Bauliche Erneuerung und sozialer Wandel
29. September 2016 - Stefanie Jörg
Zürich ist im Wandel. Nicht nur die Bevölkerungszahl steigt, auch die soziodemographische Zusammensetzung ändert sich. Die Stadt wird jünger, internationaler und das Bildungsniveau nimmt zu. Gleichzeitig erlebt Zürich eine intensive bauliche Erneuerung. Zwischen 2000 und 2014 wurde in der Stadt Zürich jede fünfte Wohnung (40 020 Wohnungen) erneuert. Die grosse Mehrheit davon (83 %) wurde im Rahmen einer Bestandeserneuerung umgebaut, rund ein Sechstel wurde abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt (Wohnersatzbau, 17 %).
Erneuerungen schaffen durch innere Verdichtung oft Platz für mehr Bewohnerinnen und Bewohner (Bauliche Erneuerung und Verdichtung). Zudem zeigen sich Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung naturgemäss besonders deutlich dort, wo Wohnobjekte erstmals (Neubauten) oder erneut (umfassende Bestandeserneuerungen) auf dem Markt verfügbar sind. Wie fest unterscheidet sich die soziodemographische Zusammensetzung der Bewohnerschaft von erneuerten Gebäuden von der übrigen Bevölkerung? Mithilfe der Eidgenössischen Volkszählung, der Strukturerhebung und dem städtischen Bevölkerungsregister wird im Folgenden die Veränderung der Zusammensetzung der Bevölkerung im Zeitraum 2000–2014 in erneuerten Wohnungen mit derjenigen der Gesamtbevölkerung der Stadt Zürich verglichen.
Nach Erneuerung: überdurchschnittlich viele Personen mit hoher Ausbildung…
Es leben immer mehr Personen in der Stadt Zürich, die über einen Abschluss der Tertiärstufe verfügen (Höhere Berufsbildung und Hochschulebene). Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ab 15 Jahren stieg zwischen 2000 bis 2014 von 25 Prozent auf 42 Prozent – was einer Zunahme von 17 Prozentpunkten entspricht. Wie die Grafik 1 zeigt, fand bei den erneuerten Wohnungen eine überdurchschnittliche Zunahme statt: Bei Bestandeserneuerungen nahm der Anteil der Personen mit Tertiärbildung im gleichen Zeitraum um 21 Prozentpunke zu. Nach einem Wohnersatzbau betrug die Zunahme 35 Prozentpunkte. Der Anteil Personen mit Tertiärbildung stieg in Wohnersatzbauten also rund doppelt so stark an wie im Gesamtbestand.
... sowie mit hochqualifizierten Berufen
Gut ausgebildete Personen üben häufiger einen hochqualifizierten Beruf aus. Darum erstaunt es nicht, dass sich die Zusammensetzung der Bewohnerschaft bezüglich Berufsgruppen zwischen 2000 und 2014 ähnlich veränderte wie bei der Bildungsstruktur. Gesamtstädtisch nahm der Anteil Personen, die in einem hochqualifizierten Beruf (Führungskräfte, akademische Berufe, Techniker und gleichrangige Berufe) arbeiteten, im Zeitraum von 2000 bis 2014 um 9 Prozentpunkte zu. In erneuerten Wohnungen war die Zunahme deutlich höher: Der Anstieg bei Bestandserneuerungen betrug 13 Prozentpunkte, bei Wohnersatzbauten gar 33 Prozentpunkte. Die Zunahme der Personen, die einen hochqualifizierten Beruf ausüben, stieg in Wohnersatzbauten mehr als dreimal so stark wie im Gesamtbestand der 15-jährigen und älteren Wohnbevölkerung.
Erneuerungen ziehen überdurchschnittlich viele Familien an
In Zürich nahm der Anteil der unter 10-jährigen Kinder und der Personen zwischen 30 bis 60 Jahren im Zeitraum 2000–2014 zu (+1,0 beziehungsweise +2,1 Prozentpunkte). Der Anteil der 10- bis 30-jährigen Personen und jener der 60- bis 90-jährigen verminderte sich hingegen (-1.3 beziehungsweise -1,8 Prozentpunkte). In erneuerten Wohnungen war diese Entwicklung deutlich stärker ausgeprägt (siehe Grafik 2). Der Anteil unter 10-jähriger Kinder erhöhte sich in Bestandeserneuerungen doppelt so stark (+2,0 Prozentpunkte) und in Wohnersatzbauten mehr als drei Mal so stark (+3,6 Prozentpunkte) wie im Gesamtbestand. Diese Veränderungen führten dazu, dass 2014 in fast jeder vierten Wohnung (23 %) eines Wohnersatzbaus eine Familie mit Kindern unter 10 Jahren wohnte. Im Gesamtbestand war dies nur in 12 Prozent der Wohnungen der Fall.
Schweizerinnen und Schweizer überdurchschnittlich oft in Wohnersatzbauten
Der Anteil der Bewohnerschaft mit einem Schweizer Pass hat gesamtstädtisch zwischen 2000 und 2014 leicht abgenommen (-2,8 Prozentpunkte). In bestandeserneuerten Wohnungen war die Abnahme mit -2,9 Prozentpunkten etwa gleich hoch. In Wohnersatzbauten nahm der Anteil der Schweizer Bewohnerschaft hingegen um 2,9 Prozentpunkte zu.
