat das Gesundheitszentrum für das Alter Entlisberg eine neue Abteilung mit elf Zimmern eröffnet, speziell für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen. Ziel der neuen Abteilung ist es sicherzustellen, dass die bereits bestehende gerontopsychiatrische Übergangsabteilung im Entlisberg nie komplett ausgelastet ist und somit zu jedem Zeitpunkt Bewohnende aufnehmen kann, bis eine permanente Anschlusslösung gefunden wird. Dadurch positionieren sich die Gesundheitszentren für das Alter bei Zuweisenden als verlässlicher und konstanter Partner, der jederzeit Hand bieten kann.

Im Interview geben Rolf Goldbach, leitender Arzt, und Morris Vock, Case Manager, Auskunft über die Hintergründe und Erfahrungen.

Wie kam es, dass im Entlisberg eine Abteilung für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen eröffnet wurde?
Morris Vock: Dass wir die Räumlichkeiten für eine gerontopsychiatrische (GP) Abteilung nutzen würden, war schnell klar. Im Dialog mit den Zuweisenden hat sich herausgestellt, dass im GP-Bereich vor allem für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen eine Angebotslücke besteht.

Rolf Goldbach: Bewohnende mit Abhängigkeitserkrankungen gehörten schon immer zum Personenkreis, der einen guten Platz im gerontopsychiatrischen Versorgungsbereich des Gesundheitszentrums für das Alter Entlisberg fand. Eine Abteilung mit dem Unterstützungsschwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen gab es jedoch noch nicht. Ziel der Abteilung ist nun, eine spezifische Expertise auf diesem Gebiet aufzubauen und ein Milieu bereitzuhalten, das diesen Menschen und ihren Bedürfnissen gerecht wird. Dabei möchten wir uns als lernendes System verstehen.

Welche Vorteile bringt eine dezidierte Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen?
RG: Wir haben neue Betreuungsmöglichkeiten und können gezielt an den erforderlichen Strukturen arbeiten. So kann etwa im Rahmen der Beziehungsarbeit das Thema Tagesstruktur als Alternative zu Substanzkonsum angegangen werden. Zudem ist die Infrastruktur weniger anfällig und wir können das räumliche Angebot besser an die Bedürfnisse der Bewohnenden anpassen, etwa mit grösseren Bereichen, in denen geraucht werden kann. Dadurch können sie in einem sozialen Kontext Fernsehen und dabei Kaffee trinken und rauchen. Eine Herausforderung bei Abhängigkeitserkrankungen ist, die betroffenen Bewohnenden in das Gesamtsetting eines grossen Pflegezentrums zu integrieren.

MV: Für die Zuweisenden ist der Vorteil klar, dass wir zuverlässige Unterstützung bieten in einem Bereich, in dem es meist an längerfristigen Anschlusslösungen fehlt.  

Wie läuft die Zusammenarbeit auf der neuen Abteilung?
MV: Das ist ein wichtiger Punkt: Nicht nur die Abteilung ist neu, sondern auch das Team aus dem Entlisberg und weiteren Stellen bei den Gesundheitszentren für das Alter. Es setzt sich aus Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen zusammen wie Pflege, Arztdienst und Soziale Arbeit. Wir sind nicht immer gleicher Meinung, aber durch Reibung entsteht Entwicklung. Das Case Management nimmt im Austausch eine zentrale Rolle ein, indem es an den diversen Schnittstellen arbeitet – von der Bereichsleitung bis zur Reinigung. Wir sind so etwas wie der Steuermann, der das Segelboot lenkt, den Kurs im Auge behält und die Segel richtig setzt – basierend auf den verschiedenen Fachmeinungen. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.

Mit welchen Überlegungen seht ihr euch konfrontiert?
RG: Die zentrale Frage ist immer: Wo könnte der Mensch hinpassen? Bei einer Übergangslösung ist das weniger heikel. Wenn es permanent sein soll, müssen gute Lösungen gefunden werden. Unser Ziel ist es, den Bewohnenden eine stabilere Lebensphase im besten Fall bis zum Lebensende zu ermöglichen.

Wie kommt das neue Angebot bei den Zuweisenden an?
MV: Sehr gut. Die Abklärung beginnt bei der zentralen Auskunft und Beratung der Gesundheitszentren für das Alter und wird vom Gerontopsychiatrischen Team (Arztdienst, Pflegedienst, Case Management) finalisiert. Die Zuweisenden schätzen unsere zeitnahen und breit abgestützten Abklärungen inklusive Kennenlernbesuchen.

Wie äussern sich die Erkrankungen der Bewohnenden und wie geht ihr damit um?
RG: Substanzen führen manchmal dazu, dass die Impulskontrolle reduziert ist. Auch kognitive Defizite, eine Realitätsperspektive, die sich gewaltig von einer Normperspektive unterscheidet, oder auch reduzierte Ressourcen, für sich selbst zu sorgen, spielen eine grosse Rolle. Bei Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen gilt es, wie bei allen Bewohnenden von Pflegeeinrichtungen, die Autonomie zu stützen und zu fördern. Besonders ist, dass manchmal Restriktionen zu einer Verbesserung der Autonomie beitragen können, denn Sucht gefährdet die Autonomie. Es muss ein guter Rahmen gefunden werden, um mit der individuellen Situation umzugehen, zum Beispiel mit einer Konsumvereinbarung. Wir wollen die Menschen nicht zwingen, sondern motivational mit ihnen arbeiten, um eine höhere Stabilität zu erreichen und Krisen zu verhindern.