«Die menschliche Anpassungsfähigkeit ist nicht so schnell wie die technische Entwicklung»

Neue Technologien, neue Möglichkeiten: Mitarbeitende befähigen, sich in der Digitalen Transformation zurechtzufinden und eine Kultur zu schaffen, die Ideen und Innovationen fördert. Dies sind wichtige Ziele der neuen Digitalisierungsstrategie, die die Stadt Zürich in diesem Jahr verabschiedet hat. Andreas Németh, Direktor OIZ, blickt auf ein bewegtes 2024 zurück.

Artikel erschienen am 11. Dezember 2024

In diesem Jahr wurde die Digitalisierungsstrategie verabschiedet. Was will sie erreichen?

Die Strategie will die digitale Transformation der Stadtverwaltung weiter voranbringen. Diese ist nicht mehr nur ein IT-Thema. Für eine erfolgreiche Digitalisierung sind die städtischen Mitarbeitenden und die Fachabteilungen, das Business entscheidend. Wir müssen ihnen zeigen, welche Chancen und Möglichkeiten die neuen technologischen Entwicklungen bieten und wie sie diese in ihrer Arbeit erfolgreich einsetzen können und dürfen. Deshalb beinhaltet die Digitalisierungsstrategie nicht einzelne Vorhaben wie frühere IT-Strategien, sondern das Rüstzeug für die nächsten Schritte auf dem Weg durch die digitale Transformation.

Die Mitarbeitenden rücken damit in den Fokus?

Ich stelle zunehmend fest, dass unsere menschliche Anpassungsfähigkeit nicht so schnell ist, wie die rasante technologische Entwicklung. Es gibt sehr viele Veränderungen in kurzen Zeitabschnitten. Wir sind gar nicht mehr in der Lage, unsere digitalen Arbeitsinstrumente vollständig zu verstehen. Die Digitalisierungsstrategie setzt hier an und hilft, die Lücke zwischen technischem Fortschritt und Kompetenzen der Mitarbeitenden zu reduzieren. Sie unterstützt die Mitarbeitenden und gibt ihnen das notwendige Know-how, um die digitalen Instrumente richtig zu nutzen.

Die Digitalisierungsstrategie unterstützt die Mitarbeitenden und gibt ihnen das notwendige Know-how, um die digitalen Instrumente richtig zu nutzen.

Digistrategie

Was bietet die Digitalisierungsstrategie konkret?

Zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie haben wir ein Leistungsportfolio definiert. Es beinhaltet unter anderem den Kompetenzaufbau im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder der Nutzendenzentrierung, will die stadtweite Datennutzung forcieren oder bietet Beratungsleistungen zu juristischen Themen, die in der digitalen Transformation immer wichtiger werden. Es gehören aber auch Themen wie das Business Continuity Management oder die Geschäftsprozessdigitalisierung dazu oder zeitgemässe Projektmethodik. Durch ein stadtweites Projektportfolio wird Transparenz geschaffen: die eine Organisationseinheit weiss, was die andere macht. So nutzen wir Synergien. Weitere Themen sind Führung- und Organisationsentwicklung. Beides zentrale Themen in der digitalen Transformation. Von den durch die OIZ erbrachten Massnahmen aus dem Leistungsportfolio profitieren die städtischen Organisationseinheiten direkt in ihren eigenen Digitalisierungsprojekten. Die meisten Vorhaben entstehen in den städtischen Departementen oder Dienstabteilungen. Mit unserem Leistungsportfolio unterstützen wir die dezentralen Projekte.

Künstliche Intelligenz war auch in diesem Jahr in aller Munde, wie ist die Situation in der Stadt Zürich?

Es sind vor allem die Sprachmodelle, die in aller Munde sind. Formen der Künstlichen Intelligenz werden bei uns in verschiedenen Anwendungen seit längerem erfolgreich genutzt. Wir testen den Einsatz generativer Sprachmodelle in der Stadt Zürich. Alle Testszenarien haben das Ziel, Arbeitsabläufe effizienter zu machen und Mitarbeitende zu unterstützen. Im Schulamt beispielsweise wurde eine Anwendung getestet, die die rund 10 000 jährlichen Anfragen aus der Bevölkerung an die richtigen Stellen weiterleitet. Im Testbetrieb wurden 93% der Anfragen durch das KI-Modell korrekt automatisch zugewiesen. Das ist besser als die bisherigen manuellen Prozesse. Bei uns in der OIZ testen wir, das Erstellen von Ausschreibungsunterlagen mit KI unterstützen zu lassen und rechnen mit einem Zeitgewinn. Die stadtweiten KI-Anstrengungen werden von einer Community begleitet: Know-How-Austausch, gegenseitige Unterstützung und Datenschutz sind dabei zentral.

