Vorrangiges Ziel ist Transparenz
Qualität und Sicherheit sind entscheidende Merkmale in der Spitzenmedizin – dies gilt auch in der Herzchirurgie. Im Interview erläutert Prof. Omer Dzemali, Chefarzt Herzchirurgie am Stadtspital Zürich Triemli, wie er mit seinem Team die Qualität für die Behandlung der Patient*innen laufend weiterentwickelt. Ein besonderes Augenmerk schenkt er der Ausbildung des Nachwuchses.
Wo konnte die Klinik für Herzchirurgie in den vergangenen Jahren signifikante Verbesserungen erzielen?
Besonders die minimal-invasiven Eingriffe haben sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Konkret haben wir im vergangenen Jahr 70% der herzchirurgischen Eingriffe am Standort Triemli minimalinvasiv vorgenommen. Das bedeutet, dass wir zunehmend mehr Patient*innen mit dieser Technik schonender behandeln können und diese sich rascher von der Operation erholen können. Wir vergleichen unsere Qualitätszahlen mit den herzchirurgischen Kliniken in der Schweiz, aber auch in Deutschland und europaweit und sehen, dass wir in den vergangenen drei Jahren in verschiedenen Benchmarks über dem Durchschnitt lagen.
Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Qualitätsbericht für die Herzchirurgie?
Vorrangiges Ziel ist Transparenz. Mir geht es darum, dass wir die versprochene Qualität tatsächlich halten und unsere Patient*innen bestmöglich behandeln können. Der Qualitätsbericht der Klinik für Herzchirurgie dient der Klinikleitung zur Selbstkontrolle und zur Qualitätsentwicklung. Wir halten uns den Spiegel vor. Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Behandlungsqualität zu überprüfen und zu erkennen, wo wir uns verbessern können. Unser Ziel ist es, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und der Patient*innen zu steuern und zu steigern.
Worauf basieren die Qualitätsmessungen und wer verantwortet das Qualitätsmanagement?
Die Qualitätsmessungen basieren auf einem umfassenden Qualitätsmanagement. Dieses beruht auf einer Datenbank mit standardisierten Daten und Abfragen, welche unsere Datenmanagerin betreut. Einen Teil der Daten verwenden wir in der Klinik für Herzchirurgie auch für wissenschaftliche Studien. Die Datenbank wird jedes Jahr in einem unabhängigen Audit durch externe Experten geprüft. Es wird in Stichproben kontrolliert, ob die Daten stimmen. Die Ergebnisse der Audits fliessen ebenfalls in den Qualitätsbericht ein.
Wie erklären Sie sich die konstante Verbesserung der Qualität in Ihrer Klinik?
Wir haben sehr klare Prinzipien. Beispielsweise richten wir uns in der Klinik für Herzchirurgie nach der Art der Operation und nicht nach dem Operateur. Das bedeutet, dass wir uns auf standardisierte Operationsabläufe abstützen: Wir haben sehr gut gepflegte SOPs, sogenannte Standard Operating Procedures, an die wir uns halten. Also angenommen, ein Operateur wird während des Eingriffs von Schwindel befallen oder kann aus einem andern Grund nicht weiteroperieren: Dann kann die Operation von seiner Kollegin oder seinem Kollegen einfach weitergeführt werden, weil die Operation nach klar definierten Standards durchgeführt wird, und eben nicht auf den Operateur zugeschnitten ist.
Die Standardisierung spielt eine grosse Rolle…
Selbstverständlich, unsere Arbeit ist durch Weisungen geregelt, für jede Handlung gibt es eine Weisung. Diese werden durch den Qualitätsbeauftragten jedes Jahr aktualisiert, sie werden im Kader und im Gesamtteam vorgestellt, diskutiert und freigegeben, so dass alle informiert sind. Das erleichtert uns die Arbeit immens, es erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und es steigert die Behandlungsqualität.
Wie gelingt es Ihnen, die Mitarbeitenden in diese standardisierten Abläufe einzubinden?
Dies erreichen wir durch eine ganze Reihe von Massnahmen. So haben wir die täglichen Rapporte, morgens und nachmittags, die verschiedenen Teamsitzungen von Herzteam, Tumorboard oder Gefässboard, aber auch die internen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sowie die wöchentliche Chefarzt- und Leitende-Ärzt*innen-Visite. Wir erhalten monatlich einen Rapport über die Qualitätszahlen, das heisst über Anzahl OPs, Mortalitäts- und Komplikationsrate usw. und alle drei Monate legt uns die Qualitätsmanagerin einen Gesamtbericht vor.
