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Steigende Geburtenzahlen – Folge der Zuwanderung oder gesellschaftlicher Trend?

26. März 2015 - Cornelia Schwierz

Im Jahr 2014 kamen in der Stadt Zürich 5145 Kinder zur Welt, das sind 4,6 Prozent mehr als im bereits geburtenstarken Vorjahr. Damit wurden so viele Kinder geboren wie zuletzt 1966. Was sind die demographischen Hintergründe dieses Anstiegs? Oft wird vermutet, dass die Geburtenzahlen vor allem aufgrund der Wanderungsgewinne steigen. In der Tat spielen Herkunft und Alter der Zuziehenden für die Geburtenentwicklung eine zentrale Rolle. In den letzten Jahren ist aber auch bei Schweizerinnen ein Trend zu mehr Kindern auszumachen. 

Zwei Drittel aller Neugeborenen sind Schweizerinnen und Schweizer

Im Jahr 2014 wurden in der Stadt Zürich 3393 Schweizer Kinder geboren. Der Anteil ausländischer Babys betrug 34 Prozent (1752 Kinder): davon haben drei Viertel (1331 Kinder) einen europäischen Pass, die übrigen 421 Geborenen sind asiatischer (vor allem aus Indien, China, Sri Lanka und Bangladesch), afrikanischer (Eritrea, Somalia, Marokko) und amerikanischer Herkunft (USA, Dominikanische Republik, Kanada, Brasilien).

Langfristiger Trend bei Schweizer und deutschen Babys

Die zeitliche Entwicklung der Geburtenzahlen verläuft je nach Nationalität sehr unterschiedlich (Grafik 1, Grafik 2). Im Jahr 2000 wurden 2027 Schweizer Babys geboren. Danach stiegen die Geburten kontinuierlich an. Zwischen 2000 und 2014 ergab dies einen Zuwachs von 67 Prozent, also durchschnittlich 100 Schweizer Kinder zusätzlich pro Jahr.

Deutsche machen im Jahr 2014 bei den Neugeborenen, wie auch im Bevölkerungsbestand, die grösste ausländische Gruppe aus. Der kumulierte Wanderungssaldo der Deutschen zwischen 2000 und 2014 betrug rund 21 700 – zumeist junge – Personen. Der prozentuale Geburtenanstieg der Deutschen ist darum wesentlich stärker als bei den Schweizer Geburten. Zwischen 2000 und 2014 haben sich die jährlichen Geburten deutscher Kinder verfünffacht: von 105 auf 524. 

Grafik 1: Zeitverlauf der Geburtenzahlen nach Kontinent und Jahr. Pro Kontinent sind jeweils die Länder gezeigt, deren Geburtensumme zwischen 1993 und 2014 zu den «Top Ten» gehört.

Die vielen deutschen Babys kompensieren den deutlichen Rückgang der Geburten aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien. Jugoslawien stellte im Jahr 2000 noch die meisten ausländischen Neugeborenen. Zwischen dem Jahr 2000 und 2014 sind Geburten dieser Herkunftsländer um 80 bis 90 Prozent gesunken. Für alle europäischen Länder zusammen nahm die Geburtenzahl in der Stadt Zürich seit dem Jahr 2007 wieder zu und liegt 2014 gut 15 Prozent über dem Niveau des Jahres 2000.

Die Anzahl Geborener aus Asien ging zwischen 2000 und 2014 um gut ein Fünftel zurück. Vor allem wegen der rückläufigen Geburtenzahlen für Sri Lanka (-83 %). Vervielfacht haben sich hingegen die Geburten von Kindern mit Herkunft Indien, China und Bangladesch.

Grafik 2: Zeitverlauf der Geburtenzahlen nach Kontinent und Jahr. Pro Kontinent sind jeweils die Länder gezeigt, deren Geburtensumme zwischen 1993 und 2014 zu den «Top Ten» gehört. Hier separat für jedes Land gezeigt. Damit lassen sich die Verläufe der einzelnen Länder quantitativ besser fassen.

