Artikel erschienen am 3. September 2024
Eigene Lösungen bauen
Digi+, ein Programm von OIZ und Smart City*, soll unter anderem Digitalisierungspotenzial sicht- und realisierbar machen. «Entsprechend umfasst unser Angebot für die Organisationseinheiten Beratung und Schulung, damit sie Digitalisierungschancen erkennen und nutzen können», sagt Projektleiterin Nadine Jäger, «sowie Begleitung bei der Realisierung von Digitalisierungsideen, die in den Beratungen an uns herangetragen werden.» So hat Digi+ einerseits ein Workshopformat konzipiert, das Mitarbeitende als sogenannte «Maker» befähigt, eigene digitale Lösungen zu bauen, um ihre Abläufe einfacher, sicherer und effizienter zu gestalten; andererseits unterstützt Digi+ Dienstabteilungen (städtische Organisationseinheiten) mit Individualentwicklungen, um interne Prozesse zu digitalisieren. Eine Schlüsselrolle spielen in beiden Fällen die Tools der Power Platform von Microsoft, darunter Power Apps und Power Automate. Im Rahmen der Einführung von M365 wurde die Power Platform den städtischen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt. «Mit Power Apps können Mitarbeitende ohne grosse Programmierkenntnisse mobile Applikationen entwickeln sowie einfachere Geschäftsanwendungen und interne Prozessautomatisierungen erstellen», sagt Jäger.
Vom Krankenwagen bis zum Werkzeugkasten: Apps für jeden Fall
Ein Beispiel: In den Fahrzeugen für Notfall- und Krankentransporte von Schutz & Rettung Zürich gibt es zahlreiche Checklisten zu Hygienemassnahmen, Materialbestand oder Medikamentenvorrat, die Einsatzteams mehrmals pro Tag durchgehen müssen. «Was früher auf Papier dokumentiert und von Hand nachgeführt wurde», sagt Jäger, «läuft jetzt über eine App, die alles auf einen Klick zeigt: den Stand der Hygienechecks, die aktuelle Materialbestückung des Fahrzeugs oder die Verwaltung des Medizinschranks, wo Abweichungen vom nachgezählten Bestand automatisch eine Meldung an die Zentrale auslösen.» Mit Power Apps gebaute Lösungen sind auch bei Geomatik + Vermessung im Einsatz, um die Werkzeugausstattung der Fahrzeugflotte ajour zu halten, bei den Sozialen Einrichtungen und Betrieben zum Management von Digitalisierungsprojekten oder bei der sip züri, der aufsuchenden Sozialarbeit auf Zürichs Strassen, wo eine App die Fahrtenbücher auf Papier ersetzt hat.
Bessere Übersicht bei Neueintritten
Ein «Maker» der ersten Stunde ist Martin Menzel, tätig im Datenmanagement bei Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ). Für seine Dienstabteilung hat er schon mehrere Digitalisierungsvorhaben mit umgesetzt, zuletzt eine Lösung, die das Onboarding von Mitarbeitenden, also den Prozess von der vertraglichen Zusage bis zur Einarbeitung, für alle Beteiligten übersichtlicher, effizienter und einfacher gestaltet. «Nun wird jede involvierte Stelle automatisch durch ihre Zuständigkeiten im Prozess gelotst, bis diese abgearbeitet sind und verbleibende Aufgaben an die nächste Abteilung übergehen», sagt Martin Menzel. Vom Human Resources Management über die zuständige Führungskraft und bis hin zu den IT-Verantwortlichen: So seien alle stets auf dem Laufenden, was den Stand der Dinge betrifft. «Früher lief der Prozess über PDF-Formulare und Emails, die zwischen den Abteilungen hin und her gingen», sagt Martin Menzel. «Das war fehleranfällig. Da ging schon mal die Übersicht verloren, und es kam vor, dass am ersten Arbeitstag von neuen Mitarbeitenden ein Notebook oder der Zugang für die IT fehlten. Mit der neuen Lösung können wir solche Fehler vermeiden.»
