Unterschiedliche Entwicklung von Ausbildungsniveau und Löhnen innerhalb und ausserhalb der Stadt Zürich
1.11.2017 - Alex Martinovits
Von 2001 bis 2016 nahm der Anteil Personen mit tertiärem Ausbildungsniveau in der Stadt Zürich markant zu von rund 30% auf 50%. Diese Entwicklung erfolgte auf wesentlich höherem Niveau als im übrigen Kanton und der übrigen Schweiz. Der deutliche Zuwachs an hohen Stundenlöhnen verlief in Stadt und Kanton Zürich ähnlich und auf höherem Niveau als in der übrigen Schweiz. Branchen mit besonders hohen Stundenlöhnen sind Finanzen/Versicherungen und Information/Kommunikation, die in der Stadt Zürich überproportional vertreten sind. Besonders tiefe Stundenlöhne bezahlt das Gastgewerbe.
Die moderne Dienstleistungsgesellschaft in unserem Land generell und in den Kernstädten im Besonderen erlebt im Rahmen der sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen einen starken Zuwachs höherer Ausbildungsniveaus. Diese Bildungsexpansion erfolgt parallel zu Veränderungen der Branchenstruktur und teilweise auch der Einkommensniveaus. Der vorliegende Artikel untersucht, wie sich die Bildungs- und Einkommensniveaus zwischen 2001 und 2016 in der Stadt Zürich verändert haben, und ob diese Entwicklungen in der Kernstadt Zürich im Vergleich anders verlaufen sind als im übrigen Kanton und in der übrigen Schweiz. Ausserdem geht er den Fragen nach, wie sich die Branchen-Zusammensetzung in Stadt, Kanton und übriger Schweiz unterscheiden, und in welchen Branchen in der Stadt Zürich die höchsten Stundenlöhne bezahlt werden. Ausgewertet wurden dafür die Ergebnisse der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des Bundesamts für Statistik.
Entwicklung des Ausbildungsniveaus
In der Stadt Zürich hat der Anteil Personen mit einem Ausbildungsniveau auf Tertiärstufe (höhere Berufsausbildung, Universität, ETH, Fachhochschule, pädagogische Hochschule) zwischen 2001 und 2016 von rund 30% auf 50% stark zugenommen. Die Zunahme erfolgte dabei insbesondere im letzten Jahrzehnt. Parallel dazu nahm der Anteil Personen mit einem höchsten Ausbildungsniveau auf Sekundarstufe I (v.a. Personen mit lediglich obligatorischer Grundschule oder einem Haushaltslehrjahr) leicht von rund 20% auf 15% ab.
Da das Ausbildungsniveau in unserer Gesellschaft stark zugenommen hat, interessiert ein spezifischer Blick auf die Altersklasse der 30- bis 39-Jährigen. Dies ist die jüngste Generation mit abgeschlossener Ausbildung, in der sich die Veränderungen am deutlichsten zeigen. In der Stadt Zürich fällt bei dieser Generation ein besonders hoher Anteil mit Tertiärausbildungen auf: Er erhöhte sich hier von rund 50% auf etwa 70%, womit die grosse Mehrheit dieser Altersgruppe in der Stadt Zürich heute einen Tertiärabschluss besitzt. Auch hier erfolgte der Zuwachs vorab im letzten Jahrzehnt. In dieser Altersklasse weist ein relativ geringer und stabiler Anteil von 10% ein Ausbildungsniveau nur auf Sekundarstufe I auf.
Betrachtet man wieder die Gesamtbevölkerung, so erfolgte im übrigen Kanton (Zuwachs von 20% auf 40%) und der übrigen Schweiz (Zuwachs von 20% auf 30%) ebenfalls eine Zunahme der Tertiärausbildungen, allerdings auf deutlich tieferem Niveau. Auch hier nahm der Anteil von Personen mit lediglich Sekundarstufen-I-Ausbildung ab, wobei er in Stadt und Kanton Zürich auf etwas tieferem Niveau liegt als in der übrigen Schweiz. Im übrigen Kanton und in der übrigen Schweiz ist der Anteil mit Tertiärausbildungen bei den 30-39-Jährigen ebenfalls überdurchschnittlich, aber auch hier auf jeweils deutlich tieferem Niveau als in der Stadt Zürich.
Entwicklung des Bruttoerwerbseinkommens pro Arbeitsstunde
Das Bruttoerwerbseinkommen pro Arbeitsstunde ist in einer Gesellschaft mit vielen Teilzeitangestellten und stark differierenden Arbeitsvolumen ein besserer Indikator für die relative Entlöhnung als das gesamte Erwerbseinkommen. Gleichzeitig ist es ein Indikator für die Produktivität der entsprechenden Arbeit. Deshalb wird dieser Indikator im Folgenden weiter untersucht.
