Lernen in digitalen Zeiten

Die Digitalisierung in Schulen wird im Rahmen des Strategie-Schwerpunkts «Digitale Stadt» mit dem Projekt «KITS Next Generation» weiter gefördert. Im Fokus steht ab diesem Sommer der Einsatz von privaten Geräten im Unterricht: das «Bring Your Own-Device»-Modell (BYOD). Im Interview erzählen Andi Hess, Leiter ICT Schulamt, und Claude Geier, Leiter KITS-Center OIZ, über den Einsatz von BYOD und zu welchen Erkenntnissen die Corona-Zeit geführt hat.

Artikel erschienen am 17. Juni 2020

Notebooks, Multifunktionsgeräte (Drucken, Scannen, Kopieren) und WLAN in jedem Klassenzimmer: «KITS», die Abkürzung für Kommunikations- und Informations-Technologien für die Schulen der Stadt Zürich, stellt die Infrastruktur und die Grundlage für die Digitalisierung in Schulen bereit. Die OIZ und das Schulamt arbeiten dafür eng zusammen.

Die Ansprüche an die ICT-Infrastruktur in Schulen ändern sich rasant, beispielsweise durch gesellschaftliche und technische Entwicklungen oder durch die Einführung des Lehrplans 21 (LP 21) mit dem neuen Schulfach «Medien und Informatik». Der Stadtrat hat deshalb 2017 beschlossen, dass die bisherige KITS-Infrastruktur mit dem Projekt «KITS Next Generation» durch neue Elemente und unterstützende Massnahmen ergänzt werden muss. In der ersten Etappe wurde in den letzten zwei Jahren die Einführung des Fachs «Medien und Informatik» mit persönlichen Tablets in den fünften und sechsten Klassen realisiert. Im März 2020 hat der Stadtrat die zweite Etappe von «KITS Next Generation» bewilligt: ab kommenden Sommer startet die Ausrüstung der restlichen Klassenstufen und die Verwendung von privaten Geräten im Unterricht nach dem «Bring Your Own Device»-Ansatz (BYOD).

Wie ist die Digitalisierung zu Zeiten von Corona in den Schulen spürbar?

Andi Hess: Die Schulschliessungen während des «Corona-Lockdowns» haben die Bedeutung der Digitalisierung in den Schulen nochmals verstärkt vor Augen geführt. Für den Fernunterricht war es notwendig, dass Lehrpersonen digitale Kommunikationsmittel einsetzen, um den Kontakt mit ihren Schülerinnen und Schülern aufrechtzuerhalten. So haben viele den Unterricht über E-Mail, Video-Chats und Lernplattformen organisiert. Auch Lehrpersonen, die der Digitalisierung eher kritisch begegnen, haben schnell die Vorteile der digitalen Kommunikation erkannt.

Auch Lehrpersonen, die der Digitalisierung eher kritisch begegnen, haben schnell die Vorteile der digitalen Kommunikation erkannt.

Andi Hess, Leiter ICT Schulamt

Welche Lösungen kommen aktuell zum Einsatz und wie wird der reibungslose Betrieb sichergestellt?

Claude Geier: Für die Kommunikation und Zusammenarbeit der Lehrpersonen mit ihren Klassen konnten wir sehr schnell Microsoft Teams zur Verfügung stellen. Ursprünglich war die Einführung ab Sommer 2020 vorgesehen, diese wurde nun zur Unterstützung in der aktuellen Situation vorgezogen. Damit die Schulen Microsoft Teams möglichst rasch nutzen können, hat das Schulamt sofort die notwendigen Anleitungen veröffentlicht. Besonders geschulte Lehrpersonen unterstützen die Schulen beim Einsatz.

Mit welchen Geräten arbeiten die Schülerinnen und Schüler zu Hause?

