Eidgenössische Wahlen 2015 - Profil der Wählerinnen und Wähler
27. Oktober 2015 - Christian Gschwendt
An den National- und Ständeratswahlen 2015 nahmen in der Stadt Zürich 52,7 Prozent der wahlberechtigten Männer teil, von den Frauen waren es 47,8 Prozent. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen betrug somit 4,9 Prozentpunkte und hat im Vergleich zu den Wahlen 2007 (5,9 %) und 2011 (5,8 %) abgenommen.
Junge Frauen wählen häufiger als junge Männer
Für beide Geschlechter gilt: In den ersten Jahren nach Erlangung des Wahlrechts liegt die Wahlbeteiligung lediglich bei etwa 30 Prozent. Bis ins Alter von 34 Lebensjahren gilt: Je älter, desto höher die Wahlbeteiligung. Bei den 34- bis 60-jährigen stagniert die Wahlbeteiligung auf einem Niveau von rund 55 Prozent. Über 60-Jährige weisen wiederum eine höhere Wahlbeteiligung auf. Ab 73 Jahren setzt bei den Frauen dann eine Abnahme ein, bei den Männern hingegen erst ab 81 Jahren.
Bis 1971 war das Wahlrecht den Schweizer Männern vorbehalten. Deren Wahlbeteiligung lag auch danach lange Zeit deutlich über jener der Frauen. Die Generation, die bei der Einführung des Frauenwahlrechts volljährig wurde, ist jetzt rund 62-jährig. Tatsächlich ist bei den unter 62-Jährigen die Wahlbeteiligung bei Männern und Frauen vergleichbar. Bei den über 62-Jährigen nimmt der Beteiligungsunterschied zwischen den Geschlechtern aber stetig zu: Mit 70,3 Prozent weisen die 80-jährigen Männer die allerhöchste Wahlbeteiligung auf. Die Beteiligung der gleichaltrigen Frauen liegt mit 51,5 Prozent deutlich tiefer.
Für die Stadtzürcher Wahlberechtigten zwischen dem 18. und 28. Lebensjahr zeigt sich ein anderes Bild: Frauen in diesem Alter weisen eine durchgehend höhere Wahlbeteiligung auf als ihre männlichen Altersgenossen – im Schnitt um 2,5 Prozentpunkte. Auch hat sich die Beteiligung im Vergleich zu 2011 mit 3,7 Prozentpunkten deutlich stärker erhöht als jene der Männer (+ 1,3 %).
Lokale Verbundenheit und nationale Wahlen
Eine Auswertung der Kantonsratswahlen 2015 zeigte: Je länger eine Person in der Stadt Zürich wohnhaft ist, desto eher ging sie wählen. Für die diesjährigen eidgenössischen Wahlen trifft dies nicht zu. Wahlberechtigte, die schon mindestens vier Jahre in Zürich wohnen, weisen zwar mit 44,8 Prozent eine höhere Wahlbeteiligung auf als in den letzten vier Jahren zugezogene (38,2 %). Grafik 2 zeigt aber, dass darüber hinaus kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Aufenthaltsdauer in der Stadt Zürich und der Beteiligung an den National- und Ständeratswahlen besteht.
Diese gegensätzlichen Beobachtungen der Wahlbeteiligung an nationalen und kantonalen Wahlen könnten mit dem lokalen Charakter der kantonalen Politik zu tun haben. Es ist anzunehmen, dass die Verbundenheit mit dem Wohnort und Wohnkanton mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigt. Diese lokale Verbundenheit dürfte wiederum die Bereitschaft erhöhen, sich zur lokalen, sprich kantonalen Politik zu äussern. Das Interesse für die nationale Politik dürfte hingegen weniger davon abhängen, ob eine Person schon ihr ganzes Leben in Zürich verbrachte oder erst kürzlich aus einem anderen Teil der Schweiz zugezogen ist.
Zurückhaltende Nutzung des Erstwahlrechts
16 255 Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher waren am 18. Oktober 2015 zum ersten Mal berechtigt, in der Stadt Zürich an nationalen Wahlen teilzunehmen. Diese Kategorie der potenziellen Erstwählerinnen und Erstwähler setzt sich aus Schweizerinnen und Schweizern zusammen, die seit den letzten eidgenössischen Wahlen vor vier Jahren
- eingebürgert worden sind oder
- ihre Volljährigkeit erlangt haben.
Von dem neu erlangten Wahlrecht machten jedoch nur unterdurchschnittlich Viele Gebrauch: Bei den Eingebürgerten liegt die Wahlbeteiligung bei 35,6 Prozent, bei den volljährig Gewordenen bei 30,7 Prozent.
Hohe Beteiligung bei Reformierten
Auch wenn die politischen und kulturellen Gegensätze der christlichen Konfessionen in den letzten 200 Jahren abgenommen haben, so sind die Unterschiede in der Wahlbeteiligung zwischen den Konfessionsanhängern doch bemerkenswert. Während 48,3 Prozent der römisch-katholischen Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, liegt der Anteil bei den evangelisch-reformierten mit 57,0 Prozent deutlich höher. Mit 60,5 Prozent ist die Beteiligung der Christkatholiken noch höher. Mit lediglich 433 Wahlberechtigten in Zürich macht die Anhängerschaft der christkatholischen Kirche aber nur einen sehr kleinen Anteil der Stadtzürcher Wahlberechtigten aus.
Die Beteiligung der Wahlberechtigten, die keiner der drei obengenannten Konfessionen angehören, liegt bei 46,1 Prozent. Zu dieser Sammelgruppe zählen neben den Konfessionslosen auch die Angehörigen anderer christlicher und nichtchristlicher Religionsgemeinschaften.
Ein Teil der konfessionellen Unterschiede kann auf die unterschiedlichen Einkommens- und Altersstrukturen zurückgeführt werden. Unsere Auswertung zeigt aber, dass die Konfessionszugehörigkeit auch unabhängig vom Alter und Einkommen einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung hat.
Die Analyse der Stimmberechtigten hat in der Stadt Zürich eine lange Tradition. Die Erhebung beruht auf der Auswertung der eingereichten Einmalstimmrechtsausweisen (ESRA). Auf diesen ist ein persönlicher Code aufgedruckt. Dieser wurde mit einem Auszug aus dem Personenregister verglichen, der alle wahlberechtigten Personen enthält. Die ESRA werden getrennt von den Wahl- und Abstimmungsdokumenten erfasst und die gewonnen Daten anonymisiert. Auf diese Art kann bestimmt werden, wer am Urnengang teilgenommen hat, nicht aber, wen die Personen gewählt haben.
Berechnung der Wahlbeteiligung
Die gesamtstädtische Wahlbeteiligung von 48,7 Prozent wurde von den offiziellen Daten des Statistischen Amtes des Kantons Zürich übernommen (ohne Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen). Für die restlichen Angaben der Wahlbeteiligung wurden die Daten der eigenen Auswertung genutzt, welche mit den Bevölkerungsdaten der Stadt Zürich abgeglichen und auf Sterbefälle, Zu- und Wegzüge bereinigt wurden. Es wurde keine Unterscheidung zwischen gültigen und ungültigen Wahlzetteln gemacht. Die berechnete Wahlbeteiligung (50.1 %) ist deshalb leicht höher als die offiziell kommunizierte.
Rückschlüsse auf einzelne Personen sind in den Auswertungen zu keinem Zeitpunkt möglich.