Die Hirsebreifahrten von Zürich nach Strassburg
Zusammengestellt von Robert Dünki, Anna Pia Maissen und Karin Beck
Vom 24. bis 27. August 2006 findet die traditionelle Hirsebreifahrt von Zürich nach Strassburg statt. Was ist der geschichtliche Hintergrund dieser Reise?
1456 beteiligten sich die Zürcher an einem Schützenfest in Strassburg. Dabei nahmen sie sich vor, die Strecke Zürich–Strassburg in nur einem Tag mit dem Schiff zurückzulegen, für die man normalerweise drei Tage benötigte. Mit aufs Boot nahmen sie eine Menge frischer Semmeln sowie einen grossen Hafen heissen Hirsebrei – damals eines der Hauptnahrungsmittel. Mit Stroh und Lumpen umwickelt, sollte der Topf noch warm nach Strassburg gebracht werden. Handfest wollte man damit den elsässischen Freunden beweisen, wie schnell ihnen die Zürcher bei Gefahr zu Hilfe eilen könnten: schneller als ein Brei erkaltet. Früh morgens ruderten sie los, und noch bevor es Nacht geworden war, teilten die Zürcher den Strassburgern Hirsebrei und Semmelringe aus.
1576 organisierte der Rat von Strassburg wieder ein Schützenfest und wieder gelangten die Zürcher in einem Tag – zwanzig Stunden sollen es genau gewesen sein – an ihr Ziel. Im Gedicht von Johann Fischart (um 1546 – 1590) „Das Glückhafft Schiff von Zürich“, das noch 1576 in Strassburg erschien, wird erzählt,
„Wie im sommer neulich vergangen
Von Zürch ein Gsellig Burgerschafft
Mit gutem Glück und Manneskraft
Gen Strassburg auf das Schiessen fuhr /
Da sie all freüntlichkeit erfuhr.“
Das war gewissermassen eine Reprise der Expedition vor 120 Jahren. An der Hirsebreifahrt vom 20. Juni 1576 beteiligten sich 54 Zürcher Bürger. Einer der Teilnehmer, der Zürcher Stadtarzt Dr. Georg Keller (1533 – 1603), verfasste einen Reisebericht, worin es heisst: „Als wir nun ze tisch gesessen, hat man auch den hirshafen dahin getragen und hat in der diener uf des ammeisters stuben ufgetan und in kleine blättli angericht und allenthalben uf die tisch usgeteilt, welcher noch so warm gewesen ist, dass er einen an die lefzen (Lippen) gebrennt hat“. Die Zürcher hatten erneut gezeigt, dass sie Strassburg in nützlicher Zeit brüderliche Hilfe leisten konnten. Bei Fischart hört sich das wie folgt an:
„Den Hirs / der zu Zürch kochet war /
Und lisen des auf jeden Tisch
Ain Platt voll tragen / warm und frisch /
Dessen sich mancher gwundert hat
Wann er jn an Mund prennen that“
Fischarts idyllisierende Schilderung der Reise zum grossen Strassburger Schützenfest endet mit folgenden Zeilen:
„Jch aber hab ein Glückschiff beschriben
Welchs das Glück selber hat getriben /
Von dem man sagen würd / allweil
Strasburg von Zürch ligt treisig Meil.
Himit schüz Got die Aidgnosschaft
Und jre libe Nachbarschaft“.
Die Hirsebreifahrt ist seither etwa zwanzig Mal wiederholt worden, so 1877 und 1956 zum fünfhundertsten Jahrestag. Seit dem Jubiläum von 1976 findet die Hirsebreifahrt von Zürich nach Strassburg regelmässig alle zehn Jahre statt. Die Schützengesellschaft der Stadt Zürich, die Gesellschaft der Bogenschützen, die Zunft zur Schiffleuten und der Limmatclub beteiligen sich an der festlichen Fahrt nach Strassburg. Bei der Abfahrt spielt die Stadtmusik Zürich ein „Ständchen“. – Die Zürcher halten heute auf ihrer Hirsebreifahrt jeweils in Baden, wo sie mit Böllerschüssen begrüsst werden und anschliessend zum Essen und Trinken eingeladen sind.