Bei den Geborenen aus afrikanischen Ländern sind vor allem Somalia und Eritrea vertreten. Die Kämpfe in Somalia und die folgende Flüchtlingswelle Anfangs der 1990er Jahre spiegeln sich auch in der Geburtenstatistik. Der Wert im Jahr 2014 (27 Kinder) liegt aber bereits wieder 13 Prozent niedriger als noch im Jahr 2000. Seit 2006 suchen immer mehr Flüchtlinge aus Eritrea in der Schweiz Asyl, dies führte in der Stadt Zürich zu einem deutlichen Geburtenanstieg seit 2011 (69 Geburten im Jahr 2014).

Wie lassen sich diese beobachteten Trends der Geburtenzahlen erklären?

Die zwei Faktoren der Geburtenentwicklung

Für die Entwicklung der Geburtenzahlen sind zwei Faktoren ausschlaggebend:

  • die Anzahl junger Frauen in der Bevölkerung, die im gebärfähigen Alter sind. Sie wird in der Stadt Zürich vor allem durch Migration (von Ausländerinnen und Schweizerinnen) bestimmt. Für die Geburten-Trends nach Nationalität spielt auch die Einbürgerung eingewanderter Ausländerinnen oder deren erwachsener Töchter eine wichtige Rolle.
  • die Tendenz von Frauen Kinder zu gebären. Messgrösse ist die Fertilität. Sie hängt nicht mehr von der Frauenzahl in der Bevölkerung ab, darum kann dieser Faktor als gesellschaftlicher Trend oder «Familienorientierung» interpretiert werden. Er steigt entweder, wenn mehr Frauen sich für Kinder entscheiden oder wenn ein Trend zu mehr Kindern pro Frau besteht.

Beide Faktoren sind zeitlichen Veränderungen unterworfen. Werden sie getrennt betrachtet, lassen sie Rückschlüsse auf die Ursachen des Geburtentrends zu: gesellschaftlicher Wandel oder Wanderungsgewinne und Einbürgerung?

Verschiedene Typologien für Geburtentrends

Wenn man für die Länder Schweiz, Deutschland, Serbien und Montenegro, Kosovo, Italien und Sri Lanka die zwei Einflussfaktoren auf die Geburtenzahl für die Jahre 2000 und 2014 vergleicht, zeigen sich drei unterschiedliche Typologien (Grafik 3-5, Tabelle 1).

Positive Wanderung und steigende Fertilität

Die Schweiz und Deutschland weisen die deutlichsten Geburtensteigerungen auf. Für sie haben sich beide Einflussfaktoren vergrössert und verstärken sich gegenseitig.

  • Die Anzahl Frauen im gebärfähigen Alter ist zwischen dem Jahr 2000 und 2014 markant angestiegen ist. (Schweizerinnen: +8 %; Deutsche: +207 %). Grund sind vor allem die Wanderungsgewinne. Bei den Schweizerinnen basiert ein weiterer Teil des Bevölkerungsanstiegs auf Einbürgerungen.
  • Gleichzeitig ist auch die Fertilität gegenüber dem Jahr 2000 gestiegen (Schweizerinnen: +47 %; Deutsche: +31 %). Die Fertilitätszunahme ist beinahe ausschliesslich auf die höheren Gebäralter von 30 bis 40 Jahren zurückzuführen.

In Kombination verstärken sich beide Faktoren. Mehr Frauen im gebärfähigen Alter, mit zusätzlich höherer Fertilität, führen zu den deutlich positiven Trends in den Geburtenzahlen.

Einbürgerung/Abnahme der Zuwanderung und rückläufige Fertilität

Für Serbien und Montenegro, Kosovo sowie für Sri Lanka zeigt sich ein ganz anderes Bild. Die Geburtenzahlen dieser Länder waren stark rückläufig.