Inwiefern können Sie mit den Qualitätsmassnahmen die Patientensicherheit erhöhen?
Unser Mantra lautet: standardisieren, messen, auswerten, optimieren. Verschiedene Massnahmen wie Timeouts vor jeder OP, das persönliche Gespräch des Operierenden mit dem Patienten und die persönliche Betreuung während des Aufenthaltes, aber auch die Berichte über den Verlauf der Patient*innen in jedem Rapport, dies alles führt dazu, dass wir die Sicherheit der Patient*innen deutlich erhöhen können.
Wie können Sie die Komplikationsrate aktiv reduzieren?
Komplikationsraten reduzieren können wir nur, wenn wir alert sind und Komplikationen offen ansprechen. Und dies geht nur über die Standardisierung. Daher haben wir für die grossen Eingriffe Bypass, Aortenklappe, Mitralklappe und Aorta je eine verantwortliche Kaderärzt*in definiert: Jeder pflegt seinen Spezialbereich, entwickelt ihn weiter und hat die Pflicht, die andern Operateure darin zu schulen, sodass der Wissensaustausch im Team funktioniert und wir einerseits alle alles können und anderseits die Bereiche dennoch auf verschiedene Schultern verteilt sind. So können wir die Expertise gezielt halten und weiter steigern.
Welche Rolle spielt das Qualitätsmanagement für die Entwicklung der Klinik?
Wir gehören zu den besten Herzkliniken Europas und wollen diese Stellung behaupten. Dank den verschiedenen Fort- und Weiterbildungen sind wir über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden und teilen dieses Wissen in der Klinik. Die Kaderärzt*innen widmen sich zusätzlich einem bestimmten Thema der Herzchirurgie, für dessen Entwicklung sie sich besonders interessieren. Ein Beispiel ist die Extraktion von alten Schrittmachergeräten: Wir haben 2018 ein Lasergerät angeschafft und waren die ersten in Zürich. Die Vorgabe war, jedes Jahr mindestens zehn Fälle durchzuführen. Heute sind wir bereits bei 50 Fällen pro Jahr. Bei den niedergelassenen Ärzt*innen stärkt diese Kompetenz das Vertrauen in unsere Arbeit.
Welchen Stellenwert hat die Qualität der Ausbildung in Ihrer Klinik?
Die Klinik für Herzchirurgie am Stadtspital Zürich ist eine A-Klinik, das entspricht dem höchsten Standard in der Schweiz. Wir haben uns sehr engagiert, um eine A-Klinik zu werden, haben die Anzahl der Operationen entsprechend entwickelt, aber auch die wissenschaftliche Arbeit. So haben wir in den vergangenen Jahren 28 anerkannte wissenschaftliche Publikationen herausgegeben, wurden als A-Klinik aufgenommen und sind seit diesem Jahr definitiv anerkannt. Darauf sind wir sehr stolz. Und dieses Jahr haben wir drei Fachärzt*innen ausgebildet, was eine grosse Leistung ist.
Der Fachkräftemangel ist ein Riesenthema. Was können Sie für den Nachwuchs von Herzchirurg*innen in der Schweiz beitragen?
Aus der Überlegung heraus, dass wir wenige Schweizer Herzchirurg*innen haben, habe ich vor vier Jahren ein Programm ins Leben gerufen, in dem wir Student*innen ab dem 4. Studienjahr aus der Uni Zürich als studentische Hilfskräfte bzw. Praktikant*innen einstellen und in unser Team am Triemli integrieren. Diese begleiten uns dann in der Regel zwei Jahre, bis zum Abschluss, und lernen die ersten Schritte in der Herzchirurgie. Dadurch habe ich mir einen Pool von hochmotivierten jungen Schweizer und Zürcher Student*innen geschaffen. Und nächstes Jahr werden wir eine junge Ärztin anstellen: Sie ist Schweizerin, kennt bereits das Team, identifiziert sich mit uns und leistet heute schon Dienste bei uns. Sie hat für die Facharztausbildung den Vorteil, dass sie bei uns ihr Curriculum bereits vorbereiten kann. Solche jungen Ärzt*innen bilden die Zukunft der Herzchirurgie in der Schweiz, sie lernen bei uns und werden unser Mindset für Qualität in andere Kliniken weitertragen. Es ist für mich eine sehr befriedigende Vorstellung, dass wir einen Beitrag an die Qualität der Herzchirurgie leisten können.