Erkrankungen der Gallenwege
Operative Eingriffe an den Gallenwegen können aus verschiedenen Gründen nötig werden. Die häufigsten sind das Gallensteinleiden und bösartige Tumorerkrankungen. Zusätzlich können auch Lage- und Formanomalien zu operativen Therapien Anlass geben.
Aufstau von Gallenflüssigkeit in der Leber
Eine der Komplikationen des Gallensteinleidens ist die Verlegung des Gallenganges durch einen Gallenstein, was unweigerlich zum Aufstau von Gallenflüssigkeit führt. Dies äussert sich in einer Gelbverfärbung der Haut durch die vermehrte Ablagerung des Gallensaft-Hauptbestandteiles (Bilirubin), da dieser nicht über die Gallenwege ausgeschieden werden kann. Weiter führt der Galleaufstau zu einer direkten Leberzellschädigung. Dies kann die übrigen Funktionen der Leber empfindlich beeinträchtigen, z. B. die Synthese von Blutgerinnungsfaktoren.
Erste Massnahme zur Behebung des Galleaufstaus ist eine sogenannte ERCP (= endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie und Papillotomie). Dies ist ein kombiniertes Verfahren von Magenspiegelung und Röntgendurchleuchtung zur bildgebenden Darstellung der Gallenwege. Diese Untersuchung kann mit einer Schlitzung des Schliessmuskels im Gallengang ergänzt werden, wobei mit optischen Instrumenten die Bergung des Gallensteines möglich ist.
Lässt sich der Galleaufstau so nicht beheben, kann nach Erholung der Leberfunktion die operative Entfernung der Gallenblase vorgenommen werden. Selten kommt es nach Entfernung der Gallenblase zur erneuten Ausbildung von Gallensteinen in den ableitenden Gallenwegen, was seinen Grund dann häufig in Formveränderungen mit Zysten und Aussackungen hat. Diese Krankheitsbilder können auch die Einlage eines Stents (Gefässprothese) erforderlich machen, um den Galleabfluss zu gewährleisten.
Chirurgischer Zugang
Lässt sich mit diesen Massnahmen der Galleabfluss nicht zuverlässig gewährleisten oder ist die Einmündung des Gallenganges in den Zwölffingerdarm für die Magenspiegelung nicht zugänglich, bleibt nur noch der chirurgische Zugang, der in diesen Situationen häufig offen erfolgen muss.
Allfällige Steine im Gallengang können chirurgisch problemlos entfernt werden. Der eröffnete Gallengang wird wieder verschlossen. Allerdings muss bis zum Abheilen dieser Naht eine Drainage eingelegt werden, da ansonsten die Gallenflüssigkeit in den Bauchraum auslaufen könnte. Diese Drainage bleibt für ca. 57 Tage liegen und kann danach problemlos ohne Narkose entfernt werden.
Der Gallengang reagiert leicht mit narbigen Verengungen auf Eingriffe, so dass narbige Einengungen nicht mit einfachen Erweiterungen versorgt werden können. Das Engnis im Gallengang muss darum umgangen werden: Der Galleabfluss lässt sich gut durch eine chirurgisch angelegte Verbindung zu einer Dünndarmschlinge wiederherstellen, so dass die Gallenflüssigkeit erst weiter unten im Verlauf mit dem Darminhalt zusammenkommt – über die sogenannte Fusspunktanastomose.
Tumoren im Bereich der Gallengänge
Auch im Bereich der ableitenden Gallengänge können sich bösartige Tumoren ausbilden, welche je nach ihrer Lokalisation unterschiedlich chirurgisch angegangen werden.
Im Bereich des Bauchspeicheldrüsenkopfs
Liegt der Tumor im Bereich des Bauchspeicheldrüsenkopfes, kurz vor dessen Einmündung in den Zwölffingerdarm, kann eine «Whipple'schen Operation» durchgeführt werden: Sie beinhaltet die Entfernung des tumorbefallenen Anteiles des Gallenganges zusammen mit dem umgebenden Bauchspeicheldrüsenkopf und dem Zwölffingerdarm.
Für die Rekonstruktion der Region wird anschliessend der verbleibende Bauchspeicheldrüsenkörper mit dem Bauchspeicheldrüsengang in eine Dünndarmschlinge eingenäht, in welche auch der Stumpf des Gallenganges eingeleitet wird. Der Magenausgang wird zum Abfluss mit einer weiteren Dünndarmschlinge verbunden.
Dieser Eingriff kann 4–8 Stunden in Anspruch nehmen, je nach der zugrunde liegenden Tumorsituation. Die Nachbehandlung unmittelbar nach der Operation erfolgt für die ersten 1–2 Tage auf der Intensivstation, da es sich um einen Eingriff mit mehreren Risiken handelt: Am heikelsten ist die Naht zwischen Dünndarm und Bauchspeicheldrüsenkörper, da hier die Bauchspeicheldrüsensäfte zum Auflösen der Nahtstelle führen können und es in der Folge zu erheblichen lokalen Entzündungen kommen kann. Da sich die Hauptschritte der Operation in unmittelbarer Nachbarschaft der grossen Baucharterien und -venen abspielen, ist auch auf zum Teil schwere Nachblutungen zu achten.
Nach der Verlegung auf die Normalstation werden die nächsten Tage dazu genutzt, die Darmtätigkeit wieder in Gang zu bringen, dem Patienten bei der Mobilisation behilflich zu sein und den Kostaufbau vorsichtig und behutsam vorzunehmen.
Die Aufenthaltsdauer im Spital nach einer Whipple'schen Operation liegt bei 23 Wochen, wenn der Eingriff und die Erholungsphase komplikationslos ablaufen. Die körperliche Belastung durch diesen Eingriff ist hoch, so dass eine solche Operation erst nach gründlicher Abschätzung der Risiken und des Gesundheitszustandes vorgenommen wird, wenn keine konservativen (das heisst nichtoperativen) Alternativen zur Behandlung vorliegen. Meistens handelt es sich um Tumorsituationen, die eine abwartende Haltung verbieten. Die Sicherung der Diagnose eines bösartigen Leidens muss im Vorfeld durch Punktionen, Spiegelungen u. a. m. für die Planung dieses Eingriffes erfolgen, um nicht eine risikobehaftete Operation für ein gutartiges Leiden, das mit wesentlich weniger belastenden Eingriffen behandelbar wäre, zu veranschlagen (s. auch Bauchspeicheldrüse).
Lokalisation näher bei der Leber
Liegt der bösartige Tumor des Gallenganges näher bei der Leber oder reicht er gar in die Leber hinein, kann die Therapie des Tumorleidens die Entfernung eines Leberlappens notwendig machen. Sind beide Leberlappen betroffen, muss gar eine Lebertransplantation abhängig von der Gesamtsituation evaluiert werden. Eine solche ist nur in speziellen Fällen möglich, kann aber dann lebensrettend sein.