Der höhere Ausländeranteil ist am stärksten auf die Zuwanderung aus Deutschland zurückzuführen (siehe Grafik 3). Gesamtstädtisch nahm der Anteil deutscher Staatsangehöriger von 2000 bis 2014 um 4,7 Prozentpunkte zu. In erneuerten Gebäuden war die Zunahme noch stärker. In Wohnersatzbauten erhöhte sich ihr Anteil um 6,5 Prozentpunkte. Ein gegenteiliger Effekt stellte sich bei italienischen Staatsangehörigen ein. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil von Personen aus Italien im Gesamtbestand um 1,1 Prozentpunkte ab. In Wohnersatzbauten war die Abnahme mit 3,2 Prozentpunkten fast dreimal so gross.
Die Zürcher Bevölkerung zeigte sich 2014 im Vergleich zu 2000 besser ausgebildet, jünger und internationaler. Diese gesellschaftliche Veränderung war gesamtstädtisch zu beobachten – also in erneuerten wie auch in unveränderten Gebäuden. In Wohnersatzbauten, die immer stärker verbreitet sind, verändert sich die Bewohnerstruktur besonders stark: Der neu geschaffene Wohnraum wurde von einer höher gebildeten Bewohnerschaft mit hochqualifizierten Berufen und Familien mit kleinen Kindern genutzt. Im Gegensatz zur gesamtstädtischen Entwicklung nahm in Wohnersatzbauten der Anteil Personen mit Schweizer Pass zu. Bei Bestandeserneuerungen verliefen die gesellschaftlichen Veränderungen in die gleiche Richtung wie im Gesamtbestand – die Trends zu höherer Ausbildung, Verjüngung und Internationalisierung der Bewohnerschaft waren jedoch noch deutlicher ausgeprägt.
Datenbasis
Von 1850 bis 2000 wurde alle 10 Jahre eine Volkszählung per Fragebogen bei der ganzen Bevölkerung der Schweiz realisiert (Vollerhebung). Die Volkszählung umfasste neben der Personenbefragung auch eine Vollerhebung aller Gebäude mit Wohnzweck. Diese Gebäude- und Wohnungserhebung wurde bei den Eigentümerinnen und Eigentümer oder bei den Verwaltungen der betreffenden Gebäude erhoben.
Die Volkszählung 2000 war die letzte vollständige Bevölkerungserhebung in der Schweiz. Sie wurde ab 2010 durch ein neues Erhebungssystem abgelöst. Zum einen wurden das Register der Gebäude und Wohnungen mit den Einwohnerregistern verbunden, woraus regelmässige Grundinformationen über die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, Gebäude und Wohnungen fliessen. Zum anderen wird seit 2010 eine Strukturerhebung durchgeführt, bei der schweizweit jährlich mindestens 200 000 Personen schriftlich zu Themen (z.B. höchste abgeschlossene Ausbildung) befragt werden, die in den Registern nicht enthalten sind. Im Jahr 2014 wohnten davon 7919 in der Stadt Zürich.
Glossar
Erneuerung: ‹Erneuerung› wird als Überbegriff für die baulichen Investitionen in bestehende Liegenschaften verwendet, die eine Baubewilligung benötigen und zu einer signifikanten energetischen Verbesserung führen. Dabei werden zwei Grundtypen unterschieden: Bestandeserneuerung und Wohnersatzbau.
Bestandeserneurung: Bestandeserneurung bezeichnet die bauliche Veränderung von bestehenden Gebäuden, soweit sie im Gebäude- und Wohnungsregister als Umbauten erfasst werden. In der Grössenordnung entspricht die Zahl der umgebauten Wohnungen den energetisch erneuerten Gebäuden, für deren Umbau eine Baubewilligung erforderlich ist.
Wohnersatzbau: Wohnersatzbau bezeichnet den kompletten Ersatz eines älteren Wohngebäudes durch ein neu erstelltes. Wohnersatzbau unterscheidet sich vom übrigen Ersatzneubau dadurch, dass die abgebrochenen ebenso wie die neuerstellten Bauten Wohngebäude sind.
Bildung: Zur Bestimmung des Bildungsniveaus wird die höchste abgeschlossene Ausbildung berücksichtigt. Es werden drei erreichte Bildungsniveaus betrachtet:
Sekundarstufe I: Dazu gehören Personen welche die obligatorische Schule haben, aber auch solche die die obligatorische Schule nicht abgeschlossen haben. Die einjährige Handelsschule oder Fachmittelschule, ein Haushaltslehrjahr oder ein Sprachaufenthalt gehören auch in diese Kategorie.
Sekundarstufe II: In diese Kategorie gehört der Abschluss einer Anlehre, Lehre, vollzeitlicher Berufsfachschule, Fachmittelschule, gymnasialer Maturität, Berufsmaturität oder dem Lehrerseminar.
Tertiärstufe: Personen mit diesem Bildungsniveau haben den Abschluss eines Meisterdiploms, den eidgenössischen Fachausweis, einer Techniker- oder Fachschule, einer höheren Fachschule, einer höheren technischen Lehranstalt, einer Universitären Hochschule, einer Fachhochschule, einer Pädagogischen Hochschule oder der Eidgenössischen technischen Hochschule erreicht.