Andi Hess: Die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klassen nutzen natürlich ihre persönlichen Tablets, die sie von der Schule leihweise bekommen haben. Die Kinder und Jugendlichen der restlichen Schulstufen arbeiten zu Hause mehrheitlich mit privaten Geräten. Fast alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule besitzen zum Beispiel ein eigenes Smartphone, das sie für Kommunikation oder auch für einfache Lernprogramme einsetzen können. Es hat sich aber auch gezeigt, dass in vielen Familien das Homeoffice der Eltern und der Fernunterricht der Kinder zu einer echten Herausforderung wurden. Viele Familien mussten kreative Lösungen finden, um allen einen Arbeitsplatz zu ermöglichen. Zur Unterstützung des Fernunterrichts konnten wir KITS-Geräte aus den Schulen temporär an die Schülerinnen und Schüler abgeben.

Wie wird die Sicherheit und der Datenschutz sichergestellt?

Claude Geier: Auf allen KITS-Geräten sind Programme installiert, die vor unerwünschten Inhalten schützen. Dieser Schutz ist besonders während der Nutzung der KITS-Computer für den Fernunterricht wichtig, falls das Netzwerk zu Hause keinen Kinder- und Jugendschutz aufweist. Selbstverständlich sind für die Schulen zentrale Firewalls und Content-Filter im Einsatz. So können die Schülerinnen und Schüler sicher im Internet surfen – in den Schulen, wie auch auf den KITS-Geräten zu Hause. Wir haben gesehen, dass für die rasche Umsetzung des Fernunterrichts auch Programme eingesetzt werden, die nicht den Vorgaben des Datenschutzes entsprechen. Mit der Einführung von MS Teams konnten wir jedoch eine gute Alternative für die umstrittenen Video-Chat-Programme anbieten, damit wir die Vorgaben der Datenschutzstellen einhalten können.

Ab diesen Sommer dürfen Schülerinnen und Schüler in der Sekundarschule ihre eigenen Geräte für den Unterricht verwenden. Gibt es Erkenntnisse dazu aus der aktuellen Situation?

Andi Hess: Während der Schulschliessungen haben viele Schülerinnen und Schüler mit privaten Geräten gearbeitet – in allen Schulstufen. So konnten wir ungeplant wertvolle Erfahrungen mit dem «Bring Your Own-Device»-Modell sammeln und haben gesehen, dass dieses Modell grundsätzlich funktioniert. In diesem Zusammenhang hat sich aber auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Schulen Geräte zur Verfügung stellen können, wenn Schülerinnen oder Schüler zu Hause keinen Zugang zu einem Computer haben. 

Wie wird BYOD organisiert? Welche Software nutzen die Schülerinnen und Schüler?

Claude Geier: Beim Einsatz von privaten Geräten konnten wir beobachten, dass ganz verschiedene Gerätetypen mit unterschiedlichsten Betriebssystemen zum Einsatz kommen. Aus diesem Grund müssen wir Lösungen anbieten, die in allen Umgebungen reibungslos funktionieren. Zur Unterstützung des Fernunterrichts haben wir es in Zusammenarbeit mit dem Schulamt ermöglicht, dass Schülerinnen und Schüler zu Hause kostenlos Office 365 nutzen können. Für die Zukunft planen wir neben Office 365 auch einen «KITS-Remote-Desktop». Dann kann die ganze Schulumgebung beispielsweise auf einem privaten Notebook dargestellt werden – unabhängig vom lokal eingesetzten Betriebssystem.

Wie werden Lehrpersonen auf BYOD vorbereitet?

Andi Hess: Nach den Schulschliessungen mussten alle rasch reagieren und sofort mit dem Fernunterricht beginnen. Die Nutzung von privaten Geräten (BYOD) konnte weder geplant noch gross vorbereitet werden - trotzdem hat es in vielen Familien gut geklappt. Die aktuellen Erfahrungen zeigen, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Geräte oft selbst einrichten konnten, manchmal brauchte es noch Unterstützung durch Erwachsene. Für diesen Einsatz bedanke ich mich herzlich! Für die ordentliche Einführung von BYOD in der Sekundarschule haben wir nun mehr Zeit und können für die Lehrpersonen Kurse anbieten. Dort werden wir zeigen, wie man den Unterricht organisiert, wenn die Schülerinnen und Schüler beispielsweise ihre Smartphones im Unterricht verwenden.