In der Stadt Zürich zeigt die Entwicklung von 2001 bis 2016 eine klare Zunahme des Anteils von hohen Stundenlohn-Niveaus über 50 Franken, von etwa 20% auf 30%. Für die Interpretation ist relevant, dass im letzten Jahrzehnt kaum eine teuerungsbedingte Abwertung der Löhne auftrat, davor aber schon. Dies bedeutet, dass die Zunahme des Anteils hoher nomineller Löhne im letzten Jahrzehnt tatsächlich auch einer Zunahme bei den realen Stundenlöhnen entsprach. Parallel zu dieser Zunahme erfolgte in der Stadt Zürich eine signifikante Abnahme des Anteils tiefer Stundenlöhne (bis 25 Franken pro Stunde) von 20% auf etwas über 10%.
In der Altersklasse der 30- bis 39-Jährigen in der Stadt Zürich zeigt sich bei den hohen Stundenlöhnen über 50 Franken eine ähnliche Zunahme des Anteils wie in der gesamten Stadtzürcher Bevölkerung (von 20% auf 30%). Der Anteil tiefer Löhne nahm in dieser Altersklasse ebenfalls ab. Er war im Beobachtungszeitraum durchwegs geringer als in der Gesamtbevölkerung, und er war in der Stadt Zürich geringer als ausserhalb.
Im übrigen Kanton stieg bei der Gesamtbevölkerung der Anteil hoher Stundenlöhne von über 50 Franken sehr ähnlich wie in der Stadt Zürich; es gab hier einen Zuwachs des Anteils zwischen 2001 und 2016 von 20% auf knapp 30%. Auch in der übrigen Schweiz fand eine Zunahme statt, allerdings auf tieferem Niveau (von 15% auf 20%). Der Anteil tiefer Löhne entwickelte sich im übrigen Kanton Zürich sehr ähnlich wie in der Stadt Zürich und auch auf ähnlichem Niveau, während der Anteil in der übrigen Schweiz sich zwar ebenfalls reduzierte, aber durchwegs höher blieb als in Stadt und Kanton Zürich (Reduktion von 25% auf etwa 15%).
Diese Entwicklungen widerspiegeln die Rolle des ganzen Grossraums Zürich als Wirtschaftsmotor der Schweiz mit einer vergleichsweise hohen Wertschöpfung und Entlöhnung.
Branchenspezifische Stundenlöhne und Unterschiede beim Branchenmix
Unterschiede bei der Branchen-Zusammensetzung zwischen der Stadt Zürich, dem übrigen Kanton und der übrigen Schweiz sind auch ein Erklärungsfaktor für die zuvor kommentierten Unterschiede bei den Stundenlöhnen. Deshalb wurden sie noch eingehender betrachtet.
In der Stadt Zürich arbeiten im Vergleich zum übrigen Kanton und zur übrigen Schweiz überproportional viele Erwerbstätige in den Bereichen Erziehung/ Unterricht, freiberufliche/ wissenschaftliche / technische Dienstleistungen, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie Information und Kommunikation.
In der Stadt Zürich arbeiten die 30- bis 39-Jährigen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überproportional häufig in den Bereichen Erziehung/ Unterricht sowie Information/ Kommunikation. Ein ähnliches Bild wie bei den 30-39-Jährigen, aber noch etwas prononcierter, zeigt sich im Übrigen auch bei denjenigen Personen, die in den letzten drei Jahren neu in die Schweiz gezogen sind. Hier sind zudem auch noch freiberufliche/ wissenschaftliche/ technische Dienstleistungen überdurchschnittlich vertreten.
Hohe Stundenlöhne: Finanzen/Versicherungen und Information/Kommunikation
Ebenfalls um die gesamthafte Verteilung der Stundenlöhne besser erklären zu können, wurde per 2016 auch noch eingehender analysiert, welche Stundenlöhne in ausgewählten wichtigen Branchen bezahlt werden.
Der grösste Anteil an hohen Stundenlöhnen über 50 Franken wird bei in der Stadt Zürich wohnhaften Erwerbstätigen in den Branchen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie Information und Kommunikation bezahlt. Bei Erwerbstätigen im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen ist der Anteil hoher Löhne im übrigen Kanton Zürich sogar nochmals leicht grösser als in der Stadt Zürich. Im Bereich Information und Kommunikation existieren hingegen keine derartigen Unterschiede zwischen Stadt und übrigem Kanton. In der übrigen Schweiz ist der Anteil entsprechend hoher Stundenlöhne in beiden genannten Branchen tiefer als im Raume Zürich.
