Parteistärken in den städtischen Parlamenten
29. April 2015 - Christian Gschwendt
Kernstädte sind mit ihren Agglomerationsgemeinden stark vernetzt. So haben beispielsweise wirtschafts- oder verkehrspolitische Richtungsentscheide in den Städten oft über die Stadtgrenzen hinaus Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Wirtschaft. Entsprechend bedeutend sind die politischen Kräfteverhältnisse in den kommunalen Legislativen für die gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Welche politischen Parteien geben aber in den städtischen Legislativen den Ton an? Und wie haben sich deren Wählerstärken seit 2008 entwickelt? Die Daten der Statistik der Schweizer Städte bieten einen guten Überblick.
Grosse und mittelgrosse Städte: Leichte Verluste bei der Ratslinken
In den grossen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern (Zürich, Genf, Basel, Lausanne, Bern und Winterthur) stellen die Sozialdemokraten mit aktuell durchschnittlich 28,4 Prozent die deutlich stärkste Partei. Die FDP folgt als zweitstärkste Kraft mit 15,8 Prozent knapp vor SVP und GPS mit 15 beziehungsweise 14,3 Prozent.
Die Ratslinke aus SP und GPS musste seit 2008 Wählerverluste verzeichnen: Zwischen 2008 und 2011 verloren die beiden Parteien 3,4 beziehungsweise 1,3 Prozentpunkte. Während die Grünen danach weiterhin leicht verloren, konnte sich die SP seither wieder geringfügig steigern. Auch FDP und CVP mussten zwischen 2008 und 2014 Verluste von 3,6 respektive 1,6 Prozentpunkten verzeichnen. Zulegen konnten die 2004 gegründete Grünliberale Partei (+5,9 %) sowie die SVP (+2,6 %).
In den Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern verfügt die SP mit 24,2 Prozent über den höchsten Sitzanteil. Weit geringer als in den grossen Städten ist aber ihr Abstand zur erneut zweistärksten Kraft im Parlament, der FDP; sie belegt 20,8 Prozent der Parlamentssitze. Drittstärkste Partei ist hier die CVP mit 13,4 Prozent Sitzanteil, viertstärkste die SVP (10,4 %).
Der Sitzanteil der beiden Polparteien SP (–4,4 %) und SVP (–6,6 %) verringerte sich zwischen 2008 und 2014 markant, während die FDP mit einem Plus von 3,2 Prozentpunkten gestärkt wurde. Innerhalb der Mitteparteien mussten CVP (–1,8%) und EVP (–2,4 %) Verluste verzeichnen. Gleichzeitig hielten die neuen Mitteparteien GLP und BDP zunehmend in den städtischen Legislativen Einzug. Der markante Anstieg der Gruppe bei den „Übrigen Parteien“ ist damit zu erklären, dass Lugano und damit die Lega dei Ticinesi, die im dortigen Parlament aktuell knapp 30 Prozent der Sitze hält, 2009 erstmals in diese Kategorie fällt.
Grüne Parteien legen in Kleinstädten zu
Relativ stabile Machtverhältnisse sind in den Parlamenten der Städte mit 20 000 bis 50 000 Einwohnerinnen und Einwohnern auszumachen. Einzig der Sitzanteil der beiden stärksten Parteien SP und FDP ging in dieser Kategorie zwischen 2008 und 2011 zurück. Nach 2011 stabilisierten sich die Sitzanteile beider Parteien. Geringe Wahlerfolge erzielen hier wiederum SVP, GLP und BDP, aber auch die Grünen.
In den Kleinstädten mit 10 000 bis 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern stellen die Freisinnigen für einmal die stärkste Partei: Sie verfügen mit 25,8 Prozent über mehr Sitze als die SP mit 21,9 Prozent. Die SVP ist mit 15,1 Prozent die drittstärkste Kraft, gefolgt von der CVP mit 10,8 Prozent. Die beiden grünen Parteien konnten seit 2008 zulegen: Grüne wie Grünliberale machten 4 beziehungsweise 2,8 Prozentpunkte gut, während die SP auch hier einen Sitzverlust erfuhr (–3,5 %).
Die Stadtparlamente: Liberaler und sozialer
Die SP büsste von 2008 bis 2014 in sämtlichen Städtekategorien an Einfluss ein. Sie ist aber in grossen und mittelgrossen Städten (über 20 000 Einwohnerinnen und Einwohner) nach wie vor die wählerstärkste Partei. SP und GPS liegen in sämtlichen Städtekategorien über ihrem Wähleranteil im Nationalrat (Wahlen 2011: 18,7 % bzw. 8,4 %). Insofern gilt tendenziell: Je bevölkerungsreicher die Gemeinden, desto stärker sind Sozialdemokratische und Grüne Partei in den Parlamenten vertreten.
Die Mitte steht 2014 dank den neuen Parteien, hauptsächlich der GLP, stärker da als sechs Jahre zuvor – wobei die etablierten Mitteparteien CVP und EVP Verluste verzeichnen mussten. CVP, GLP und EVP weisen im Nationalrat ähnlich hohe Wähleranteile wie in den Städten. Die BDP konnte in den städtischen Gebieten hingegen noch kaum Einfluss erlangen.
Die rechtsbürgerlichen Parteien FDP und SVP mussten ausser in den Kleinstädten Einbussen verzeichnen. Während die FDP in den städtischen Parlamenten in der Regel stärker vertreten ist als im Nationalrat, wiegt das politische Gewicht der stärksten Partei im Nationalrat, der SVP (2011: 26,6 %), in den Städten deutlich weniger.
Die linken Parteien verfügen in den Städten über einen deutlich höheren Wähleranteil als in National- und Ständerat. Gleichzeitig ist die FDP in den Städten stärker als die SVP – im Nationalrat ist es umgekehrt. Entsprechend lässt sich sagen, dass soziale und liberale Kräfte in den städtischen Politarenen deutlich stärker vertreten sind als in den eidgenössischen Parlamenten. Die Einschätzung der städtischen Politik als tendenziell sozialer und liberaler behält zumindest diesbezüglich Gültigkeit.
Der Schweizerische Städteverband führt bei allen Schweizer Gemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern und seinen Verbandsmitgliedern jährliche Erhebungen zur Zusammensetzung der städtischen Exekutiven und Legislativen durch. Die erhobenen Daten werden in Zusammenarbeit mit Statistik Stadt Zürich einmal jährlich in der Statistik der Schweizer Städte veröffentlicht. Sie dienen als Grundlage dieses Artikels.
Anmerkung 1: In der Stadt Bern wurden die Parlamentsmitglieder der «Grünen Freien Liste» und des «Grünen Bündnis‘» der Grünen Partei zugeordnet, da beide Stadtparteien zur Grünen Partei Schweiz gehören.
Anmerkung 2: Im Fall der städtischen Parlamente wurden die Anzahl Sitze, die eine Partei innehat, ins Verhältnis zur Gesamtsitzzahl der Parlamente gesetzt. Dies entspricht nicht dem exakten Anteil erhaltener Wahlstimmen. Die Angaben zu den Nationalratswahlen sind hingegen die gesamtschweizerischen Wähleranteile.
Anmerkung 3: Zurechnungsregeln zu Parteien, etwa die Zuordnung von Jungparteien zu den Mutterparteien, können über die Zeit variieren. Diese Variationen beeinflussen die Sitzanteile pro Städtekategorie und Partei jedoch höchstens im Promillebereich.
Anmerkung 4: Vor 2014 sind vakante Parlamentssitze nicht in der Städtestatistik aufgeführt und werden in den Grafiken nicht aufgeführt.