Vorsicht, Freude, Rache - Das Kriegsende 1945 in Zürich
Neutral bis zum bitteren Ende
Der Bundesrat hat erst am 1. Mai 1945 die Auflösung der NSDAP, Landesgruppe Schweiz, und der ihr angeschlossenen Organisationen beschlossen. Obschon der Untergang des Deutschen Reiches seit der Schlacht von Stalingrad 1942 und insbesondere seit der Invasion in der Normandie von 1944 absehbar war. Die Rücksichtnahme ging sogar so weit, dass der Beschluss erst in dem Zeitpunkt in Kraft treten solle, „in welchem die Beziehungen der Schweiz zu der heutigen nationalsozialistischen deutschen Reichsregierung aufhören“.
Es kann deshalb nicht überraschen, dass die Alliierten die Schweiz – Neutralität hin oder her – zu den Kollaborateuren mit Nazi-Deutschland zählten.
Am 7. Mai 1945 um 10:20 Uhr sandte das Kriminalkommissariat III, der städtische Nachrichtendienst, die dringende Meldung an die Schweizerische Bundesanwaltschaft: „Haage, Ortsgruppenleiter NSDAP erhält soeben einen Brief von Landesgruppenleiter Stengel, wonach die NSDAP, Auslanddeutsche Frauenschaft, Reichsdeutsche Jugend, Sportgruppen, aufgehoben werden sollen, die deutschen Heime seien zu liquidieren etc. Das Schreiben ist vervielfältigt, und ist datiert vom 5.5.45 und geht offenbar an sämtliche Ortsgruppenleiter. Soll mit der Aktion zugewartet werden, bis sämtliche Akten, Registraturen etc. verschwunden sind?“
Eine Antwort auf diese Anfrage liegt nicht bei den Akten. Dagegen wurde an den Hausdurchsuchungen vom 8. Mai 1945 festgestellt, dass tatsächlich schon Akten vernichtet worden seien.
Tolerierte Siegesfreude
Am 8. Mai 1945 meldete die Wache Seefeld, dass die United Press of America an der Kreuzstrasse Nr. 329 in Zürich 8, eine grosse USA-Fahne gegen die Kreuzstrasse und an einem anderen Fenster eine kleine Schweizerfahne gehisst habe.
Um 6:40 Uhr bekam die Wache auf die Frage „Was tun?“, die Antwort „Abwarten“.
Um 7.02 Uhr informierte der Staatsschutz der Stadt Zürich die Bundesanwaltschaft mit einem Fernschreiben und bat um Anweisung „Wie sollen wir uns am heutigen = v = Tage verhalten??“
Nach einer Stunde, um 8:05 Uhr erhielt Zürich die notwendigen Instruktionen, wonach der Bundesrat in einem Kreisschreiben an die kantonalen Regierungen erklärt habe, der Bundesratsbeschluss vom 26. April 1940 betreffend ausländische Fahnen, „am Waffenstillstandstag nicht rigoros angewendet“ werden solle. Das Fazit lautete: „Fahnen hängen lassen“.
… und „mutiges Durchgreifen“
Am Dienstag, dem 8. Mai 1945 ergriff die Schweizerische Bundesanwaltschaft in Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst der Kantonspolizei die Massnahmen zur Auflösung der nationalsozialistischen Organisationen in Zürich, indem sie Hausdurchsuchungen bei den aufzulösenden Organisationen und den prominenten Parteileuten vornahm. Das Vermögen der Organisationen und das Partei- und Propagandamaterial wurden beschlagnahmt und deren „leitende Persönlichkeiten“ (sic!) wurden einvernommen.
Siegesfeiern
Wie der Tag des 8. Mai 1945 erlebt wurde, können wir am besten aus den Tageszeitungen erfahren.
Dem sozialdemokratischen Volksrecht standen in der Ausgabe vom 9. Mai 1945 zwei sozialdemokratische Kundgebungen im Vordergrund. Die eine fand in Oerlikon statt. Hier sprachen der Volkrechtsredaktor Paul Meierhans, Pfarrer Willi Kolbe und Kantonsrat Hans Nägeli.