  • Zum einen nahm die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter ab (je um rund -60 %). Für Sri Lanka sind vor allem die Altersjahre zwischen 25 und 35 betroffen. Dies liegt an der mittlerweile geringeren Zuwanderung und an Einbürgerungen. Viele Migrantinnen aus diesen Ländern leben bereits lange in der Schweiz und haben die hiesige Staatsbürgerschaft erhalten.
  • Zudem reduzierte sich für beide Herkunftsländer die Fertilität (-9 %, respektive -45 %). Dieser Faktor spielt vor allem für Sri Lanka eine Rolle. Die ab den 1980er Jahren eingewanderten Frauen orientierten sich zunächst noch eher an der hohen Geburtenneigung ihres Heimatlandes, wo die Fertilität auch 2005-2010 noch bei 2,4 lag. Mit der Dauer des Aufenthalts in der Schweiz und den nachfolgenden Generationen passte sich die Familienorientierung dem städtischen Durchschnitt immer mehr an.

Verschiebung der Altersstruktur

Für Italien haben sich die Geburtenzahlen im Vergleich mit den anderen Ländern kaum verändert (-12 %). Die Anzahl Frauen im gebärfähigen Alter ging zwischen 2000 und 2014 um 16 Prozent zurück. Die Fertilität stieg nur leicht (+5 %). Bei Italienerinnen hat allerdings die deutlichste Verschiebung der Altersstruktur der Mütter stattgefunden, markant hin zu höheren Gebäraltern. Für italienische Mütter des Jahres 2000 war ein Gebäralter zwischen 25 und 35 am häufigsten, während es im Jahr 2014 am ehesten zwischen 28 und 38 Jahren lag. Gerade Italienerinnen im Alter zwischen 23 und 33 bekamen 2014 viel seltener Kinder als noch im Jahr 2000.

Je nach Herkunftsland lassen sich demnach durch die getrennte Betrachtung der Einflussfaktoren unterschiedliche Gründe für die beobachteten Trends feststellen. Da Schweizerinnen und Deutsche die Mehrheit der Bewohnerinnen in der Stadt Zürich ausmachen, prägt der Verlauf dieser Trends die gesamtstädtische Entwicklung am stärksten.

Der Frage, wo die Neugeborenen in der Stadt Zürich zu Hause sind, geht der Webartikel zur räumlichen Verteilung der Geburtentrends nach.

Tabelle 1: Kennzahlen zu Fertilität, Anzahl Frauen und Geburten für die Jahre 2000 und 2014 und für die Länder Schweiz, Deutschland, Serbien und Montenegro, Kosovo, Italien und Sri Lanka.

  Nationalität der Mutter
  DeutschlandItalienSchweizRS und ME, KOSri Lanka
Geburten20001621251652388145
2014649110263515131
Änderung (%)300.6-12.059.5-61.1-78.6
Frauen
(15-49 Jahre)
2000373634576290542801147
2014114672901681391813447
Änderung (%)206.9-16.18.3-57.6-61.0
Fertilität (Promille)200043.436.226.390.7126.4
201456.637.938.783.369.4
Änderung (%)30.54.947.3-8.1-45.1

Tabelle 1: Kennzahlen zu Geburten, Anzahl Frauen und Fertilität für die Jahre 2000 und 2014 und für die Länder Deutschland, Italien, Schweiz, Serbien und Montenegro, Kosovo und Sri Lanka. 

Grafik 3: Anzahl Geburten nach Herkunftsland der Mutter, Jahre 2000 und 2014 für die Länder Deutschland, Italien, Schweiz, Serbien und Montenegro, Kosovo und Sri Lanka.

Grafik 4: Anzahl Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren, nach Herkunftsland. Jahre 2000 und 2014 für die Länder Deutschland, Italien, Schweiz, Serbien und Montenegro, Kosovo und Sri Lanka.

Grafik 5: Fertilität der Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren, nach Herkunftsland der Mutter. Jahre 2000 und 2014 für die Länder Deutschland, Italien, Schweiz, Serbien und Montenegro, Kosovo und Sri Lanka.

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