Etwa im Mittelfeld liegen in der Stadt Zürich die Anteile hoher Stundenlöhne über 50 Franken in den Branchen freiberufliche/ wissenschaftliche/ technische Dienstleistungen, Erziehung/ Unterricht sowie sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen.
Bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen gibt es hingegen bei den tiefen Stundenlöhnen einen überproportionalen Anteil. Besonders wenige hohe und viele tiefe Stundenlöhne weist das Gastgewerbe aus.
Unterschiedliche Löhne in selber Branche, je nach Ort
In der Informations- und Kommunikations- wie auch in der Finanz- und Versicherungsbranche gibt es in Stadt und Kanton Zürich deutlich mehr hohe und weniger tiefe Löhne als in der übrigen Schweiz. Dabei sind die Top-Löhne des Finanzsektors im übrigen Kanton Zürich sogar noch mehr verbreitet sind als in der Stadt Zürich. Bei den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungsberufen gibt es in der Stadt Zürich ähnlich oft Top-Stundenlöhne wie in der übrigen Schweiz, aber etwas seltener als im übrigen Kanton Zürich. Bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen gibt es in der Stadt Zürich hingegen deutlich mehr Personen mit hohen Stundenlöhnen über 50 Franken als im übrigen Kanton und in der übrigen Schweiz. Im Bereich Erziehung und Unterricht sind in der Stadt Zürich die hohen Stundenlöhne ähnlich oft vertreten wie in der übrigen Schweiz, aber seltener als im übrigen Kanton. Im Gastgewerbe gibt es in der Stadt Zürich sowohl weniger ganz hohe wie auch weniger ganz tiefe Löhne als andernorts.
Branchen mit hohen Stundenlöhnen und hoher Produktivität im Grossraum Zürich
Der Anteil von Personen, die in ertragreichen Branchen mit entsprechend hohen Stundenlöhnen arbeiten, ist in der Stadt Zürich ähnlich hoch wie im übrigen Kanton und höher als in der übrigen Schweiz. Gesamthaft ist der ganze Grossraum Zürich ein Gebiet mit besonders vielen hohen Stundenlöhnen, die aus ertragreichen Branchen stammen.
Höheres Ausbildungsniveau, aber nicht unbedingt höhere Stundenlöhne
Eindrücklich ist, wie sehr sich seit 2001 das durchschnittliche Ausbildungsniveau in allen untersuchten Regionen verändert hat. Diese höheren Ausbildungen werden bei vielen Berufsbildern in diesen Branchen zunehmend verlangt.
Während der Anteil an höheren Ausbildungen in der Stadt Zürich deutlich grösser als ausserhalb ist, sind bei den Stundenlöhnen zumindest im Vergleich zum übrigen Kanton Zürich keine derartigen Unterschiede festzustellen. Teilweise mag dies mit dem tieferen Alter der Erwerbstätigen (Karrierestart in der Kernstadt) verbunden sein, teilweise aber auch mit einem etwas anderen Berufs- und Branchenmix von Personen mit Tertiärausbildung innerhalb und ausserhalb der Stadt Zürich.
Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE):
Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE als grösste regelmässig stattfindende Stichprobenerhebung in der Schweiz sammelt Fakten zu diversen Arbeitsmarkt- und weiteren wirtschaftlichen und sozialen Themen. Zu den wichtigsten Themen gehören die Erwerbstätigkeit und die Erwerbslosigkeit sowie deren Merkmale, der (erlernte und ausgeübte) Beruf, die Arbeitsbedingungen, die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt, der Wirtschaftszweig, die Arbeitsstunden, die Aus- und Weiterbildung, die Familien- und Wohnsituation und die Einkommen. Gesamtschweizerisch betrug die Stichprobe 2016 62‘733 Befragte, in der Stadt Zürich waren es 2790.
Publikationen:
- Entwicklung des sozialen Status nach Quartier. Eine Auswertung der Bevölkerungsbefragung der Stadt Zürich 2015. Autorin: Andrea Büchi, Stadtentwicklung Zürich. Zürich, 2017.
- Wohnen und sozioökonomische Situation. Eine Auswertung der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) für die Stadt Zürich mit ausgewählten Vergleichen über die Stadt hinaus. Autor: Alex Martinovits, Stadtentwicklung Zürich. Zürich, 2011.
- Stark gestiegener Bildungsstand der Stadtzürcher Wohnbevölkerung. Ergebnisse von Statistik Stadt Zürich zur höchsten abgeschlossenen Ausbildung. Autor: Klemens Rosin. Zürich, 2017.