KITS Schüler am Tablet

Wer unterstützt Schülerinnen und Schüler, wenn sie technisch nicht mehr weiterkommen?

Claude Geier: Wir wollen Office 365 und den geplanten KITS-Remote-Desktop so gestalten, dass möglichst wenige technische Herausforderungen auftauchen können. Die Jugendlichen in der Sekundarschule sind «Digital Natives». Sie sind mit digitalen Medien aufgewachsen und können ihre Geräte oft besser bedienen als die Erwachsenen. Mit etwas Hilfe, beispielsweise schriftlichen Anleitungen oder Video-Tutorials, können sie mögliche Probleme oft selbst lösen. In vielen Klassen gibt es zudem talentierte Schülerinnen oder Schüler, die sich besonders gut auf den Geräten auskennen und bei Bedarf gerne Unterstützung leisten. Wenn ein Problem vor Ort nicht gelöst werden kann, steht als Alternative immer die KITS-Infrastruktur in den Schulen zur Verfügung, die ab Sommer 2020 noch einmal ausgebaut wird. Es ist für uns wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler immer mit einem KITS-Computer arbeiten können, wenn gerade kein eigenes Gerät zur Verfügung steht.

Das Fach «Medien & Informatik» wird gemäss LP21 nun auch im Kindergarten und in der Unterstufe eingeführt. Wie kann man sich da eine Unterrichtsstunde vorstellen?

Andi Hess: Schon im Kindergarten lernen die Jüngsten die ersten Programmierschritte, indem sie beispielsweise den Bienen-Robotern spielerisch den richtigen Weg durch ein Labyrinth beibringen. Die im Moment sehr beliebten «Bee Bots» lassen sich mit einfachen Tastatureingaben programmieren und fahren dann den programmierten Weg ab. Wichtig ist, dass diese Themen altersgerecht eingeführt werden und die Kinder dabei spielen und forschen dürfen.

Die Digitalisierung in Schulen soll mit KITS Next Generation weitergehen. Was genau ist geplant und wann wird was eingeführt?

Claude Geier: Die vorgezogene Einführung von Microsoft Teams und die unsichere Liefersituation für mobile Computer stellen im Moment unsere Zeitpläne etwas in Frage. Wir werden aber so schnell wie möglich Office 365 und den KITS-Remote-Desktop in die Schulen bringen, damit der Einsatz von privaten Geräten erleichtert wird. Zudem planen wir ab Sommer 2020 die Sekundarschulen mit zusätzlichen Convertible-Computern auszurüsten und danach weitere Convertibles an die Schulstufen vom Kindergarten bis zur 4. Klasse auszuliefern.

Wie soll demnach in Zukunft gelernt werden?

Andi Hess: Die Erfahrungen während des Fernunterrichts haben gezeigt, dass die Arbeit mit digitalen Lernplattformen ein grosses Potenzial hat. Dort können die Schülerinnen und Schüler selbstständig nach ihren individuellen Bedürfnissen arbeiten. Besonders interessant sind Plattformen, die den Schwierigkeitsgrad laufend an die aktuellen Arbeitsresultate anpassen und den Schülerinnen und Schülern Aufgaben präsentieren, die den individuellen Fähigkeiten entsprechen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Plattformen dieser Art vermehrt auch im Klassenzimmer eingesetzt werden.

Eine Lehrerin erzählt über ihre Erfahrungen mit Tablets in Schulen

Interviewpartner

Andi Hess ist Leiter ICT beim Schulamt.

Claude Geier ist Leiter Schulinformatik der OIZ (KITS-Center) und Projektleiter für ICT-Schulprojekte. Er hat das KITS-Center vor rund 18 Jahren mit aufgebaut.