Die andere war auf dem Helvetiaplatz. Sie wurde von Stadtparteipräsident Giovanni Albertini eröffnet. Er erinnerte an die letzte öffentliche Kundgebung auf dem Helvetiaplatz vom 24. September 1938, anlässlich des „Diktats von München“, dem Verrat der Tschechoslowakei. Unter Beifall und spontaner Zustimmung stelle Albertini fest: „Die Aggressoren von damals sind die Besiegten von heute“.
Danach sprach Stadtpräsident A. Lüchinger, dessen Vorname Adolf im ganzen Artikel immer mit A. abgekürzt wurde. Er schloss seine Ausführungen mit den unter starken Beifall aufgenommenen Schlussworten: „Genossinne und Genosse, werti Zuehörer! I dere Stund, wone schicksalsschweri, bluet- und tränerichi Epoche zum Abschluss cho ischt, i dem Augeblick, won e neui Zit sich akündiget, wämir eus verspräche. I unabänderlicher Treui und Feschtigkeit em Ufbou vunere neue Wält der soziale Gerächtigkeit eusi ganz Chraft z’widme und nüd lugg z’lah im Kampf um e mänschewürdigs Dasi vo alle Mitmänsche, ik Kampf um e sicheri und usrichendi Exischtänz vu jedem Einzelne, au vum Letschte und Schwächste. Wämir zämestönd und einig sind, dänn meus es und wird’s glinge, us dem Chaos aneui, schöneri, besseri und grächteri Wält ufzboue.“
… und Sachbeschädigungen am Deutschen Reisebüro
In einem zweiten Artikel schilderte das Volksrecht die Vorfälle um das deutsche Reisebüro: „Die Abendstunden brachten ein Leben in die Stadt, wie wir es nur von den grossen Festen der Vorkriegszeit gewohnt sind. Singende Gruppen durchzogen die Strassen, die oft eine Stärke von hundert und mehr Personen erreichten. Vor den alliierten Konsulaten wurde die Landeshymne gesungen, und wenn der Marsch am deutschen Generalskonsulat vorbeiging, dann waren es eben Pfiffe, welche die Lieder ablösten.
Gegen 23 Uhr noch waren vor dem deutschen Reisebüro an der Bahnhofstrasse mehrere hundert Menschen versammelt, die beständig Zuwachs erhielten. Am Gitterportal wurden englische und amerikanische Fahren und Bilder aus den deutschen Konzentrationslagern angebracht. … Die Menge sang schweizerische und französische Lieder, dazwischen erklangen deutschlandfeindliche Rufe. Die jungen Leute, zum grossen Teil Welschschweizer, hantierten an den niedergelassenen Rolläden herum. Diese waren, es sei dies ausdrücklich festgestellt, nicht verschlossen und liessen sich mühelos in die Höhe schieben. Damit war die ‚Grundlage‘ für die kommenden Geschehnisse geschaffen. Eine dichte Menge umlagerte die noch immer in dem Schaufenster ausgestellten Bilder deutscher Städte. Zuerst wurde an das Fenster gepoltert. Dann tauchte eine dicke Holzlatte auf. Plötzlich ein Klirren, die grosse Fensterscheibe ging in Trümmer. Zuerst war es nur ein kleines Loch, das aber unter dem Beifall der Zuschauer immer grösser wurde. Die im Fenster ausgestellten Bilder und Requisiten flogen auf die Strasse, gingen von Hand zu Hand, die Bilder wurden aus den Rahmen gerissen und zerfetzt.
