Ist die Person, die ein Kind geboren hat, immer auch die Mutter des Kindes? Die biologische Bestimmung von Mutterschaft ist seit dem Römischen Recht gesetzlich definiert – «Mater semper certa est» – und gilt in der Schweiz bis heute. Die aus der Natur abgeleitete Verpflichtung zur Mutterrolle führte zum Ausschluss von Frauen aus der Politik und in der Folge zu einer Ausgestaltung des Raums des Politischen als «kinderlos». Es hatte, etwa in Form von Abtreibungsverboten, auch konkrete Menschenrechtsverletzungen zur Folge. Die Frauenbewegung hat all das in Frage gestellt, aber wie geht es von heute aus weiter? Eine feministische Ethik der Fortpflanzung muss das Thema rundum neu denken. Es reicht nicht, das Bestehende lediglich weiterzuentwickeln und hier und da an einer Stellschraube drehen, sondern wir müssen von neuen Voraussetzungen ausgehen: Die Freiheit und Würde von Menschen mit Uterus, sagt Antje Schrupp, gehört ins Zentrum von Politik. Was bedeutet es, diese Freiheit zu schützen und zu wahren? Von hier aus können viele aktuelle ethische Fragen neu bewertet werden: Geschlechterkonzepte, Familienformen, Reproduktionstechnologien, Vereinbarkeitsthemen und mehr.

Ist Elternzeit etwas anderes als Mutterschaftsurlaub? Ist die Situation von Müttern radikal anders zu verstehen als jene von Vätern – jetzt und in Zukunft? Zu solchen Fragen ist viel gestritten worden in den letzten Jahren, auch in der Schweiz. Eine Argumentation, die Schwangerschaft und Gebären grosse Bedeutung zumisst, ist weit entfernt von Positionen, die festgefahrene Praktiken und Identitäten von Mutter- und Vaterschaft auflösen wollen. Währenddessen erlebt eine weitere Generation von nicht-vermögenden Müttern, dass ihre Familienarbeit die berufliche Entfaltung verhindert und dass sie zu wenig verdienen, um im Alter von einer Rente leben zu können. In den vergangenen dreissig Jahren haben verschiedene Theoretikerinnen und Schriftstellerinnen versucht, die Kategorie «Frauen» neu zu denken: In einer Art, die gesellschaftliche Diskriminierung anerkennt, ohne gleich wieder festzuschreiben, was und wie Frauen angeblich sind oder sein sollen. Mithilfe von Joan Wallach Scott, Nancy Fraser und allenfalls weiteren Autorinnen sucht Annette Hug einen Ausweg aus den Sackgassen der Mutterschafts-Diskussionen.

Dr. Antje Schrupp ist Politikwissenschaftlerin und Journalistin aus Frankfurt am Main. Sie arbeitet zur politischen Ideengeschichte von Frauen. In ihrem Blog «Aus Liebe zur Freiheit» kommentiert sie aktuelle Ereignisse.

Annette Hug ist Schriftstellerin und ehemalige Gewerkschaftssekretärin. Sie hat in Zürich Geschichte und in Manila «Women and Development Studies» studiert und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit feministischer Theorie, Praxis und Politik.

Im Anschluss an den inhaltlichen Teil können die Gespräche bei Brot, Wein und Käse vertieft werden.

Anmeldung bis 19. Mai 2023