Der Zürcher Regierungsrat hat im Juni die Verordnung über elektronische Verfahrenshandlungen im Verwaltungsverfahren (VeVV) erlassen. Was bedeutet das für die Stadt Zürich?

Privatpersonen oder Unternehmen können ab 2026 formelle Eingaben zu einem Verwaltungsverfahren bei der Stadt Zürich elektronisch einreichen. Das VeVV ist eine grosse Chance, heutige Verwaltungsleistungen noch digitaler anbieten zu können. Mit dem «Mein Konto», dem digitalen Zugang zu unseren zahlreichen Online-Services, sind wir auf sehr gutem Weg: wir zählen bereits über 250 000 Accounts. Das VeVV bedeutet für uns im nächsten Jahr aber zuerst einmal grosse Anstrengungen hinsichtlich Technik, Organisation und rechtliche Rahmenbedingungen.

Welche Themen haben Sie in der OIZ im 2024 zusätzlich beschäftigt?

OIZ-Arbeitgeberkampagne 2024

Was selten im Rampenlicht steht, aber für uns absolut zentral ist, ist der sichere und zuverlässige Betrieb unserer Infrastruktur und unserer Anwendungen. Die immer komplexer werdende IT-Landschaft, beispielsweise durch die wachsende Cloudnutzung und die stets angespannte Sicherheitslage, erfordert viel Spezialwissen. Wir haben im 2024 deshalb unser Engagement im Recruiting und in der Organisationsentwicklung verstärkt.

In vielen Unternehmen gibt es gegenwärtig die Tendenz, Homeoffice zu reduzieren oder ganz abzuschaffen. Wie ist die Situation in der OIZ?

Wir haben für unsere Homeoffice-Regeln aus der Pandemie heraus zusammen mit den Mitarbeitenden klare Rahmenbedingungen entwickelt. Bis zu 50 Prozent können wir zu Hause arbeiten. Ein explizites Anrecht auf Homeoffice haben wir aber nicht. Beispielsweise ist der Arbeitskontext wichtig: Nicht jede Arbeit lässt sich im Homeoffice erledigen. Unsere Homeoffice-Regeln thematisieren und überprüfen wir regelmässig. Damit erreichen wir für alle eine Win-Win-Situation und eine Zusammenarbeit, die für alle in der OIZ gut funktioniert. Derzeit sehe ich keinen Handlungsbedarf, unsere Homeoffice-Regeln zu verändern. Der Homeoffice-Anteil liegt bei uns übrigens bei 35%.

verwaltungssite

Gibt es Projekte aus dem 2024, die es besonders hervorzuheben gilt?

Hervorheben möchte ich den neuen städtischen Webauftritt und die Datenstrategie. Die städtische Website haben wir erstmals seit 2008 in Zusammenarbeit mit der Stadtkanzlei und den Organisationseinheiten vollständig überarbeitet und themenorientiert gestaltet. Damit haben wir auch den Zugang zu den städtischen Online-Services deutlich vereinfacht. Bei der Erarbeitung der städtischen Datenstrategie leisten wir Pionierarbeit. Die Datenstrategie forciert stadtweit das datenbasierte Arbeiten und datenorientiertes Denken und definiert Leitlinien für die sichere Sekundärnutzung von Daten. Nächstes Jahr soll die Strategie formal beschlossen werden.

Interviewpartner

Andreas Németh ist seit Juni 2017 OIZ-Direktor. Vorher war er seit 1997 in verschiedenen Funktionen in der OIZ tätig, unter anderem als Gesamtprojektleiter IT-Strategie 2006, Hauptabteilungsleiter Kunden & Anwendungen sowie Vizedirektor. Andreas Németh ist diplomierter Wirtschaftsinformatiker und hat ein Masterstudium in Organisationsentwicklung abgeschlossen.