Die Polizei hatte den Befehl am Abend des Waffenstillstandes der fröhlichen Menge möglichst freie Hand zu lassen und nur in krassen Fällen einzuschreiten. So kam es, dass aus diesen Gründen nur zwei Polizisten in Uniform aufmarschierten. Sie standen einer gegen tausend Köpfe zählenden Menge gegenüber. Trotzdem gelang es ihnen, zwei junge Burschen, die das Fenster ausräumten, festzunehmen und gegen die Uraniahauptwache zu führen. Sie wurden aber von zahlreichen jungen Burschen verfolgt und angegriffen. Es kam zu einer Schlägerei, bei welcher die Hüter der Ordnung die Leidtragenden waren. Sie konnten aber trotzdem einen der Häftlinge auf die Wache bringen. Erst jetzt wurde der Befehl zum Einsatz eines Polizeidetachements gegeben. Etwa 50 Polizisten marschierten auf, begrüsst von Pfiffen und Pfuirufen. … Eine Zeitlang schien es, dass die Situation mit einer Strassenschlacht enden würde. ‚Gestapo‘, ‚Schweizer SS‘ waren noch die gelindesten Kosenamen, mit welchen die Polizisten bedacht wurden.“
Freude, Freude, Freude
Die NZZ schilderte am 10. Mai 1945 den Tag des Kriegsendes in Europa unter dem Titel „Die Feier einer Stadt“ so:
„Es war ein Tag von unendlicher Schönheit … und von unendlicher Bitterkeit. Fahnen, Gesang, feierndes und festendes Volk, Glocken, ein See voller Schiffe, Schulklassen, die sangen und Fahnen schwenkten, Kirchen mit ergriffenen Gemeinden, all das ein Ausdruck der Freude über den Aktschluss des grössten Welttrauerspiels. Aber an dieser Freude hing das dunkle Gewicht des Wissens um eine zerstörte, geschleifte Welt und der Ahnung einer Zukunft von schmerzlicher Ungewissheit. Unsere Stadt hat den Tag bis auf einen Zwischenfall würdig gefeiert, angefangen von jener kollektiven Heiterkeit der Leute auf der Strasse, von denen jeder mit dem andern die schweigende Gewissheit teilte, dass man Zeuge eines Tages von historischer Grösse sei, bis zur ergriffenen Menge, die schweigend die Glocken vernahm oder die ihre Münzen auf die Fahnentücher der Schweizer Spende warf, als müsste das weisse Kreuz das Gewicht unserer Dankbarkeit und unseres Helfenwollens tragen.
Der Morgen begann damit, dass aus allen Schulhäusern die Klassen mit wehenden Fahnen aufbrachen. Die Lehrer hatten vorher den Kleinen den Sinn des Tages gedeutet, man hatte vaterländische Lieder gesungen. In der Höheren Töchterschule hielt der Rektor unter dem jungen Grün der hohen Bäume an die Mädchengemeinde eine kurze Ansprache, die schweigende Andacht fand. […] Ein Kleiner trug auf seiner Brust eine Tafel mit der bündigen Aufschrift ‚Der Krieg ist tot‘. Es schien überhaupt, als ob einfaches Volk mit Kreide auf seine Ergriffenheit schrieb: wir lasen vor geschlossenen Geschäften die Anschriften ‚Wegen Friedens heute geschlossen‘. Der Tag riss alle mit, Geschäfte geben plötzlich ihren Angestellten frei, Privatleute und Firmen hingen die Fahnen hinaus, nicht um eine Siegesfeier zu begehen, sondern ganz einfach um ein Freudentuch flattern zu lassen. Auch alle Konsulate hatten beflaggt, nur ein einziges nicht, dem dafür die graue Rauchfahne als letzter Rest verbrannter Akten aus dem Kamin stieg. Es gab die stolzen Fahnen des englischen, amerikanischen, und französischen Konsulates, und am Utoquai sahen wir jene schmerzumwitterte des holländischen Konsulates, zu der ein Mann hinaufsah, dem eine Träne im Auge stand. Um elf Uhr, gerade als sie beim Bürkliplatz jene Stände abbrachen, an denen an diesem Vormittag zu auffallend viele Blumen verkauft worden waren, begannen die Glocken zu läuten. Man stand auf der Quaibrücke – keine zweite Stadt trägt die Kerzen ihrer Kirchtürme so dicht und keine zweite Stadt hat einen Glockenchoral von dieser tiefen Fülle – oder man sah über den Seespiegel mit den vielen Booten und Segeln zum blauen Aquarell der Berge hinüber. Auf dem Bellevueplatz schlugen junge Soldaten einen Trommelwirbel und neben dem Acker des alten Tonhalleareals stand das Zelt des Internationalen Roten Kreuzes mit der Ausstellung ‚Kriegsgefangen‘ und stand da wie eine Mahnung, die gerade an diesem Tage nicht übersehen werden wollte.