Workflows für wiederkehrende Arbeiten
Gebaut hat Martin Menzel die Lösung mit Unterstützung von Reiner Ganser, Power-Platform-Entwickler bei OIZ und Mitglied im Digi+Team. Die Grundlage dafür bot Power Automate, ein weiteres Tool aus dem Werkzeugkasten der Power Platform, mit dem sich automatisierte Workflows erstellen lassen: «Wiederkehrende, standardisierte Abläufe werden automatisch abgewickelt», sagt Ganser. «Das können einfachere Dinge wie Listennachführung oder Nachrichtenversand oder aber mehrstufigere Prozesse wie Genehmigungsverfahren oder Neueintritte sein.» Ganser erklärt die Initiierung der Vorhaben: «Am Anfang steht immer eine Standortbestimmung, die grundlegende Fragen klärt», sagt Ganser. «Welche Ideen sind vorhanden und eignen sie sich für ein Digitalisierungsvorhaben? Lohnt es sich, den jeweiligen Prozess zu automatisieren, und bieten die Werkzeuge der Power Platform die geeignete Lösung dafür?»
«Digitalisierung ist kein Selbstzweck»
Diese Voraussetzungen seien nicht etwa gegeben, wenn man zehn Tage für die Entwicklung einer Lösung investieren müsste, die dann an einem Tag pro Jahr zum Einsatz käme, oder Abläufe digitalisiere, die so wenige Arbeitsschritte und Leute betreffen, dass sie in herkömmlicher Herangehensweise schneller erledigt sind. «Digitalisierung soll kein Selbstzweck sein», sagt Ganser, «sondern da zum Einsatz kommen, wo es Sinn ergibt.» Dann steht dem Workshop zum «Maker», bei dem Mitarbeitende unter Anleitung von Expert*innen passende digitale Lösungen bauen und anschliessend weiterentwickeln, nichts mehr im Weg. «Voraussetzung für den Besuch der Maker-Workshops», sagt Ganser, «ist ein Besuch der Tageskurse zu Power App und Power Automate, in denen es darum geht, ein grundlegendes Verständnis von der Funktionsweise dieser Werkzeuge zu entwickeln.»
Bibliothek für Power-Platform-Lösungen
«Standardabläufe wie Personalprozesse, Ausschreibungs- oder Genehmigungsverfahren, Materialinventur oder Fahrzeug-Sharing laufen zwar in jeder Organisationseinheit etwas unterschiedlich ab, sind sich im Kern aber oft ähnlich», weiss Sandra Sulzberger. Die Informatikerin verantwortet im Rahmen von Digi+ den Aufbau einer Bibliothek für Power-Platform-Lösungen, die Organisationseinheiten zur Digitalisierung ihrer Geschäftsanwendungen und Arbeitsprozesse entwickelt haben. «In der Bibliothek sollen andere Organisationseinheiten Inspiration finden für eigene Digitalisierungsvorhaben», sagt Sulzberger, «oder im besten Fall sogar eine Lösung, die sie nur noch adaptieren, im Grunde also übernehmen können.»
Austausch und Inspiration
Unter den Neuzugängen in der Bibliothek sind gleich zwei Lösungen, an denen «Maker» Martin Menzel vom ERZ beteiligt war: Das Tool zum automatisierten Onboarding von neuen Mitarbeitenden sowie eine App für das Einkaufsteam. Letztere erleichtert das Management von Submissionsverfahren und die damit verbundene Ressourcenplanung. «Diese App von ERZ hat bereits OIZ für den eigenen Einkauf getestet», sagt Sulzberger. «Die definitive Lösung wurde dann zwar eine andere, weil der Einkauf in den zwei Dienstabteilungen doch recht unterschiedlich funktioniert. Aber allein das Ausprobieren eines vorhandenen Prototypens ist hilfreich, um bei der Suche nach einer geeigneten Lösung einen entscheidenden Schritt weiterzukommen.» Auch das Interesse an der digitalen Lösung, die ERZ rund um Neueinstellungen entwickelt habe, sei gross.
Niederschwellig und schnell
Die Bibliothek ist ein weiteres Puzzlestück im Unterstützungsangebot, welches den Dienstabteilungen und ihren «Makern» zur Verfügung stehtellt. «Die niederschwellige Herangehensweise, welche Power Platform Mitarbeitenden ohne IT-Ausbildung ermöglicht, hat grosses Potenzial.», sagt Sulzberger. «So ist es heute durchaus möglich, Digitalisierungsvorhaben, die früher Projektlaufzeiten von drei Jahren hatten, innert drei Monaten umsetzen. Gleichwohl sind diese Workshop-Projekte für einfachere interne Abläufe gedacht. Für komplexere Aufträge braucht es Fachpersonen, die von A bis Z mit im Boot sind – oder eben doch ein Projekt in herkömmlichem Umfang.»
*Das Programm Digi+ von OIZ und Smart City beschleunigt die weitere Digitalisierung in den verschiedenen Organisationseinheiten der Stadtverwaltung.