Am Abend strömten Tausende in nie gesehenen Scharen aus der Stadt dem See zu. Auch die Jauchzenden auf dem See draussen, eine singende Jugend, die plötzlich auf den Strassen zu tanzen begann und die fêtenden Gäste, die alle Gaststätten bis zum letzten Platz füllten, störten die Weihe des Abends nicht. Als die Glocken zum zweitenmal an diesem Tage zum Friedensgeläut anhoben, füllten sich die Kirchen und als wir ins Grossmünster traten, packte uns ein Bild, wie wir es noch nie gesehen: gefüllte Bänke, Hunderte stehend in den Gängen und Schiffen, darunter viele Eltern mit ihren Kindern, alles zu Choral und Gebet bereiter als sonst. Der Geistliche beschwor die beiden Bilder unseres verschonten Landes und unseres verwüsteten Kontinents, und als die Scharen die Kirche verliessen, sahen sie im Projektorenlicht wie ein Tagbild auf dunklem Grund der Nacht jene Kirchen und Zunfthäuser erstrahlen, die wir, als andere Stätten und Städte in Schutt und Asche sanken, erneuert und geputzt haben. Und zur gleichen Zeit hörte in der Tonhalle eine andere Gemeinde die Neunte Symphonie Beethovens, die durch die geniale Regie des Zufalls auf diesen Tag angesetzt worden war. Der Saal stand während des ganzen Abends nicht nur unter dem Eindruck des Kunstwerks, sondern ebenso sehr unter dem seiner aktuellen Bedeutung. Man war zwiefach ergriffen.“
Die privaten Rachefeldzüge
Keine spezielle Erwähnung in der Presse fanden dagegen verschiedene Racheakte gegen Nazis. Diese Akte von Selbstjustiz wurden zwar vom Erkennungsdienst der Stadtpolizei fotografisch dokumentiert. Ob sie polizeilich verfolgt wurden und ob jemals jemand deswegen bestraft wurde, ist nicht überliefert.
Abbildung: Hakenkreuz-Schmierereien an der Uraniastr. 28 ...
Die Forderung, endlich Konsequenzen zu ziehen
Schon vor Kriegsende herrschte aber ein breit abgestützter Konsens darüber, dass die Schweiz die ausländischen Parteigänger und Mitläufer der Nazis und Faschisten ausweisen solle.
Besonders intensiv mit der Bekämpfung des Nationalsozialismus und seiner Begleiterscheinungen hatte sich Kommissar Albert Frey, der Leiter des städtischen Staatsschutzbüros, des Kriminalkommissariates III, auseinandergesetzt. Er mahnte am 21. Mai 1945 in einer Eingabe an das Polizeiinspektorat zuhanden des Stadtrates dringend die erforderlichen Massnahmen gegen die aktiven Mitglieder von ausländischen faschistischen Organisationen (NSDAP & Fascio) in der Schweiz an:
„Ganz besonders war unsere Stadt zum Tummelplatz dieser ausländischen Sendboten geworden, hier haben sich diese fremden Organisationen ausgebreitet. Der Kampf der zürcherischen Polizei gegen diese von ihren Vertretungen geschützten Agenten war schwer, oft zum Verzweifeln, weil die obern Behörden sich vorsichtig hüteten, sich zu exponieren.“ …
Er fährt fort:
„Wer unser Land und seine Institutionen lächerlich machte, wer es nicht erwarten konnte, bis die Segnungen des III. Reiches auch in unserm Land Eingang fänden, wer bei der Verkündung von der bevorstehenden Ausradierung feindlicher Städte frenetisch Beifall brüllte, wer für die Ausrottung ganzer Bevölkerungsschichten lediglich die Ausrede hatte, es sei eben Krieg, der hat das Recht, bei uns zu wohnen, verwirkt.
Dazu gehören in erster Linie die Einsatzbereiten, dh. die Mitglieder der Partei, der NSDAP und zwar restlos alle. Denn es gab nie einen Zwang, Parteimitglied zu werden, im Gegenteil, die Anwärter wurden gründlich auf ihre Zuverlässigkeit geprüft. Es brauchte eine lange Bewährungsfrist im Opferring und anderen Gliederungen, bis man nur als Parteianwärter in Frage kam.
Als Mitglieder der 5. Kolonne müssen ferner diejenigen bezeichnet werden, die in der SA, oder wie sie später zur Tarnung genannt wurde „Sportgruppe“, eine Charge bekleidet haben. Sie sollen nun ihre Einsatzbereitschaft mit der Tat beweisen, aber nicht bei uns.
Keinen Platz haben wir ferner für alle diejenigen Nutzniesser des Regimes, die in den letzten Wochen und Monaten, kurz vor Torschluss, entdeckten, dass sie keine Nazis sind, obwohl sie seit vielen Jahren der NSDAP angehörten und dieser Zugehörigkeit ihre teils sehr gehobenen und lukrativen Posten verdankten, wie z.B. der Zementbarron Hiedler in Zürich, nebenbei ein entfernter Verwandter Hitlers, sowie Thierfelder etc., die sichs in hiesigen Hotels wohl sein lassen.“
„…es ist unverständlich, dass man demokratische Flüchtlinge in Lager einweist, andern die Reiseerlaubnis entzieht, obwohl sie viele Jahre bei uns wohnen und nichts Nachteiliges über sie bekannt ist, während andere in Luxushotels wohnen und im ganzen Land herumreisen können, wenigstens in den ersten Wochen und Monaten.“
„Es ist mir natürlich durchaus bekannt, dass ein Gemeinwesen, selbst wenn es sich um die grösste Stadt unseres Landes handelt, nicht befugt ist, fremdenpolizeiliche Massnahmen anzuordnen oder durchzuführen. Das ist Sache des Bundes und der Kantone. Aber Zürich hat sicher Anspruch darauf, angehört zu werden, Berücksichtigung seiner besonderen Verhältnisse zu erwarten. Deshalb glaube ich, dass der Stadtrat öffentlich und eindeutig erklären sollte, dass er es unter keinen Umständen dulden werde, das Feinde der Demokratie und andere Unwürdige unsere Stadt als Asyl benützen können.“
Ausweisungen von Nazis und Faschisten
Am 25. Juni 1945 fand in Bern eine ausserordentliche Polizeidirektorenkonferenz zur Ausweisung deutscher und italienischer Staatsangehöriger statt. Sie wurde durch den Chef des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes, Bundespräsident von Steiger, einberufen. Er eröffnete die Besprechung mit der Feststellung, dass ein einheitliches Vorgehen bei den Ausweisungen unbedingt notwendig sei. Und er stellte fest, dass die blosse Zugehörigkeit zur Partei noch kein Ausweisungsgrund sei. Die Diskussion drehte sich dann zuerst vor allem um Verfahrensfragen.
Gegen den Schluss der Konferenz kamen dann die Vertreter der Kantonsregierungen zu Worte. Sie wollten mehrheitlich das Prinzip des rechtlichen Gehörs gewahrt wissen. Sie forderten, dass die Auszuweisenden zum mindesten im Rekursverfahren einzuvernehmen seien.
Auf ihre Initiative ging aber auch der Entscheid zurück, dass die Angehörigkeit zur Partei eine genügende Voraussetzung für die Ausweisung bilde. Dieser Einschätzung schloss sich dann auch der zuständige Bundesrat an. Man einigte sich darauf, dass nur dort von einer Ausweisung abgesehen werden könne, wo sich im Rekursverfahren Entschuldigungsgründe für den Beitritt zur Partei ergeben sollten.
Diese Beschlüsse der Konferenz wurden im Kreisschreiben des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes vom 16. Juli 1945 für verbindlich erklärt. Im Kanton Zürich stellte der Nachrichtendienst des Polizeikommandos des Kantons Zürich im Laufe der folgenden Monate insgesamt 34 Listen von Personen zusammen, die auszuweisen seien.
Diese wurden einer am 3. September 1945 beschlossenen Kommission des Kantonsrates zur Einzelfallprüfung übergeben.
Ein Jahr später legte diese Untersuchungskommission dem Kantonsrat einen Bericht vor, in welchem sämtliche ausgewiesenen Personen aufgeführt wurden - mit Name und Vorname, Wohnsitzgemeinde, Beruf, mitbetroffene Familienangehörige, Ausweisungsgrund und Stand des Ausweisungsverfahrens. Daraus ergibt sich, dass bis am 30. Juni 1946 337 Nationalsozialisten und 21 Faschisten mit ihren Angehörigen aus dem Kanton Zürich des Landes verwiesen wurden.
Nicola Behrens, Stadtarchiv Zürich